Der Geschichte des DAAD von 1975 bis 1999 zeigt eindrucksvoll, wie durch internationalen Austausch neue Perspektiven entstehen und Wege für akademische Zusammenarbeit geebnet werden. Dieses Vierteljahrhundert markiert eine Ära des Wandels, in der sich der DAAD entschlossen den Herausforderungen stellt und seine Rolle als Motor für Internationalisierung ausbaut.
Innovationen zur Förderung der Mobilität
Das Jahr 1975 ist ein Meilenstein in der Geschichte des DAAD: Anlässlich des 50-jährigen Bestehens des DAAD richtet Präsident Hansgerd Schulte den Blick auf die Hindernisse für akademische Mobilität. Zunehmende Bürokratie und Zulassungsbeschränkungen drohen die internationale Zusammenarbeit zu erschweren. Der DAAD antwortet innovativ: Mit der Einführung integrierter Auslandsstudiengänge baut er Mobilitätshindernisse ab und fördert akademischen Austausch nachhaltig. Diese Programme erlauben es Studierenden, Auslandserfahrungen als festen Bestandteil ihres Studiums ohne Verlängerung der Studienzeit zu integrieren. Dies fördert die Internationalisierung der Hochschulausbildung und stärkt den interkulturellen Austausch.
Deutsch als Fremdsprache und internationale Bildungsprogramme
In den 1970er Jahren gewinnt Deutsch als Fremdsprache (DaF) zentrale Bedeutung für die Arbeit des DAAD. Ab 1975 entwickelt der DAAD systematische Förderkonzepte, darunter Stipendien und Fortbildungen für Deutschlehrkräfte an Universitäten und Goethe-Instituten. Ein 1978 eingeführtes Programm zur Förderung von DaF-Lehrkräften unterstützt die Verankerung von Deutsch in nationalen Bildungssystemen und führt bis 1980 zu über 6.000 Teilnehmenden an DAAD-Programmen mit DaF-Fokus. Diese Initiativen stärken die Attraktivität der deutschen Sprache für die Wissenschaft und legen den Grundstein für intensiveren akademischen Austausch.
Dr. Karl Roeloffs, DAAD-Generalsekretär von 1979 bis 1990, trägt dazu bei, die Herausforderungen der 1980er Jahre zu bewältigen; in seine Amtszeit fallen unter anderem auch die Einführung des bis heute bestehenden Förderprogramms Sprache und Praxis in Japan (1984) sowie der weitere Ausbau der Beziehungen zu China.
Stärkung des europäischen Austauschs
Die 1980er Jahre stehen im Zeichen des Wachstums und der institutionellen Stärkung. Der Bundestag beschließt, den DAAD zur zentralen Beratungsstelle für Auslandsaufenthalte zu machen. Dies öffnet die Tür zu einer intensiveren Zusammenarbeit zwischen Wissenschaft, Politik und Gesellschaft. So übernimmt der DAAD 1987 die Rolle der Nationalen Agentur für das ERASMUS-Programm in Deutschland. Im ersten Jahr schließt der DAAD 102 Zuwendungsverträge mit deutschen Hochschulen ab, mit etwa 1.000 Teilnehmenden. Seitdem entwickelt sich ERASMUS zu einem der erfolgreichsten und bekanntesten EU-Programme, das bis heute Millionen von Studierenden Auslandserfahrungen ermöglicht und die europäische Integration fördert. Es setzt Impulse für die Mobilität in Bildung und Wissenschaft und prägt nachhaltig Menschen, Organisationen und Politik in der EU.
Auch die politische Lage beeinflusst die Arbeit des DAAD: Die Austauschvereinbarungen zwischen der Bundesrepublik und der DDR in den 1980er Jahren legen den Grundstein für die Integration der Programme der DDR nach der Wiedervereinigung.
Akademischer Austausch als Bindeglied zwischen den deutsch-deutschen Wissenschaftssystemen
Bereits am 4. Oktober 1990, am Tag nach der offiziellen Wiederherstellung der deutschen Einheit, nimmt in den Räumen des ehemaligen DDR-Bildungsministeriums eine wichtige Instanz für das Zusammenwachsen des akademischen Austausches von DDR und Bundesrepublik ihre Arbeit auf: Mit der Einrichtung der sogenannten "Arbeitsstelle Berlin-Mitte" übernimmt der DAAD eine Schlüsselrolle bei der Integration ostdeutscher Hochschulen in das internationale Wissenschaftssystem.
Die Herausforderungen für die neue Arbeitsstelle sind enorm: Für rund 6.000 internationale Stipendiatinnen und Stipendiaten der ehemaligen DDR aus 78 Ländern gilt es, schnell die Finanzierung von Lebenshaltungs- und Studienkosten an 45 ostdeutschen Hochschulen zu sichern.
Doch der DAAD sieht in dieser Herausforderung die einzigartige Gelegenheit, neue Brücken zu bauen und den Austausch noch stärker zu fördern. Er entwickelt ein wegweisendes Modell, das sicherstellt, dass tausende internationale Stipendiatinnen und Stipendiaten der ehemaligen DDR ihr Studium erfolgreich im vereinigten Deutschland fortführen und abschließen können. Die "Arbeitsstelle Berlin-Mitte" etabliert ein innovatives Finanzierungssystem auf Basis von Zuwendungsverträge mit Hochschulen – insbesondere in den damals neuen Bundesländern. Dieses Modell hat sich langfristig als ein Grundpfeiler der DAAD-Förderpraxis erwiesen, da es eine flexible und bedarfsgerechte Unterstützung der Internationalisierungsbelange der Hochschulen ermöglicht.
Bereits in der Übergangszeit zwischen Mauerfall und Wiedervereinigung entscheidet sich der DAAD dafür, die Austauschprogramme der DDR fortzuführen und ostdeutsche Professorinnen und Professoren in die Auswahlkommissionen einzubinden. Mit der Wiedervereinigung übernimmt er die Zuständigkeit für die Betreuung und Förderung von rund 8.000 in- und ausländischen Studierenden, Graduierten, Forschenden sowie Lektorinnen und Lektoren der ehemaligen DDR.
Die Arbeitsstelle bietet rund 30 Beschäftigten des aufgelösten DDR-Bildungsministeriums eine berufliche Perspektive, von denen einige später in den DAAD wechseln.
Aufbau eines internationalen Netzwerks nach der Wiedervereinigung
Die 1990er Jahre sind für den DAAD sowohl ein Jahrzehnt des Wachstums und der Transformation, als auch eine Zeit tiefgreifender politischer und gesellschaftlicher Veränderungen.
Bis Ende 1991 werden 28 Hochschulen und 14 Studierendenschaften aus den neuen Bundesländern in den DAAD als Verein der deutschen Hochschulen und Studierendenschaften aufgenommen. Dadurch erhalten sie Zugang zu den internationalen Netzwerken, Förderprogrammen und Austauschmöglichkeiten des DAAD, was ihre Integration in die internationale akademische Gemeinschaft stärkt.
Zeitgleich weitet der DAAD seine Netzwerke in strategisch wichtigen Regionen aus, die teils erst durch die "Wende" zugänglich geworden sind. 1993 eröffnet er eine Außenstelle in Moskau, deren Zuständigkeit sich auf die Nachfolgestaaten der Sowjetunion mit mehr als 900 Hochschulen erstreckt. Zwei Jahre später folgt 1995 die Eröffnung einer weiteren Außenstelle in Peking, um die wachsende Bedeutung Asiens für die internationale Wissenschaftslandschaft zu unterstreichen.
Mit einem 1996 verabschiedeten Aktionsprogramm zielt der DAAD darauf ab, Deutschland für internationale Nachwuchskräfte attraktiver zu machen. Dabei werden Programme eingeführt, die englischsprachige Lehrveranstaltungen und verpflichtende Auslandsaufenthalte in Studiengänge integrieren. Zudem verstärkt der DAAD sein Engagement in Mittel- und Osteuropa und unterstützt 1994 über 12.600 Stipendiaten im Austausch mit diesen Regionen – eine Vervierfachung seit 1984.
Meilensteine für eine global vernetzte Wissenschaftswelt
1999 leitet der Bologna-Prozess eine neue Ära der Hochschulbildung ein: 30 europäische Staats- und Regierungschefs unterzeichnen die Bologna-Erklärung, die die Schaffung eines einheitlichen europäischen Hochschulraums vorsieht. Der DAAD spielt eine zentrale Rolle bei der Umsetzung dieser Reformen für die deutschen Hochschulen und ist an internationalen Konferenzen beteiligt, die die Mobilität von Studierenden und die Vergleichbarkeit von Abschlüssen vorantreiben. Im selben Jahr erreicht die Zahl der DAAD-Geförderten erstmals über 60.000 Personen, darunter 25.817 ausländische und 34.237 deutsche Studierende.
In dieser Ära sind es insbesondere zwei Persönlichkeiten, die den DAAD entscheidend prägen: Prof. Dr. Theodor Berchem und Dr. Christian Bode. Prof. Berchem leitet den DAAD als Präsident von 1988 bis 2007. Unter seiner Führung entwickelt der DAAD innovative Programmlinien, um auf die Herausforderungen der Wiedervereinigung und des Bologna-Prozesses zu reagieren. Dr. Christian Bode, Generalsekretär des DAAD von 1990 bis 2010, spielt eine zentrale Rolle bei der Integration der ostdeutschen Hochschulen und baut die Förderprogramme für Osteuropa nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion maßgeblich aus.