Zwischen seiner Gründung 1925 und der Auflösung 1945 erlebte der DAAD eine wechselvolle und von den Gräueln des Nationalsozialismus geprägte Zeit.
Von den ersten Schritten im internationalen Austausch bis zur aktiven ideologischen Ausrichtung am NS-Regime und der Zerstörung durch den Krieg zeigt die Geschichte des DAAD, wie eng akademischer Austausch mit den politischen Entwicklungen verknüpft war.
Der Beginn des akademischen Austauschs: Von der Idee zur Gründung des AAD
Am 13. Januar 1925 wird in Heidelberg der „Akademische Austauschdienst e. V.“ (AAD) gegründet.
Die Gründung ging auf eine private Initiative zurück und unterstreicht, wie bedeutend internationaler akademischer Austausch bereits damals für Einzelne und die Gesellschaft war. Der erste Impuls ist eine Einladung, die Anfang der 1920er Jahre von einer kleinen amerikanischen Studentengruppe ausgeht: Studierende aus verschiedenen europäischen Ländern sollen die USA bereisen können. Carl Joachim Friedrich, Heidelberger Student der Sozial- und Staatswissenschaften, erhält dadurch 1922/23 die Gelegenheit zu einer USA-Rundreise. Die Begegnungen vor Ort zeigen ihm, wie wertvoll akademischer Austausch zur Förderung von Völkerverständigung und internationaler Zusammenarbeit sein kann.
Deutschland ist zu dieser Zeit, so kurz nach dem Ersten Weltkrieg, international auf allen Ebenen isoliert. Friedrich möchte das zumindest auf akademischer Ebene ändern. Es gelingt ihm, eine Zusage des New Yorker Institute of International Education für die Bereitstellung von 13 Stipendien zum Herbst 1924 zu erhalten – die Grundlage für den künftigen akademischen Austausch ist damit gelegt. Noch 1923 wird in Heidelberg die „Staatswissenschaftliche Austauschstelle beim Institut für Sozial- und Staatswissenschaften der Universitäten Heidelberg“ eingerichtet, die die zukünftigen Stipendiaten auswählt und Gegenstipendien für ausländische Studierende anbieten will. Das Institut wird von Alfred Weber geleitet, Professor für Nationalökonomie und einer der wichtigsten Begründer einer historisch orientierten Kultursoziologie.
Die Geschäfte führt zunächst im Nebenamt ein Kommilitone von Friedrich: Arnold Bergsträsser, Assistent von Weber. 1924 übernimmt Werner Picht die hauptamtliche Leitung der Austauschstelle, ebenfalls ein Schüler Webers und Referent im Preußischen Ministerium für Wissenschaft, Kunst und Volksbildung.
Die Stipendienvergabe beschränkt sich in diesen Anfangsjahren zunächst noch auf die Sozial- und Staatswissenschaften. Dennoch ist die Austauschidee mittlerweile so weit gediehen, dass die bisherige Organisation nicht angemessen erscheint. Die Gründung des AAD als Verein im Januar 1925 ist der nächste Schritt, um dem wachsenden Interesse zu begegnen. Nicht zuletzt treten auch wichtige staatliche Institutionen auf den Plan: Im Kuratorium des AAD sind mittlerweile unter anderem auch das Auswärtige Amt und das Reichsinnenministerium vertreten. Und als der AAD im weiteren Jahresverlauf 1925 nach Berlin übersiedelt, weitet sich der Studenten- und Akademikeraustausch schließlich auf alle Fächer aus.
Erste Schritte nach Großbritannien und Frankreich
Ausgeweitet wird der Austausch aber auch auf andere Länder. Im Frühjahr 1926 reist Geschäftsführer Picht nach Großbritannien und knüpft dort wichtige Kontakte. Bereits im Sommer gründet sich daraufhin eine englische Partnerorganisation des AAD, das Anglo-German Academic Board. Zum Wintersemester 1926/27 treffen die ersten britischen Geförderten in Deutschland ein. Wenig später, am 1. Juni 1927, richtet der AAD, mittlerweile unter der Leitung von Adolf Morsbach, gleichzeitig Erster Geschäftsführer der Generalverwaltung der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft, in London seine erste Außenstelle ein. Ab 1928 werden auch die Kontakte zu Frankreich intensiviert, 1930 eine Außenstelle in Paris eingerichtet.
Zum 1. Januar 1931 wird der Akademische Austauschdienst mit der Deutschen Akademischen Auslandsstelle des Verbandes der deutschen Hochschulen und der Alexander von Humboldt-Stiftung zusammengeschlossen und erhält die endgültige Bezeichnung „Deutscher Akademischer Austauschdienst e. V.“.
In dieser ersten Phase des akademischen Austauschs setzt sich der DAAD dafür ein, akademische Brücken zu bauen und internationale Kontakte zu festigen. Der Austausch trägt bereits in den späten 1920er Jahren zur Verbesserung des internationalen Ansehens Deutschlands bei und legt die Basis für den späteren Ausbau der Organisation zu einer zentralen Institution für internationalen Austausch.
Selbstgleichschaltung
Mit der Machtübernahme der Nationalsozialisten 1933 ändert sich der Kurs des DAAD grundlegend. Unter ihrem Generalsekretär Adolf Morsbach, der den antidemokratischen Kreisen der „Konservativen Revolution“ nahesteht, stellt sich die Austauschorganisation schon unmittelbar nach dem Regimewechsel freiwillig in den Dienst der nationalsozialistischen Ideologie. Die Führung des DAAD sieht in der Zusammenarbeit mit dem Regime eine Möglichkeit, die Position und Finanzierung der Organisation zu sichern.
Ein markantes Beispiel für die Unterordnung des DAAD ist die Aufnahme von Ernst Röhm, Stabschef der SA, in den Vorstand. Es ist eine Entscheidung, die für Adolf Morsbach schwerwiegende Folgen hat, nachdem Röhm im Zuge des „Röhm-Putsches“ im Juni 1934 ermordet wird. Aufgrund seiner Nähe zum SA-Chef wird Morsbach von der Gestapo verhaftet, für zweieinhalb Monate inhaftiert und seiner Leitungstätigkeit enthoben.
Seine Nachfolge beim DAAD wird vom neu gegründeten Reichswissenschaftsministerium bestimmt, das nun auch den Auslandsdienst kontrolliert. Die Wahl fällt auf Wilhelm Burmester, seit 1931 Mitglied der NSDAP und bereits im Zuge seiner Tätigkeiten im Preußischen Kultusministerium mit Hochschulangelegenheiten befasst. Unter seiner Führung stellt sich der DAAD nun vollends hinter die NS-Ideologie: Zu den Auswahlkriterien bei der Stipendienvergabe zählen fortan eine nationalsozialistische Gesinnung sowie eine „arische“ Abstammung der Bewerber. Deutsche Studierende, die ins Ausland gehen, sollen als ideologisch gefestigte Repräsentantinnen und Repräsentanten des NS-Staates auftreten.
Zweiter Weltkrieg und Übernahme durch die Reichsstudentenführung
Die zunehmende aggressive deutsche Außenpolitik und schließlich der Kriegsbeginn führen nach und nach zwangsweise zur Einstellung des bilateralen Austauschs mit Großbritannien, Frankreich und den USA. Dennoch werden während des Kriegs akademische Auslandsbeziehungen sogar ausgeweitet: Mit verbündeten Ländern wie Ungarn und Italien gibt es weiterhin Austausch, vor allem aber wird die einseitige Stipendienvergabe an ausländische Studenten nach dem 1. September 1939 stärker betont, um die deutschen Hegemonialinteressen zu fördern. So sollen beispielsweise in Deutschland ausgebildete ukrainische Fachkräfte gezielt gefördert werden, um sie später zur politisch verlässlichen Basis für die angestrebte deutsche Nachkriegsherrschaft in ihrem Herkunftsland zu machen.
Um dem neuen Fokus auf das unilaterale Stipendienwesen Rechnung zu tragen, wird im April 1941 das Deutsche Studienwerk für Ausländer (DSA) ins Leben gerufen, in dem alle Programme für ausländische Studenten zusammengefasst werden. Der DAAD bleibt, in Zusammenarbeit mit den Akademischen Auslandsämtern der Hochschulen, nur noch für die allgemeine Ausländerbetreuung zuständig. Ab Juni 1943 wird die Geschäftsführung des DAAD dabei direkt vom Leiter des Außenamts der Reichsstudentenführung, Werner Braune, übernommen. Als SS-Obersturmbannführer hatte Braune zuvor als Anführer des Sonderkommandos 11b der Einsatzgruppe D die Erschießung Zehntausender Juden in der Südukraine und auf der Krim verantwortet.
Der weitere Kriegsverlauf macht indes die Arbeit des DAAD nahezu unmöglich. In der Nacht vom 22. auf den 23. November 1943 werden am Kronprinzufer 13 in Berlin die Büros von Bomben zerstört – und damit auch alle Akten des DAAD. In den letzten Kriegsjahren beschränkt sich die Arbeit des DAAD so weitgehend auf die Koordinierung der Betreuung ausländischer Studierender durch die Akademischen Auslandsstellen der Hochschulen.
Im Mai 1945 wird der Verein DAAD beim Amtsgericht Berlin offiziell aufgelöst.
Auflösung des DAAD und Vorbereitungen zur Neugründung
Bereits in den Jahren 1946 bis 1948 gibt es erste Initiativen der westlichen Besetzungsmächte zur Neugründung des DAAD, um die akademische Isolation Deutschlands zu beenden und wieder eine zentrale Stelle für den Studierendenaustausch zu schaffen. Besonders Sir Robert Birley, Headmaster am Eton College und später Berater der britischen Militärregierung, engagiert sich intensiv für die Wiederaufnahme akademischer Kontakte, und eine Delegation des American Council on Education empfiehlt die baldige Aufnahme Deutschlands in das 1946 gegründete Fulbright-Programm.
1949 wird Professor Theodor Klauser, Rektor der Universität Bonn, von der Kultusministerkonferenz mit der Neugründung des DAAD beauftragt.