Auf Augenhöhe im internationalen Austausch
Ukrainische Hochschulen haben in den letzten Jahren deutliche Fortschritte bei der Internationalisierung gemacht. Dazu trägt auch das 2019 gestartete und aus Sondermitteln des Bundesministeriums für Bildung und Forschung finanzierte DAAD-Programm Unterstützung der Internationalisierung ukrainischer Hochschulen bei. Es fördert Projekte, die vor allem Mitglieder der ukrainischen Hochschulverwaltung zu Themen wie Zeitmanagement, Drittmittelakquise und Nutzung digitaler Arbeitsprozesse weiterbilden.
Professorin Kateryna Skyba ist Vizerektorin der Nationalen Universität Khmelnytzkyi in der Ukraine. Zu ihren Aufgaben gehört es, die Internationalisierung ihrer Hochschule voranzutreiben. Eine wichtige Tätigkeit, denn seit der ukrainischen Hochschulreform von 2014 sind die Universitäten des Landes angehalten, sich in Kooperationsprojekten stärker international auszurichten.
Um ukrainische Hochschulmanagerinnen und -manager hierbei zu unterstützen, leistet das DAAD-Programm Unterstützung der Internationalisierung ukrainischer Hochschulen einen wertvollen Beitrag. Anfang 2022 absolvierte Kateryna Skyba die DAAD-geförderte Weiterbildung „Multiplication Trainings for Higher Education Administrators in Ukraine“ (THEA Ukraine X) der Fachhochschule Münster in Kooperation mit der Staatlichen Universität Sumy. „Ich wollte mein Wissen erweitern, bei der Einführung neuer Ansätze einen Schritt voraus sein und ein Netzwerk aufbauen, das für erfolgreiche internationale Projekte unverzichtbar ist“, erzählt sie. Besonders reizvoll fand Skyba die Möglichkeit, die neu erworbenen Kenntnisse mit Unterstützung einer ukrainischen Tandemtrainerin gleich an ihre Kolleginnen und Kollegen in Khmelnytzkyi weitergeben zu können. Ihre Erfahrungen im Kurs hätten ihre Erwartungen weit übertroffen, schwärmt sie: „Ich habe nicht nur Einblicke in Internationalisierungstrends und -strategien gewonnen, sondern auch viel über Zeitmanagement, Ressourcenzuweisung und effektive Kommunikation gelernt. Und ich habe dauerhafte Freundschaften geschlossen!“
Zielgruppe Hochschulverwaltung
Auch dank des DAAD-Programms haben ukrainische Hochschulen in den vergangenen Jahren deutliche Fortschritte bei der Internationalisierung gemacht. „Sie haben an Selbstbewusstsein gewonnen und nehmen heute auf Augenhöhe am internationalen Austausch teil“, sagt die DAAD-Referentin Diana Scherer. Das innovative Programm, das aus Sondermitteln des Bundesministeriums für Bildung und Forschung finanziert wird, hat 2019 erstmals in einer eigenen Programmlinie ukrainisches Hochschulverwaltungspersonal als Zielgruppe in den Blick genommen. „Gerade beim Thema Internationalisierung ist es sehr wichtig, die Verwaltungen einzubinden“, meint Scherer.
Die Multiplikatorentrainings bauen auf einem Vorgängerprojekt der FH Münster auf. „Wir wollten die Breitenwirkung erhöhen, indem wir ukrainische Hochschulmanagerinnen und -manager selbst zu Trainern ausbilden“, sagt Projektleiterin Dr. Sonja Mikeska. Nach der russischen Invasion habe man zunächst gezweifelt, ob Internationalisierung angesichts der sich überschlagenden Ereignisse weiterhin relevant für die ukrainischen Partner sei: „Aber es zeigte sich, dass aus ihrer Sicht die strategische internationale Vernetzung sogar noch wichtiger geworden war.“ Anders als ursprünglich geplant, musste die Weiterbildung – mit Ausnahme eines Treffens in Münster 2023 – online stattfinden.
Schulungen trotz Luftalarm
Die Trainings an den Heimathochschulen der Teilnehmenden wurden teils noch wesentlich stärker durch den Krieg beeinträchtigt. „Russische Raketen haben im Herbst 2022 die Infrastruktur unserer Stadt stark beschädigt, es gab längere Zeit keinen Strom und kein Internet“, erzählt Kateryna Skyba. „Wir konnten schließlich Generatoren beschaffen und die Schulungen hybrid durchführen. An zwei Tagen gab es stundenlange Unterbrechungen wegen Luftalarms. Das war alles sehr schwierig und herausfordernd, aber es hat uns auch stärker gemacht.“ Die rund 50 Teilnehmenden an Skybas Training setzten sich strategische Ziele für ihre Dekanate und Fachbereiche, die sie innerhalb von sechs Monaten umsetzten. „Die ganze Universität hat profitiert“, freut sich Skyba. „Alle Fachbereiche haben ihre Websites ins Englische übersetzt und aktiver nach internationalen Partnern gesucht, einige haben internationale Veranstaltungen organisiert.“
Auch im Schwesterprojekt „Management of Internationalisation and German-Ukrainian Academic Cooperation 2020-2023“ (MoI Ukraine) der Leibniz Universität Hannover (LUH) und der Nationalen Taras-Schewtschenko-Universität Kyiv verwirklichten die 32 Teilnehmenden konkrete Projekte an ihren Heimathochschulen. So wurde beispielsweise eine Online-Plattform für akademische Mobilität oder Trainings zur Drittmittelakquise umgesetzt. Auch an der Volodymyr Dahl East Ukrainian National University, die ihren Standort seit Kriegsbeginn schon zweimal wechseln musste, konnte eine Internationalisierungsstrategie entwickelt werden.
Austausch von Ideen und Informationen
Erfahrungsaustausch und Vernetzung spielen sowohl in THEA Ukraine X als auch in MoI Ukraine eine sehr große Rolle. Die beiden deutschen Hochschulen organisierten gemeinsame Bar Camps für die Teilnehmenden, unter anderem zum Thema Resilienz. So entstanden enge Verbindungen auch zwischen ukrainischen Hochschulen, die es so aufgrund der ausgeprägten Konkurrenzsituation vorher nicht gab. „Es ist gelungen, die Teilnehmenden nicht nur fortzubilden, sondern sie untereinander und international zu vernetzen und den ukrainischen Hochschulen eine Stimme und Sichtbarkeit zu verleihen“, bilanziert Nataliya Butych vom International Office der LUH.
Ukrainische Hochschulen waren 2022 erstmals auf der Konferenz und Messe der European Association of International Education vertreten, der wichtigsten Fachveranstaltung zur Hochschulinternationalisierung in Europa. Ebenfalls 2022 gründeten Teilnehmende beider Projekte das sehr aktive „Professional Network of Education and Science Managers of Ukraine“. „Diese Drehscheibe für den Austausch von Informationen und Ideen hat den Internationalisierungsbestrebungen der ukrainischen Hochschulen wichtige Impulse gegeben. Die Erfahrung unserer deutschen Kolleginnen und Kollegen hat uns beim Aufbau sehr geholfen“, sagt Kateryna Skyba. Derzeit beteiligt sie sich an der Gründung eines weiteren, spezialisierten Netzwerks für Führungskräfte, die an ukrainischen Hochschulen für Internationalisierung verantwortlich sind.
Digitale Workflows nutzen
Das DAAD-Programm wurde kürzlich bis Ende 2024 verlängert. Neben den Weiterbildungen in Münster und Hannover werden auch sieben deutsch-ukrainische Projekte einer zweiten Programmlinie fortgesetzt, die den Transfer von Know-how bei der Nutzung digitaler Arbeitsabläufe fördert – ein 2019 noch recht neues Thema, das durch die Corona-Krise und den Krieg ungeahnte Bedeutung gewann. Zu den Digitalprojekten gehören Wettbewerbe für ukrainische Studierende, welche die Hochschule Anhalt seit 2019 veranstaltet. „Wir wollten brillante Köpfe identifizieren, denen wir mit unseren Ressourcen helfen können, ihre innovativen Ideen zu verwirklichen“, sagt Professor Eduard Siemens. Rund 40 Studierende und rund 20 Doktorandinnen und Doktoranden wurden seit 2019 gemeinsam mit ukrainischen Partnern betreut.
Als sich herausstellte, dass viele ukrainische Lehrende Weiterbildungsbedarf in digitalen Lehrmethoden hatten, gründete die HS Anhalt ihr „Deutsch-Ukrainisches Digitales Innovationszentrum“, das bis heute mehr als 1.400 Lehrende von 172 ukrainischen Hochschulen weiterqualifiziert hat. Durch das Projekt sei die HS Anhalt für Hochschulen und staatliche Stellen in der Ukraine sichtbar geworden, sagt Siemens: „Außerdem haben wir an unserer Hochschule sehr viel Ukraine-Expertise aufgebaut. Wir haben heute Kontakte zu mehr als hundert ukrainischen Hochschulen und kennen ihre jeweiligen Stärken. So wissen wir immer, an wen wir uns wenden können.“
Miriam Hoffmeyer (4. Dezember 2023)