Europäische Hochschulallianzen: Partner für ukrainische Hochschulen
Im Rahmen des nationalen Begleitprogramms zur EU-Initiative Europäische Hochschulen werden seit 2022 auch ukrainische Hochschulen unterstützt.
Mit der Initiative Europäische Hochschulen fördert die EU grenzüberschreitende Allianzen von Hochschulen, die weitreichende Formen der Kooperation auf unterschiedlichen Arbeitsebenen erproben. Seit 2022 haben viele der aus dem Erasmus+ Programm geförderten Netzwerke ukrainische Hochschulen als assoziierte Partner aufgenommen.
„Die Europäischen Hochschulen können einen Beitrag dazu leisten, die Integration ukrainischer Hochschulen in den europäischen Bildungsraum voranzubringen“, sagt Dr. Klaus Birk, Leiter der Abteilung für Projekte des DAAD. Deutsche Hochschulen, die Mitglieder einer Europäischen Hochschulallianz sind, können eine zusätzliche Förderung aus dem vom BMBF finanzierten Begleitprogramm Europäische Hochschulnetzwerke (EUN) – nationale Initiative des DAAD erhalten. An mehreren Allianzen sind sowohl deutsche als auch ukrainische Hochschulen beteiligt. Letztere können keine Erasmus+ Mittel erhalten, aber die DAAD-Fördermittel können für Mobilitätsstipendien verwendet werden, die Studierenden, Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern sowie Verwaltungsmitarbeitenden deutscher und ukrainischer Hochschulen Aufenthalte bei der jeweiligen Partnerhochschule ermöglichen.
Interdisziplinäre Zusammenarbeit
Die Nationale Taras-Schewtschenko-Universität Kyjiw (KNU) wird bereits seit 2022 an der Europäischen Hochschule EUniWell beteiligt, die von der Universität zu Köln koordiniert wird. Mehrere Forschende der KNU sind seither zu Aufenthalten nach Köln gereist. Kölner Wirtschaftsstudierende nahmen 2023 am Online-Kurs „International Business“ der KNU teil. „Es ist uns sehr wichtig, die akademische Mobilität in beide Richtungen weiter auszubauen“, sagt die KNU-Vizepräsidentin für internationale Zusammenarbeit, Professorin Kseniia Smyrnova. Die KNU habe sich für EUniWell wegen des Netzwerk-Leitthemas „Well-Being“ entschieden: „Wohlergehen ist ein sehr wichtiger gemeinsamer Wert, der unsere Gesellschaften verbindet.“ Die interdisziplinäre Zusammenarbeit der elf Hochschulpartner konzentriert sich auf die Bereiche Gesundheit, Lehrerbildung, Ökologie sowie soziale und kulturelle Aspekte von Wohlergehen. Für die KNU stehe die gemeinsame wissenschaftliche Forschung zu den Folgen des Krieges im Vordergrund, erläutert Smyrnova – „beispielsweise zu Auswirkungen auf die psychische Gesundheit, auf Migrationsbewegungen und die Umwelt“.
Die KNU arbeitet auch im Rahmen von DAAD-Programmen, die direkt auf die Unterstützung der Ukraine zielen, eng mit deutschen Hochschulen zusammen. So ist sie im Programm Unterstützung der Internationalisierung ukrainischer Hochschulen, das unter anderem Weiterbildungen für Hochschulverwaltungspersonal umfasst, Partnerin der Leibniz Universität Hannover. Mit der Ruhr-Universität Bochum gibt es ein gemeinsames Projekt zu digitalen Laboren, das aus dem Programm Ukraine digital finanziert wird. „Beide Projekte sind sehr erfolgreich“, so Kseniia Smyrnova. In der Allianz erreiche die Zusammenarbeit aber eine ganz neue Dimension. Das bestätigt auch die EUniwell-Koordinatorin und Prorektorin für Lehre und Studium, Professorin Beatrix Busse von der Universität zu Köln: „Die Allianzen sind eine sehr innovative und transformative Form der Kooperation, weil die Partnerhochschulen in allen Leistungsdimensionen und allen Fächern zusammenarbeiten. Man hat viele Möglichkeiten, Neues auszuprobieren, und kann enorm voneinander lernen – zum Beispiel, wie die anderen Hochschulen innovative Karrierewege und Talente fördern oder das Thema Entrepreneurship vermitteln.“
Indem sie neue Kooperationsmodelle in Lehre, Forschung, Innovation und Transfer erproben, sollen die Europäischen Hochschulen zu Vorreitern im europäischen Bildungsraum werden. Beispielsweise zur Verständigung über die Akkreditierung gemeinsamer Studiengänge oder die Anerkennung von Studienleistungen organisiert der DAAD alle zwei Jahre einen Politikdialog in Bonn, an dem Vertreterinnen und Vertreter der geförderten Hochschulen, der Wissenschaftsministerien von Bund und Ländern sowie weitere Akteure der Wissenschaftspolitik teilnehmen.
Gegenseitige Unterstützung
Die regelmäßigen Netzwerktreffen, auf denen die deutschen Hochschulen ihre Erfahrungen mit den Allianzen austauschen, werden vom DAAD ebenfalls organisatorisch unterstützt. Diese Treffen seien sehr wertvoll, stellt Dr. Ewa Adamkiewicz fest, die an der Universität Leipzig Projektkoordinatorin für die Hochschulallianz Arqus ist. „Alle beteiligten deutschen Hochschulen stehen ja vor ähnlichen Fragen, etwa: wie bindet man Studierende am besten in die Aktivitäten der Allianz ein? Aus den Treffen haben sich gute Kontakte entwickelt, mit denen wir uns auch auf kurzem Weg austauschen und gegenseitig unterstützen können.“ Die Kyjiw-Mohyla-Akademie kooperiert seit November 2022 mit Arqus. „Nachdem Russland in die Ukraine eingefallen war, wollte die Allianz sich solidarisch zeigen und ein Zeichen für Wissenschaftsfreiheit und friedliche Zusammenarbeit setzen“, sagt Adamkiewicz. 2023 fanden im Rahmen von Arqus an der Universität Wrocław ein Workshop und eine Sommerschule mit Teilnehmenden aus Kyjiw statt. Zudem erarbeiteten die Netzwerkpartner gemeinsam einen Aktionsplan zur Unterstützung geflüchteter ukrainischer Wissenschaftlerinnen, Wissenschaftler und Studierender.
Neue Verbindungen
Die Europäischen Hochschulallianzen schaffen auch neue Verbindungen zwischen Städten: Nachdem die Nationale Wassyl-Stefanyk-Vorkarpaten-Universität Iwano-Frankiwsk (PNU) an der Allianz EDUC beteiligt worden war, die von der Universität Potsdam koordiniert wird, schlossen Iwano-Frankiwsk und Potsdam 2023 eine Städtepartnerschaft. Zudem reisten aus Iwano-Frankiwsk Studierende zu einer „Denkfabrik“ nach Riga, Nachwuchsforschende zu einem Entrepreneur-Workshop nach Potsdam. Weil sich EDUC erfolgreich für eine Förderung durch die Europäische Exzellenzinitiative (EEI) beworben hat, kann die Allianz ab 2024 ihre Zusammenarbeit in Forschung und Innovation weiter ausbauen. Ein Schwerpunkt soll auf der vertieften Einbeziehung der drei EDUC-Partnerhochschulen in Tschechien, Ungarn und der Ukraine liegen. Leitthema des Hochschulnetzwerks sind neue digitale Lehrmethoden. Darin habe die PNU viel Erfahrung, sagt Dr. Katja Jung, EDUC-Projektmanagerin an der Universität Potsdam: „Die Zusammenarbeit ist auf Augenhöhe, alle Netzwerkpartner können voneinander lernen.“
Miriam Hoffmeyer (5. Januar 2024)