Europäische Hochschulallianzen: Vom Politikdialog profitieren

Dialog als Schlüssel: Gespräche auf politischer Ebene sind wesentlich für den Erfolg der „Europäischen Hochschulen“.

Die „Europäischen Hochschulen“ sind junge Institutionen, die sich viel vorgenommen haben, aber auch noch vor großen Herausforderungen stehen. Damit die grenzübergreifende Zusammenarbeit in Forschung und Lehre für die deutschen Hochschulen gelingen kann, braucht es im nationalen Kontext eine enge Abstimmung mit den hochschulpolitischen Instanzen auf Landes- und Bundesebene. Der vom DAAD moderierte Politikdialog ermöglicht Austausch für richtungsweisende Lösungen.

Europäische Hochschulzusammenarbeit will geregelt sein, sei es die Anerkennung von kurzfristigen Lernerfahrungen über sogenannte Microcredentials, die grenzübergreifende Lehre oder die virtuelle Mobilität und der Aufbau digitaler Campus. Für jede „Europäische Hochschule“ sind die Rahmenbedingungen im jeweils nationalen Kontext unterschiedlich – besonders im föderalen Deutschland, wo die Zusammenarbeit in Studium, Forschung und Lehre in den Bundesländern rechtlich, administrativ oder auch technisch unterschiedlich gerahmt und gesetzlich geregelt wird.

Wichtige hochschulpolitische Fragen

Ein Beispiel für regulatorische Herausforderungen im nationalen Kontext der Bundesrepublik ist der Status von Studierenden, die sich innerhalb der Europäischen Hochschulnetzwerke (EUN) für besonders kurze virtuelle Mobilitäten entscheiden. Müssen sie für einen zweiwöchigen virtuellen Kurs an einer deutschen Hochschule immatrikuliert werden oder nicht? Bekommen sie auch ohne Immatrikulation Zugang zur Infrastruktur der Hochschule? Was bedeutet fehlende Immatrikulation für den Datenschutz, für die Gebührenordnungen, für die Versicherungsleistungen? Wie werden diese Studierenden in den hochschulinternen Statistiken erfasst? Wie werden ihre Leistungen anerkannt? „Das sind nur einige von vielen Themen, die den deutschen Hochschulen bei der Organisation ihrer europäischen Zusammenarbeit unter den Nägeln brennen“, sagt Birgit Siebe-Herbig, Referatsleiterin für Forschung und Internationalisierung und Hochschulnetzwerke im DAAD. „Um solche Herausforderungen zu meistern, ist es entscheidend, dass die an den EUN beteiligten deutschen Hochschulen mit Vertreterinnen und Vertretern der zuständigen Länderministerien und dem Bund ins Gespräch kommen.“ Ein Mittel zu diesem Zweck ist der vom DAAD organisierte Politikdialog auf nationaler Ebene.

Austausch durch digitalen Runden Tisch

Der Politikdialog ist Teil des nationalen Begleitprogramms Europäische Hochschulnetzwerke (EUN) – nationale Initiative, das der DAAD mit Mitteln des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) aufgelegt hat. Das Programm unterstützt zusätzlich zur breiteren Förderung der Europäischen Hochschulen durch die Europäische Kommission speziell die deutsche Hochschulen. Besonders ertragreich waren vor allem zwei digitale Runde Tische, die der DAAD 2021 und 2023 organisierte – mit Vertreterinnen und Vertretern aus den deutschen Hochschulen innerhalb der EUN, aus Politik auf Bundes- und Länderebene sowie aus der Kultusministerkonferenz (KMK). Die erste Runde diente dazu, im gemeinsamen Austausch die Fakten zu den regulatorischen Rahmenbedingungen im nationalen Kontext zusammenzutragen, die von den Hochschulen als „Stolpersteine“ in der transnationalen Zusammenarbeit wahrgenommen wurden. „Es wurde schnell deutlich, wie wichtig der regelmäßige Austausch und die Unterstützung durch die politischen Instanzen für die Hochschulen bei der Weiterentwicklung ihrer Hochschulnetzwerke ist“, betont Birgit Siebe-Herbig.

Von der Problembeschreibung zu Lösungsansätzen

Am zweiten digitalen Runden Tisch beteiligten sich viele Vertreterinnen und Vertreter aus 15 der 16 Bundesländer, unter ihnen Dr. Stephan Venzke, Referatsleiter für Universitäten, künstlerische Hochschulen und Gleichstellung im Niedersächsischen Ministerium für Wissenschaft und Kultur sowie Vertreter der KMK in der ad hoc-AG der EU-Kommission zu den Europäischen Hochschulen. „Dass sich der DAAD dieser Koordinations- und Vermittlungsaufgabe angenommen hat, ist ein sehr guter Beitrag zum gegenseitigen Verständnis der Notwendigkeiten“, bekräftigt Venzke. „Das Format ist sehr hilfreich, um gegenseitiges Verständnis zu erzeugen und Vertrauen in einen konstruktiven Dialog zu gewinnen.“ So konnte der Austausch über Best-Practice-Beispiele verdeutlichen, dass manche administrative Hürden bei näherer gemeinsamer Betrachtung gar keine sein müssen. Von Bundesland zu Bundesland ließen sich rechtliche Lösungen zwar nicht immer eins zu eins übertragen, so Venzke, wohl aber könne man in gemeinsamen Arbeitsgruppen Spielräume ausmachen. „Je mehr die Hochschulen in den Austausch mit uns kommen, desto besser lassen sich gemeinsam Lösungen finden!“ Er plädierte im Rahmen des Runden Tischs und mit Blick auf die weitere Entwicklung dafür, die Stärken des Föderalismus zu nutzen und arbeitsteilig vorzugehen: Jedes Thema solle von einem Bundesland prioritär bearbeitet werden, und die Lösungsmuster könnten dann in den Ländern jeweils landesspezifisch umgesetzt werden.

Lernprozesse für die gesamte deutsche Hochschullandschaft

Der vom DAAD über das nationale Begleitprogramm organisierte Politikdialog für die EUN verdeutlicht die Vorbildfunktion der beteiligten Hochschulen. Die Herausforderungen, die während des Runden Tischs bearbeitet werden, treiben auch die restliche Hochschullandschaft in Deutschland um – ob es nun um europäische oder internationale Kooperation geht. Wenn sich im kontinuierlichen Austausch von Hochschulen und Politik in nationalem Kontext komfortable Regelwerke mit Blick auf internationale Hochschulkooperation finden, hat das positive Auswirkungen auf die Attraktivität des Wissenschaftsstandorts Deutschland. In seinem Grußwort zum zweiten digitalen Runden Tisch am 14. Juni 2023 betonte Peter Greisler, der Leiter der Unterabteilung Hochschulen im BMBF, dass die „Europäischen Hochschulen“ eine Vorreiterrolle für das Erproben neuer Modelle in den Bereichen Lehre, Forschung, Innovation und Transfer hätten und damit nicht zuletzt eine steigende Wettbewerbsfähigkeit im globalen Wettbewerb einhergehe. Es lohnt sich, die deutschen Hochschulen innerhalb der EU-Initiative „Europäische Hochschulen“ bestmöglich zu unterstützen – unter anderem mit einem wirksamen Politikdialog.

Bettina Mittelstraß (5. September 2023)

 

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