Welcome - Engagement und Ehrenamt

Eine Gruppe von Menschen steht sich in zwei Reihen gegenüber. Sie sind mitten in einer Interaktion und lachen

Das Welcome-Programm zielt mit seiner Unterstützung von studentischen Initiativen darauf ab, studierfähige Flüchtlinge schnell auf ein Studium in Deutschland vorzubereiten und sie in den Hochschulort und die Hochschule zu integrieren. Die nachfolgenden Berichte zeigen, dass eine gelungene Integration viele Helfer hat.

Den Entschluss, eine Studierendeninitiative für Flüchtlinge anbieten zu wollen, fasste Marcus Willand von der Universität Stuttgart in Indien. „Ich war dort, als im Sommer 2015 täglich mehrere tausend Flüchtlinge in Deutschland Schutz suchten – und habe das aus der Ferne beobachtet“, erzählt der wissenschaftliche Mitarbeiter am Institut für Neuere Deutsche Literatur. Kaum zurück in Deutschland, gründete er ein Sprachpatenprojekt als integratives Lernkonzept, in dem Studierende der Universität Geflüchtete mit akademischem Hintergrund beim Deutschlernen unterstützen und einen Raum für interkulturellen Austausch schaffen.

Zum ersten Info-Treffen im Herbst 2015 kamen mehr als hundert Interessierte – eigentlich zu viele für die gut 20 Sprachpaten, die Willand auf die Schnelle aus der Studierendenschaft hatte zusammentrommeln und vom Sprachenzentrum schulen lassen können. Mindestens 90 Minuten in der Woche beschäftigen sich diese Studierenden seither mit „ihren“ Kleingruppen, die Organisation übernahmen Willand und seine Kollegen Yvonne Zimmermann und Fabian Dirscherl. 200 bis 250 Stunden habe allein er in einem Semester nebenher für das Projekt aufgewandt, sagt Willand, er organisierte, schrieb E-Mails und entwarf Flyer. „Die Geflüchteten haben ein unglaublich großes Bedürfnis danach, mit Studierenden in Kontakt zu kommen“, sagt der promovierte Literaturwissenschaftler. „Vom zweiten Tag ihrer Ankunft an sitzen sie hier viele Stunden täglich in den Bibliotheken und lernen, um möglichst schnell Anschluss zu finden.“

Zusätzliche Kapazitäten

Seit April 2016 erhält das Projekt Unterstützung: Im Rahmen des DAAD-Programms „Welcome – Studierende engagieren sich für Flüchtlinge“ darf die Universität eine Hilfskraft mit acht bis zehn Stunden in der Woche für das Sprachpatenprojekt beschäftigen. Finanziert wird das Programm aus Mitteln des Bundesministeriums für Bildung und Forschung. Die Förderung betrifft sowohl Hilfskräfte in selbstorganisierten Studierendeninitiativen als auch solche, die im Rahmen von Integrationsprogrammen der Hochschulen mitarbeiten. Sie können Tutorien anbieten oder Mentoring, Infomaterialien erstellen oder mit Übersetzungen und Sprachkursen helfen; auch Sachmittel sind förderungsfähig. „Mit diesem Programm soll das großartige ehrenamtliche Engagement, das an den meisten Hochschulorten zu sehen ist, nachhaltig unterstützt werden“, sagt DAAD-Präsidentin Professor Margret Wintermantel.

Insgesamt sechs solcher Hilfskraftstellen hat die Universität Stuttgart erhalten: für das Projekt „Gespräche über Demokratie“, für die Dokumentation eines Bauprojekts, in dem Studierende und Mitarbeiter der Fakultät für Architektur und Stadtplanung einen Begegnungsraum entworfen haben, und für den „Freundeskreis Flüchtlinge“ des internationalen Mentoringprogramms. Er erleichtert Geflüchteten mit Infoveranstaltungen, Ausflügen, Sport und Diskussionen den Übergang an die Universität. „Wir sind glücklich über die Förderung“, sagt Nina Jürgens von der Universität Stuttgart, bei der alle Fäden zum „Welcome Campus“ zusammenlaufen. „Das bringt neuen Schwung in unsere Projekte – denn man will ja immer viel machen, aber meistens hat man nicht genügend Kapazität.“

Facettenreiche Projekte

85 Fachhochschulen, 69 Universitäten, sechs Kunst- und Musikhochschulen und zwei Pädagogische Hochschulen haben sich mit vielfältigen Projekten für das Welcome-Programm beworben, erzählt Katharina Fourier, Leiterin des Referats „Hochschulprogramme für Flüchtlinge“ im DAAD. „Alle Bundesländer sind beteiligt, alle großen Universitäten und viele Fachhochschulen sind dabei – das ergibt ein sehr vielfältiges Spektrum an Angeboten, worüber wir uns sehr freuen.“ Während sich einige Institutionen mit sehr konkreten Projekten beworben hätten und schon mit der Umsetzung begonnen hätten, seien einzelne Projekte gerade erst im Entstehen. „Es ist beeindruckend, wie intensiv sich die Institutionen damit befassen, einen Beitrag in der Flüchtlingsfrage zu leisten“, sagt Fourier. Das große Interesse an dem Welcome-Programm zeige, wie groß der Bedarf ist.

Die jetzt geförderte Auswahl an Projekten ist enorm facettenreich. Die Hochschule Bremerhaven bietet beispielsweise ein studentisches Buddy- und Tandemprogramm an, dazu Campusführungen, Exkursionen und ein Studierendencafé. An der TU Darmstadt führt das TeamTUtor International“, das seit vielen Jahren ausländische Studierende betreut, studieninteressierte Flüchtlinge über den Campus und in die Universitäts- und Landesbibliothek. Viele Tutoren sprechen die jeweiligen Muttersprachen und können damit viel einfacher Studiengänge und Fachbereiche erklären. Jura-Studierende der Universität zu Köln bieten in der „Refugee Law Clinic Cologne“ eine kostenfreie Rechtsberatung für Geflüchtete an den Unis an und begleiten die Betroffenen bei Behördengängen. Zudem bietet die Universität Sprachkurse an, die zugeschnitten sind auf die Bedürfnisse von studierfähigen Flüchtlingen. Das Orientalische Seminar der Universität unterstützt bei Übersetzungen und interkulturellen Schulungen.

Orientierung an den Universitäten

Die Humboldt-Universität zu Berlin war eine der ersten Universitäten in Berlin, die im Wintersemester 2015/2016 eine gebührenfreie Gasthörerschaft für Flüchtlinge anbot – mehr als hundert Interessierte nutzten dies. Darüber evaluierte die Universität, welche Fakultäten besonders gefragt sind und vernetzte dort aktive studentische Projekte, von denen der DAAD fünf mit insgesamt zwölf Hilfskraftstellen fördert: Die Wirtschaftswissenschaftliche Fakultät bietet Tutorien und ein Mentoring-Programm an, die Lebenswissenschaftliche Fakultät stellt den Geflüchteten sogenannte „Buddys“ zur Seite. „Wir haben festgestellt, dass es für die Geflüchteten neben der Sprache die größte Herausforderung ist, sich an den Unis zurechtzufinden, das deutsche Universitätssystem zu durchschauen und die richtigen Ansprechpartner zu finden“, sagt Inse Böhmig, Referentin in der Stabsstelle Internationalisierung der Universität. Dabei will die Universität sie unterstützen.

80 Studierende und Mitarbeiter des Geographischen Instituts bieten in unmittelbarer Nähe zu drei Flüchtlingsunterkünften „Räume der Begegnung“ an und beraten studierfähige Geflüchtete in Farsi und Arabisch. Die Refugee Law Clinic der Uni, die bislang in den Unterkünften zur Flüchtlings- und Asylthematik berät, hat durch die DAAD-Förderung nun direkt an der Universität eine Sprechstunde zu Fragen des Ausländer- und Asylrechts eingerichtet.

Atmosphäre und Toleranz

Die Hochschule für Technik und Wirtschaft Berlin (HTW) zielt mit ihren Projekten besonders darauf ab, Studieninteressierten die Atmosphäre an der Hochschule zu vermitteln. Neben Beratung, Information, Sprache und Kompetenzerwerb ist daher für die Hochschule das „Mitlaufen“-Projekt wichtig. Ursprünglich für studieninteressierte Schüler aus Nichtakademikerfamilien gedacht, soll das Projekt studierfähigen Geflüchteten die Möglichkeit geben, in den Hochschulalltag hinein zu schnuppern – von Vorlesungen über den Mensabesuch in die Bibliothek und zum Hochschulsport. Angela Weißköppel, wissenschaftliche Mitarbeiterin an der HTW, betont: „  Die Hochschule hat eine gesellschaftliche Verantwortung im Integrationsprozess und im Vermitteln einer Kultur der Toleranz; die Studierenden sind Multiplikatorinnen und Multiplikatoren.“

 Autorin: Sarah Kanning