Auslandsmobilität: Zielquoten und Formen
Mit der Verabschiedung der europäischen Zielquote zu studienbezogener Auslandsmobilität von Hochschulgraduierten in der Europäischen Union und im Europäischen Hochschulraum hat die Erfassung entsprechender Mobilitätsdaten deutlich an Relevanz gewonnen.
Europäische und deutsche Mobilitätsziele
Für die europäische 20%-Zielquote soll die Mobilität von Hochschulgraduierten mit europäischer Herkunft, d.h. mit europäischer Hochschulzugangsberechtigung erfasst werden, die zum Erwerb eines Studienabschlusses (sog. Degree Mobility) oder zum Erwerb von Leistungspunkten (sog. Credit Mobility) einen Auslandsaufenthalt absolviert haben. Als Credit Mobility gelten dabei nur für den Studiengang anerkannte Auslandsaufenthalte, die mindestens drei Monate Aufenthaltsdauer umfassen oder dem Erwerb von 15 ECTS-Punkten entsprechen, die von der Heimatinstitution anerkannt wurden.
Zur Berechnung der europäischen Mobilitätsquote müssen die einzelnen Mitgliedsstaaten dem Statistischen Amt der Europäischen Union EUROSTAT verbindlich Daten zuliefern. Zum 31. November 2017 sind erstmals Daten zur Credit Mobility zu übermitteln. Für die Datenlieferungen greift das Statistische Bundesamt auf die Hochschulstatistik zurück, die auf den Verwaltungsdaten der Hochschulen basiert. Um die erweiterten Datenverpflichtungen gegenüber EUROSTAT erfüllen zu können, müssen auf der Grundlage des novellierten Hochschulstatistikgesetzes die erforderlichen Daten zur Credit Mobility zukünftig von den Hochschulen erfasst und gemeldet werden.
Darüber hinaus sind die europäischen Mitgliedsstaaten von den europäischen Bildungsministern und Bildungsministerinnen im Bukarester Kommuniqué 2012 dazu aufgerufen, eigene Internationalisierungs- und Mobilitätsstrategien zu entwickeln und umzusetzen. Deutschland hat 2013 im Rahmen der Gemeinsamen Wissenschaftskonferenz von Bund und Ländern (GWK) eine eigene Internationalisierungsstrategie für das deutsche Hochschulsystem verabschiedet. Darin sind auch Mobilitätsziele in Bezug auf die Hochschulgraduierten in Deutschland enthalten. Die für das Jahr 2020 festgelegten deutschen Zielquoten der GWK orientieren sich inhaltlich an der europaweiten Zielvorgabe. Diese fallen aber aufgrund der im europäischen Vergleich bereits hohen Mobilität deutscher Hochschulgraduierter sowie der Bedeutung, die dem Thema von der deutschen Hochschulpolitik beigemessen wird, ambitionierter aus. Demnach soll jede(r) zweite Hochschulabsolvent(in) im Laufe des Studiums studienbezogene Auslandserfahrung gesammelt haben und jede(r) dritte Hochschulabsolvent(in) soll einen studienbezogenen Auslandsaufenthalt von mindestens drei Monaten und/oder 15 ECTS nachweisen können.
Die deutschen Mobilitätsziele finden sich analog auch im aktuellen Koalitionsvertrag der Bundesregierung, im Aktionsplan „Internationale Kooperation“ des Bundesministeriums für Bildung und Forschung und in der „Strategie 2020“ des DAAD.
Formen der Auslandsmobilität von Studierenden
Credit Mobility, Degree Mobility und Bridge Mobility
Auf internationaler Ebene werden in Bezug auf die Auslandsmobilität von Studierenden im Allgemeinen die beiden Mobilitätsformen Degree Mobility (Mobilität zum Erwerb eines Studienabschlusses, d.h. abschlussbezogene Mobilität) und Credit Mobility (Mobilität zum Erwerb von Leistungspunkten, d.h. temporäre studienbezogene Auslandsaufenthalte) unterschieden. Dabei wird in Bezug auf das europäische Mobilitätsziel hinsichtlich der Credit Mobility eine sehr strenge Definition verwendet. Nur Auslandsaufenthalte, die zum Erwerb von Leistungspunkten absolviert wurden und auch für den Studiengang anerkannt wurden, sind zu berücksichtigen, sofern diese mindestens drei Monate Aufenthaltsdauer umfassen oder dem Erwerb von 15 ECTS-Punkten entsprechen, die von der Heimatinstitution anerkannt wurden.
In Anlehnung daran wird vom DAAD zwischen den beiden Mobilitätsarten abschlussbezogene Auslandsmobilität und temporäre studienbezogene Auslandsaufenthalte unterschieden. Letztere umfasst dabei jedoch auch Auslandsaufenthalte mit Bezug zum Studium, für die nicht zwingend ECTS-Punkte vergeben oder anerkannt wurden (weitere Definition von Auslandsmobilität).
Hinzu kommt – seit der Umstellung auf Bachelor- und Masterstudiengänge – eine neue Form temporärer Auslandsmobilität, die sog. Bridge Mobility bzw. Brückenmobilität zwischen Bachelor- und Masterstudium.
Temporäre Auslandsmobilität von Studierenden über die Hochschulstatistik hinaus
Für die Hochschulstatistik wird zur Erfüllung der Datenzulieferung an das Statistische Amt der Europäischen Union eine enge Konzeption von temporären studienbezogenen Auslandsaufenthalten verwendet. Es sind demnach nur die Auslandsaufenthalte der Hochschulgraduierten zu berichten, die vom zuständigen Prüfungsamt für den Studiengang anerkannt wurden.
Für die Steuerung der Hochschule in Bezug auf Internationalisierungsmaßnahmen und hochschulinterne Zielvereinbarungen ist jedoch die Gesamtheit aller absolvierten temporären Auslandsaufenthalte, die im Zusammenhang mit dem Studium stehen, von Interesse. Hierbei wird keine Eingrenzung auf anerkannte temporäre Auslandsaufenthalte vorgenommen, sondern auch nicht anerkannte temporäre Auslandsaufenthalte herangezogen. Auch für das 50%-Mobilitätsziel in Deutschland sind temporäre Auslandsaufenthalte mit Bezug zum Studium ohne Beschränkung auf anerkannte Auslandsaufenthalte zu berücksichtigen. Es liegt daher im Interesse der deutschen Hochschulen und der deutschen Hochschulpolitik auch nicht anerkannte temporäre Auslandsaufenthalte zu erfassen.
Empirische Befunde zur Anerkennung von im Ausland erbrachten Leistungen
Die Anerkennung von im Ausland erbrachten Studienleistungen und eine transparente Notenumrechnung sind seit dem Beginn des Bologna-Prozesses relevante Themen, da sie Grundlage für Mobilität und Austausch im Europäischen Hochschulraum sind. Während die Studierenden grundsätzlich ein Anrecht und Eigeninteresse haben, sich die im Ausland erbrachten Leistungen anerkennen zu lassen, sollen noch bestehende Hürden bei der Anerkennung weiter abgebaut und Informationen zu Anerkennungsmöglichkeiten bereitgestellt werden. Beispielsweise haben einzelne Hochschulen vermehrt Mobilitätsfenster in ihren Studiengängen verankert, um die Einbettung eines Auslandaufenthalts in den Studienverlauf und die darauffolgende Anerkennung von Leistungen aus dem Ausland zu erleichtern. Dies hat die Zahl an Anerkennungen von Leistungen aus dem Ausland an den Hochschulen bereits deutlich gesteigert und damit auch die in der Prüfungsverwaltung erfassten Auslandsaufenthalte erhöht. In der Prüfungsverwaltung werden grundsätzlich nur die Auslandsaufenthalte erfasst, die für den Studiengang anerkannt wurden.
Studienbezogene Auslandsaufenthalte, die vom zuständigen Prüfungsamt für den Studiengang anerkannt wurden, stellen jedoch grundsätzlich nur einen Teil der gesamten temporären Auslandsaufenthalte von Hochschulstudierenden dar. Denn nicht alle temporären Auslandsaufenthalte, die von den Studierenden während des Studiums in Zusammenhang mit ihrem Studium absolviert wurden, werden auch als Leistung aus dem Ausland für den Studiengang anerkannt. So stellen die auslandsmobilen Studierenden in manchen Fällen keinen Antrag auf Anerkennung ihres Auslandaufenthalts oder der Antrag wird vom zuständigen Prüfungsamt abgelehnt. Beides führt dazu, dass für den temporären Auslandsaufenthalt keine Leistung aus dem Ausland anerkannt wird und dieser demnach auch nicht für die Hochschulstatistik berichtet wird.
Dabei zeigen sich nach den Ergebnissen der DAAD/DZHW-Mobilitätsstudie 2015 bei der Anerkennung von im Ausland erbrachten Studienleistungen deutliche Unterschiede je nach Art der Hochschule.
Eine vollständige Anrechnung erworbener Studienleistungen findet häufiger an Fachhochschulen statt (72 % aller Aufenthalte mit Erwerb von ECTS-Punkten) als bei Aufenthalten von Universitätsstudierenden (49 %). An Universitäten ist vergleichsweise oft zu beobachten, dass trotz erworbener Studienleistungen kein Antrag auf Anerkennung gestellt wird. Während fast bei jedem zehnten Auslandsaufenthalt von Universitätsstudierenden (9 %), bei dem Studienleistungen im Ausland erworben wurden, auf eine Antragsstellung auf Anerkennung verzichtet wird, kommt dies an Fachhochschulen deutlich seltener vor (2 %).
Blickt man darüber hinaus auf alle temporären studienbezogenen Auslandsaufenthalte (mit und ohne Anerkennung an der Heimathochschule) unterscheidet sich der Umfang, in dem Studierende überhaupt ECTS-Punkte im Ausland erwerben, stark nach der Aufenthaltsart. 60% der Studierenden schließen ihr Auslandspraktikum ohne Erwerb von ECTS-Punkten ab. Auch bei Exkursionen/Studienreisen, Summer Schools oder Projektarbeiten im Ausland gibt jeweils mehr als die Hälfte der Studierenden an, keine ECTS-Punkte erworben zu haben (zwischen 53 % bei Summer Schools und 62 % bei Projektarbeiten).