Leibniz-Preis: DAAD-Alumna Professorin Ulrike Herzschuh im Porträt

Unterwegs, um Ökosysteme tiefgehend zu verstehen: Prof. Dr. Ulrike Herzschuh, hier auf Forschungsfahrt in Alaska

Auch vier DAAD-Alumnae und -Alumni werden in diesem Jahr mit dem Gottfried Wilhelm Leibniz-Preis der DFG ausgezeichnet, unter ihnen Professorin Ulrike Herzschuh. Die Geo-Ökologin erhält den wichtigsten Forschungsförderpreis Deutschlands für ihre herausragenden Beiträge zur Rekonstruktion von Ökosystemen in Polar- und Bergregionen. 

Die höchste Hochebene der Welt ist das Hochland von Tibet – eine Landschaft, die Professorin Ulrike Herzschuh seit Jahrzehnten immer wieder für ihre Forschungen bereist. „In den Geowissenschaften ist die Feldforschung wichtige Motivation und Ideengeber“, sagt die Geo-Ökologin, die seit 2012 am Standort Potsdam des Alfred-Wegener-Instituts (AWI), Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung, die Abteilung für Polare Terrestrische Umweltsysteme leitet. „Man braucht die Vorstellung von Vegetation in der Landschaft. Man muss hinfahren, um immer wieder Hypothesenbildung und reale Welt in Einklang zu bringen.“ 

Alte DNA und heutiger Klimawandel 

Was Ulrike Herzschuh unter anderem auf dem Tibetischen Hochplateau interessiert, ist die Rekonstruktion von Ökosystemen. Welchen Einfluss hatten Klimaschwankungen auf Bergregionen und Polargebiete und die dortige Biodiversität? Wie hat der Wandel des Klimas in der Vergangenheit Landschaften verändert und insbesondere die Besiedlung durch Pflanzen beeinflusst? Um vergangene Ökosysteme zu rekonstruieren, sucht Ulrike Herzschuh zum Beispiel nach Pollen und alter DNA in den Sedimenten von Seen. Von ihren Feldforschungen bringt sie Bohrkerne mit und wertet sie mit der von ihr in Potsdam etablierten Arbeitsgruppe aus. Diese Forschung erlaubt auch Rückschlüsse darauf, welche Landschafts- und Biodiversitätsveränderungen der heutige Klimawandel voraussichtlich bringen wird.  

Eine China-Reise als Initialzündung  

„Die Auszeichnung mit dem Leibniz-Preis hat viel mit meinen langjährigen Forschungsaktivitäten in Tibet und China zu tun, die mein Team und ich dann auch auf andere Gebiete der nördlichen Hemisphäre ausgeweitet haben“, erzählt Ulrike Herzschuh. Am Anfang ihrer Forschungsarbeit in Asien stand ein DAAD-Stipendium, mit dem sie in den Jahren 1999 und 2000 zum ersten Mal nach China kam.  

„Ich studierte Biologie an der Freien Universität Berlin, konzentrierte mich auf Paläoklimaforschung und suchte nach einem Promotionsthema, das mich entweder in alpine oder arktische Gebiete führen sollte“, erinnert sich Herzschuh. Sie wurde damals auf ein DAAD-Stipendium aufmerksam gemacht, das es ihr ermöglichte, noch vor ihrer Promotion nach China zu gehen, um die Sprache zu lernen und Kontakte in die chinesische Wissenschaft zu knüpfen. Ein Jahr verbrachte sie in Lanzhou am Rande des Tibet-Plateaus und der Alashan-Wüste und lernte Mandarin. „Der Aufenthalt in China war eine Initialzündung“, sagt die Wissenschaftlerin heute. „Ich fand nicht nur mein Promotionsthema: Diese allerersten Kontakte sind auch das Fundament meiner heutigen Forschungskooperationen mit dem Pekinger Institut für Tibet-Plateau-Forschung.“ 

Persönliche Kontakte, tiefes Vertrauen  

Professor Fahu Chen, der die DAAD-Stipendiatin damals betreute, leitet heute das Institut in der Chinesischen Akademie der Wissenschaften. Einige seiner Studierenden promovierten bei Herzschuh und haben den jahrelangen Austausch in der Wissenschaft gefestigt. „Auf der Grundlage dieser ersten persönlichen Kontakte haben wir eine tiefe Vertrauensbasis für heutige und zukünftige Forschungskooperationen aufgebaut“, sagt die Leibniz-Preisträgerin und betont: „Das ist für die Klimaforschung ganz entscheidend, denn wir sind auf die wissenschaftlichen Ergebnisse aus China – wie auch aus Russland – für alle Klimaprognose-Modelle angewiesen.“ 

Mit dem Leibniz-Preis will Ulrike Herzschuh ein Labor und eine weitere international zusammengesetzte Forschungsgruppe in der Paleoproteomik aufbauen, der Erforschung von alten Proteinen. „Das in den Sedimenten abgelagerte Material an Organismen enthält auch Umweltproteine, die nicht nur darüber Aufschluss geben, welche Organismen da waren, sondern auch, wie sie funktioniert haben und welche Enzyme besonders aktiv waren.“ Die somit gewonnenen Daten möchte Ulrike Herzschuh langfristig mit der Simulation von Erdsystem-Modellen verknüpfen. „In dieser Verknüpfung liegt meines Erachtens Potenzial für Klimavorhersagen, zu denen wir einen weiteren entscheidenden Beitrag leisten könnten.“ 

Bettina Mittelstraß (13. März 2024) 

 

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