Leibniz-Preis: DAAD-Alumnus Professor Eike Kiltz im Porträt

Mit einem Blick für ungewöhnliche Talente: Prof. Eike Kiltz

Der mit 2,5 Millionen Euro dotierte Gottfried Wilhelm Leibniz-Preis geht 2024 auch an vier DAAD-Alumni und -Alumnae – unter ihnen Professor Eike Kiltz von der Ruhr-Universität Bochum. Der Mathematiker und Kryptologe erhält den Leibniz-Preis für grundlegende und wegweisende Forschungen auf dem Gebiet der praxisorientierten modernen Kryptographie. Dank seiner Pionierarbeiten befindet sich an der Ruhr-Universität heute einer von Europas größten Forschungsbereichen für IT-Sicherheit.

Eine internationale Begegnung brachte Eike Kiltz auf die Fährte der Verschlüsselung von Informationen. Er hatte an der Ruhr-Universität Bochum Reine Mathematik studiert und widmete sich dann in seiner Doktorarbeit einem Themenbereich der theoretischen Informatik, der Komplexitätstheorie. Er war auf der Suche nach der Relevanz seiner Forschung in der Praxis. Da bot sich vor Ort die Gelegenheit, beim niederländischen Professor Ronald Cramer einen einwöchigen Workshop zu einem speziellen Thema der Kryptographie zu besuchen. „Cramer war ein enthusiastischer Mensch, und das Thema hat mich sofort fasziniert“, erzählt Eike Kiltz. „Ich sah den praktischen Anwendungsbereich für theoretische Mathematik beziehungsweise Komplexitätstheorie, und in dieser intensiven Woche hat mich die Kryptographie gepackt.“

Die Begegnung mit dem Kryptographen hatte Folgen. Der Niederländer lehrte und forschte damals an der Universität Århus in Dänemark, wohin den jungen Mathematiker Kiltz dann auch ein Auslandsaufenthalt im Rahmen seiner Promotion führte. In Århus fand er den Ausgangspunkt zu privatem wie beruflichem Glück: Er traf eine Erasmus-Studentin aus Barcelona – seine heutige Partnerin– und auf das richtige Netzwerk aus Pionieren auf dem Gebiet der Kryptographie. Mit der Unterstützung von Cramer bewarb er sich für ein DAAD-Stipendium als Postdoktorand bei dem herausragenden Kryptographen Professor Mihir Bellare an der University of California in San Diego. „Fachlich war ich ein Außenseiter, denn mein Promotionsthema hatte damals nichts zu tun mit den Forschungen, für die ich heute bekannt und ausgezeichnet worden bin“, erinnert sich der Leibniz-Preisträger. Doch Kiltz’ Bewerbung um das DAAD-Stipendium war erfolgreich. „Es hat mir sehr geholfen, dass Menschen, allen voran Ronald Cramer und mein Doktorvater Hans Ulrich Simon, an mich geglaubt und das Potenzial meiner Forschungsarbeit gesehen haben.“

Von San Diego nach Amsterdam

Die Wahl seines wissenschaftlichen Lebensthemas Kryptographie sei auch durch Zufälle bestimmt, sagt Eike Kiltz. Für ihn waren es persönliche Begegnungen im internationalen Kontext. Im Team von Mihir Bellare in San Diego stellte sich 2004 für ihn endgültig die Weiche zur Kryptographie. Nach dem DAAD-Stipendium ging er 2005 als Postdoktorand für fünf Jahre in die Arbeitsgruppe seines Mentors Ronald Cramer am Centrum voor Wiskunde en Informatica in Amsterdam – eine Zeit sehr erfolgreicher Grundlagenforschung und Auszeichnungen wie dem Best Paper Award der renommierten Konferenz IACR EUROCRYPT, den er bis heute viermal erhalten hat. 

In Amsterdam begann Kiltz über die Kryptographie der Zukunft nachzudenken. „Schon damals war der Wissenschaft klar, dass zukünftige Quantencomputer die noch heute benutzten Verschlüsselungssysteme relativ leicht aushebeln könnten.“ Ein Problem mit Tragweite. „Wir brauchen eine neue Generation Verschlüsselungsverfahren, an denen sich auch Quantencomputer die Zähne ausbeißen.“ Für das passende Forschungsumfeld kehrte Eike Kiltz 2010 nach Bochum zurück – nun als Professor, gefördert mit dem Sofja Kovalevskaja Award der Alexander von Humboldt-Stiftung. 

Sicherheit und Verschlüsselung

Der Clou seiner Forschungserfolge hat auch mit Kiltz’ akademischen Anfängen zu tun. „Es geht um ein fundamental anderes Verfahren auf der Grundlage mathematischer Gitter“, so der Wissenschaftler. Seine Grundlagenforschung trug dazu bei, dass 2022 vom National Institute of Standards and Technology (NIST) ein Verschlüsselungsverfahren standardisiert wurde, das in den nächsten Jahren in allen Smartphones und Computern enthalten sein und das Versenden von Informationen auch in Zukunft sicher verschlüsseln wird. „Co-made in Bochum haben wir das mit einem internationalen Team vorangetrieben“, sagt Kiltz.

Wir – das ist das internationale Team aus Kryptographie-Pionieren, das der Leibniz-Preisträger an der Ruhr-Universität Bochum in knapp 15 Jahren aufgebaut hat. Er entwickelte das Horst-Görtz-Institut für IT-Sicherheit weiter und trieb die Forschung zu sicherer und praxisorientierter Verschlüsselungstechnik wegweisend voran. 2013 wurde er vom Europäischen Forschungsrat (ERC) mit einem ERC Consolidator Grant ausgezeichnet; 2022 folgte ein ERC Advanced Grant. Seit 2019 fördert die Deutsche Forschungsgemeinschaft an der Ruhr-Universität Bochum zudem das Exzellenzcluster CASA (Cyber Security in the Age of Large-Scale Adversaries), dessen Co-Sprecher Kiltz ist. Er sagt: „Wir arbeiten interdisziplinär und holistisch, und dank des Leibniz-Preises kann ich auf diesem dynamischen Forschungsgebiet auch ungewöhnliche Talente dabei unterstützen, sich zu vernetzen und zu entfalten und die eigenen Wege zu finden.“

Bettina Mittelstraß (4. März 2024)

 

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