Spitzenkräfte für Sporttourismus

In Südägypten gibt es bereits einige Versuche, Tourismus mit Sport, Nachhaltigkeit und Sozialverträglichkeit zu verbinden.

Die Helwan-Universität in Kairo und die private International School of Management in Berlin haben einen gemeinsamen Masterstudiengang mit Doppelabschluss entwickelt, um die Fachkräftelücke im Bereich des Sporttourismus zu schließen. Der Studiengang ist Ergebnis einer Projektförderung des DAAD-Programms Hochschuldialog mit der islamischen Welt.

Einer der wichtigsten Wirtschaftszweige Ägyptens ist der Tourismus. Seit einigen Jahren nimmt in dem traditionell von Kultur- und Strandtourismus geprägten Land die Nachfrage nach Angeboten deutlich zu, die Urlaub und Sport kombinieren – von Tauchen über Trekking bis Mountainbiken und Klettern. „Sporttourismus schafft neue Arbeitsplätze und ist deshalb für das Land sehr wichtig“, sagt Professorin Sarah El Beih, Sportwissenschaftlerin an der Helwan-Universität in Kairo. Ein Mangel an Hochschulabsolventinnen und -absolventen mit entsprechender Expertise bremse jedoch das Wachstum der Sparte.

Auch in Deutschland liegt Aktivurlaub im Trend – und auch hier gibt es nicht genügend Personal. Die Helwan-Universität und die private International School of Management (ISM) in Berlin haben deshalb in ihrem Projekt „Nachhaltiger Sporttourismus in Forschung und Lehre“ (NaSpoTo) den gemeinsamen Masterstudiengang „Strategic Sports Management“ mit Doppelabschluss entwickelt. Er soll dazu beitragen, die Fachkräftelücke zu schließen. Zum Curriculum gehören unter anderem Sporttourismus, Nachhaltigkeit im Sport und Entrepreneurship. Während der Studiengang an der ISM zum Wintersemester 2023/2024 eingeführt worden ist, befindet er sich in Kairo noch im Genehmigungsverfahren. „Wir hoffen, dass es im Herbst 2024 losgeht“, sagt Sarah El Beih.

Das Projekt, das im Rahmen des DAAD-Programms Hochschuldialog mit der islamischen Welt gefördert worden ist, wurde erst vor Kurzem abgeschlossen. Von 2021 bis 2023 fanden drei internationale Sporttourismuskonferenzen mit anschließenden Summer Schools in Kairo und am Roten Meer sowie eine Winter School in Berlin statt. Bei der Summer School im Oktober 2023 stand die Frage im Mittelpunkt, wie große Sportveranstaltungen nachhaltiger werden können. „Es gab sehr spannende, auch kontroverse Diskussionen“, sagt Sportmanagement-Student Samuel Müller, der auf der Summer School einen Vortrag über „Sportswashing“ hielt. Darunter versteht man eine Strategie, mit der Staaten als Gastgeber und Unternehmen als Sponsoren großer Sportveranstaltungen ihr Image aufzupolieren versuchen. „Sporttourismus ist eine Zukunftsbranche, für die ich mich sehr interessiere; dazu kam die Chance, eine einzigartige Kultur kennenzulernen – da musste ich nicht zweimal überlegen, ob ich mich für die Teilnahme an der Summer School bewerbe“, sagt Müller.

Besonders begeistert war er von den gemeinsamen Aktivitäten, unter anderem einer Nilfahrt und dem Besuch des größten Basars Ägyptens, Khan el-Khalili in Kairo. „Wir haben uns mit den ägyptischen Studierenden sehr gut verstanden. Durch den Kontakt zu einem Studenten, der Torwarttrainer für junge Talente in Kairo ist, konnte ich auch mehr über nachhaltige Jugendförderung im ägyptischen Fußball erfahren.“

Veranstaltung während der Summer School 2023 in Ägypten

Farha Hany, die in Kairo „Sportverletzungen und Rehabilitation“ studiert, sieht nachhaltigen Sporttourismus als einen Bereich, in dem sie ihre Sportleidenschaft ideal mit ihrem Interesse an Umweltfragen verbinden kann. Für die Masterstudentin war besonders wichtig, dass sie in den Workshops und Gruppenprojekten der Summer School 2023 theoretische Konzepte auf reale Szenarien anwenden konnte: „Das war eine Chance, praktische Erfahrungen zu sammeln, die ich später im Beruf nutzen kann.“

Praktische Aspekte des Sporttourismus hätten in allen Summer und Winter Schools eine große Rolle gespielt, sagt Alexander Hodeck, Professor für Sportmanagement an der ISM Berlin: „Es wurden sehr spannende Projekte von Gründerinnen und Gründern vorgestellt, von einem Start-up-Inkubator für den Sportbereich bis zu einem Veranstalter von Campingtouren in der Wüste.“

Teilnehmende der Summer School des Projekts im Oktober 2023 auf dem Nil in Kairo

Thematisch wurden neben ökonomischen und ökologischen auch die sozialen Aspekte von Nachhaltigkeit in den Blick genommen, beispielsweise die oft prekäre Situation von Hotelpersonal in Ägypten oder Sportangebote für Menschen mit Behinderungen in beiden Ländern. Auch Forschungsaufenthalte von Nachwuchswissenschaftlerinnen und -wissenschaftlern beider Seiten wurden im Rahmen des Projekts gefördert. Dr. Fatma Hussein, Expertin für Schwimmsport und Postdoktorandin an der Helwan-Universität, verbrachte darüber beispielsweise 2022 eine Woche an der ISM Berlin, wo sie mit Promovierenden über vergleichende Forschung rund um Sporttourismus in Ägypten und Deutschland diskutierte. „Das Projekt war eine großartige Gelegenheit, das Thema in einem internationalen Kontext zu behandeln“, erzählt sie.

Die Sporttourismuskonferenzen in Kairo, an denen jedes Jahr bis zu hundert Expertinnen und Experten teilnahmen, wollen Sarah El Beih und Alexander Hodeck möglichst auch 2024 wieder ausrichten. „Wir haben durch das Projekt ein großes internationales Netzwerk aufgebaut, von dem jetzt auch andere Fachbereiche an der ISM profitieren“, sagt Alexander Hodeck. Beide Partnerhochschulen hätten außerdem durch das Projekt ihre Sichtbarkeit deutlich erhöht – nicht nur regional, sondern auch international.

Miriam Hoffmeyer (18. April 2024)

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