Interkultureller Dialog als wichtigstes Ziel

Dozierende des Projekts „Ana wa-ant“

Diskutieren und Freundschaften schließen: Bei einer Winter School in Oman tauschten sich Teilnehmende aus Deutschland, Oman und Tunesien nicht nur fachlich aus, sondern lernten sich auch persönlich besser kennen. Warum dieser Austausch im Rahmen des DAAD-Programms Hochschuldialog mit der islamischen Welt so wichtig ist.

Was ist Hochkultur aus deutscher und arabischer Perspektive? In welchem Spannungsverhältnis steht sie zur Alltagskultur – und wie überschneiden sich kulturelle Identitäten? Über diese Fragen diskutierten Studierende und Lehrende aus Deutschland, Oman und Tunesien bei der Winter School „Grenzen und Grenzüberschreitungen in literarischen Ausdrucksformen“, die im Januar 2024 im Rahmen des DAAD-Programms Hochschuldialog mit der islamischen Welt in Oman stattfand. Das Themenspektrum umfasste neben literarischen Texten auch Theaterstücke, Filme und Musik aus den drei Ländern. 

„Ich bin neugierig auf andere Kulturen und neue Ideen und wollte unbedingt mit dabei sein“, sagt Banan Albahlawi, die an der Universität Nizwa (UoN) in Oman „Deutsch und Übersetzung“ studiert. „Die Kombination aus Vorträgen, Diskussionen, Kulturprogramm und Ausflügen war toll. Wir haben viel zusammen erlebt und Freundschaften geschlossen.“ Auch Ranim Nefzi, Studentin an der Universität Jendouba (UJ) in Tunesien, war von der zehntägigen Veranstaltung begeistert, bei der Studierende kein Englisch brauchten, um sich zu verständigen: „Ich habe mit den Deutschen Deutsch gesprochen und sie haben auf Arabisch geantwortet. Eine ungewöhnliche Art, sich zu unterhalten! Wir haben uns aber alle sprachlich verbessert.“ Ihre Dozentin Olfa Bejaoui stimmt zu: „Die direkte Begegnung und die Teilnahme an Workshops und Sprachtandems haben die tunesischen Studierenden motiviert und ihre Deutschkenntnisse sehr verbessert.“

Literatur als ein schöpferisches Instrument

Die Winter School fand im Rahmen des Projekts Ana wa-ant in performativen Weltzugängen der Georg-August-Universität Göttingen, der Ruhr-Universität Bochum (RUB), der UoN und der UJ statt. Im Mittelpunkt des Projekts, das seit 2022 durch das DAAD-Programm Hochschuldialog mit der islamischen Welt gefördert wird, steht der interkulturelle Dialog: Die arabischen Wörter „Ana wa-ant“ bedeuten „ich und du“. 

Die Teilnehmenden bei Besuch des Royal Opera House Muscat

„Wir verstehen Literatur als ein schöpferisches Instrument, mit dem sich Menschen Zugang zur Welt verschaffen und diese zugleich gestalten“, erläutert Projektleiterin Kata Moser, Professorin am Seminar Arabistik/Islamwissenschaft der Universität Göttingen. Dieser Ansatz biete Studierenden viele Möglichkeiten, miteinander zu diskutieren und sich auch kreativ einzubringen: „Sie profitieren dreifach von den Summer und Winter Schools – fachlich, kulturell und natürlich sprachlich. Für viele Studierende sind die Summer Schools die erste Gelegenheit, echte Gespräche auf Arabisch beziehungsweise auf Deutsch zu führen.“ Einige Studierende seien dadurch motiviert worden, ein ganzes Semester an einer der Partnerhochschulen zu verbringen. 

Für die deutsche Islamwissenschaft ist der Austausch mit der islamischen Welt entscheidend, um den Anschluss an aktuelle Debatten zu halten.“ Projektleiterin Prof. Kata Moser

Die erste internationale Summer School des Projekts fand 2022 in Deutschland unter dem Titel „Flucht, Migration und Exil“ statt; die zweite in Jendouba war Themen der Alltagskultur gewidmet. Die Zusammenarbeit umfasst auch hybride deutsch-arabische Lehrveranstaltungen sowie Forschungsaufenthalte von Nachwuchswissenschaftlerinnen und -wissenschaftlern an den Partnerhochschulen. „Für die deutsche Islamwissenschaft ist der Austausch mit der islamischen Welt entscheidend, um den Anschluss an aktuelle Debatten zu halten“, sagt Kata Moser.

Dr. Khaireddin Abdulhadi, der an der Universität Nizwa für die Kooperation verantwortlich ist, hat in der Zusammenarbeit mit Deutschland viel Erfahrung: Nach seiner Promotion an der Universität Erlangen als DAAD-Stipendiat lehrte Abdulhadi sechs Jahre lang an der Deutsch-Jordanischen Universität (GJU) in Amman, wo er die Abteilung für Übersetzung leitete. Der ehemalige DAAD-Fachlektor versteht sich als Brückenbauer zwischen Kulturen: „Um die Herausforderungen unserer Zeit anzugehen, ist es entscheidend, interkulturelle Missverständnisse zu vermeiden“, sagt er. „Unser Projekt bringt verschiedene Perspektiven und Erfahrungen zusammen, sodass deutsche Studierende arabische Denkweisen besser verstehen können und umgekehrt.“ So mache es der Austausch in der Summer oder Winter School den arabischen Studierenden beispielsweise auch leichter, die Position Deutschlands im Nahostkonflikt nachzuvollziehen.

Nicht nur die direkt beteiligten Fakultäten und Hochschulen haben von der Kooperation profitiert: Sie gab den Anstoß für ein Erasmus+ Abkommen zwischen der Ruhr-Universität Bochum und der Universität Nizwa. Zudem wurde die Universität Hamburg in das Netzwerk einbezogen, an der Dr. Yasemin Gökpinar von der RUB im Wintersemester 2023/2024 eine Vertretungsprofessur innehatte. Derzeit planen die UoN und die Universität Hamburg ein Memorandum of Understanding. Die Laufzeit von Ana wa-ant geht 2024 zu Ende. Die beteiligten Lehrenden wollen aber auch weiterhin zusammenarbeiten. Neben der Planung einer gemeinsamen Abschlusspublikation würden auch schon Ideen für neue Projekte entwickelt, sagt Kata Moser: „Durch die Kooperation ist ein sehr wertvolles und tragfähiges Netzwerk entstanden.“

Miriam Hoffmeyer (7. März 2024)

 

 

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