Kooperation für digitale Medienkompetenz

Teilnehmende der Summer School „Media and Information Literacy Academy Amman“, dem Hauptprojekt im Rahmen des Hochschuldialog-Programms 2023

Seit Beginn der Digitalisierung haben sich Kommunikation und Medien radikal verändert. Die unterschiedlichen Ausprägungen dieses Wandels und seine gesellschaftlichen Folgen untersucht das DAAD-Projekt Digital Transformation and Societal Consequences, in dem die Freie Universität (FU) Berlin mit zehn Partnerhochschulen in neun islamisch geprägten Ländern zusammenarbeitet. 

„Der digitale Wandel der Medienwelt findet überall statt“, sagt Carola Richter, Professorin am Institut für Publizistik- und Kommunikationswissenschaft der FU Berlin. Er werde aber auf regionaler und lokaler Ebene unterschiedlich wahrgenommen – teils als Fortschrittsversprechen, teils als Bedrohung für Werte und sozialen Zusammenhalt. „Interessanterweise ist die Wahrnehmung dieser Phänomene in Deutschland und der arabischen Welt zeitlich verschoben“, erzählt Richter. So habe 2013, als die Partnerhochschulen im Anschluss an einen DAAD-geförderten Workshop das Netzwerk „Areacore“ gründeten, in Deutschland Optimismus vorgeherrscht. „In den arabischen Ländern wurden die sozialen Medien hingegen schon damals eher kritisch gesehen, weil sie gesellschaftliche Konflikte verschärfen können.“

Die Kooperation wird durch das DAAD-Programm Hochschuldialog mit der islamischen Welt gefördert, bei dem es das Projekt mit den meisten Partnern ist. Ein gemeinsames Ziel der beteiligten Hochschulen ist es, „Media and Digital Literacy“ – also die Fähigkeit zum kritischen Hinterfragen von Medieninhalten – stärker in die Lehre zu integrieren. Jedes Jahr finden eine Summer und eine Winter School statt, in denen Studierende und Nachwuchswissenschaftlerinnen und -wissenschaftler praktische Erfahrungen in der Medienproduktion sammeln. 

Medieninhalte kritisch hinterfragen: eines der Hauptziele des DAAD-Projekts Digital Transformation and Societal Consequences. Hier zwei Teilnehmerinnen der MILAA Summer School

Fast alle Partnerhochschulen bilden Journalistinnen und Journalisten aus. Schwerpunkt der Summer School „Media and Information Literacy Academy Amman“ (MILAA) im Juni 2023 war die Frage, wie Künstliche Intelligenz den Journalismus verändert und welche Risiken damit verbunden sind. 

Einer der rund 70 Teilnehmenden war Ahmad Alharasees, Digital Producer beim Nachrichtensender Al Jazeera. Der 27-Jährige arbeitete damals an seinem Masterabschluss-Projekt am Jordan Media Institute (JMI) – einem Dokumentarfilm über KI. „In der Summer School habe ich Methoden und Techniken kennengelernt, um mithilfe von KI-Faktenchecks vorzunehmen und die Glaubwürdigkeit von Nachrichten zu beurteilen“, erzählt Alharasees. Ein kritisches Verständnis dafür, wie Medienbotschaften die öffentliche Meinung beeinflussen, ist für ihn von entscheidender Bedeutung: „Nur mit diesem Wissen kann man sich in der komplexen Medienlandschaft zurechtfinden und zu einem differenzierten öffentlichen Diskurs beitragen.“ 

Digitalproduzent Ahmad Alharasees war einer der Teilnehmenden der Summer School „Media and Information Literacy Academy Amman“.

Über die Jahre wurde eine umfangreiche Materialsammlung über Medien in der arabischen Welt angelegt, die für die Lehre genutzt wird und auf der Projektwebsite auch öffentlich zugänglich ist – ebenso wie die Filme, Podcasts und anderen Medien, die Studierende in den Summer und Winter Schools erarbeiten. Media and Information Literacy ist heute ein Kernbestandteil der Curricula aller zehn Kooperationspartner. Mehrere Hochschulen, darunter das Jordan Media Institute (JMI) in Amman, bieten zudem Trainings für Lehrkräfte, Kinder und zivilgesellschaftliche Organisationen an. 

„Wer keinen kritischen Umgang mit Medien gelernt hat, fällt leicht auf Fake News herein.“
Dr. Mirna Abou Zeid, Direktorin Jordan Media Institute

„Gerade in den ländlichen Gebieten Jordaniens fehlt es oft an Medienkompetenz“, sagt JMI-Direktorin Dr. Mirna Abou Zeid. „Und wer keinen kritischen Umgang mit Medien gelernt hat, fällt leicht auf Fake News herein. Das hat man während der Pandemie auf der ganzen Welt gesehen.“ Das große Areacore-Netzwerk biete besonders vielfältige und interessante Möglichkeiten zur Zusammenarbeit, meint Abou Zeid: „Wir können alle voneinander lernen, um gemeinsam besser zu werden.“ Seit einigen Jahren arbeiten die Hochschulen auch bei Forschungsprojekten zusammen. Das Netzwerk sei auch für die Planung solcher Vorhaben sehr hilfreich, sagt Carola Richter von der FU Berlin: „Wir kennen die Forschungsschwerpunkte der Partner und wissen, dass wir uns aufeinander verlassen können.“

Austausch innerhalb des arabischen Raums

Die für Anfang 2024 in Berlin geplante Winter School musste wegen des Kriegs in Nahost verschoben werden. Doch auch in politisch ruhigeren Zeiten sind bei der Zusammenarbeit praktische Hindernisse zu überwinden. So ist der Geldtransfer in einige Länder schwierig und Visaverfahren sind teils sehr langwierig. „Deshalb müssen wir alle Veranstaltungen sehr gründlich vorausplanen“, sagt Dr. Inas Abouyoussef von der Ahram Canadian University (ACU) in Kairo. Ohne die DAAD-Förderung, ergänzt sie, wäre die Zusammenarbeit in dieser Form nicht möglich, da viele Partnerhochschulen die Mobilitätskosten nicht finanzieren könnten. 

Das Projekt stärkt auch den Austausch innerhalb des arabischen Raums, in dem zwischen einzelnen Ländern große kulturelle Unterschiede bestehen. Die Zusammenarbeit ermögliche neue Perspektiven und damit einen Journalismus, der mehr in die Tiefe gehe, betont Abouyoussef: „Und wenn junge Journalistinnen und Journalisten ein besseres Verständnis für andere Kulturen entwickeln, wirkt sich das auch positiv auf die Gesellschaften aus, in denen sie arbeiten.“

Miriam Hoffmeyer (22. Januar 2024) 


 

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