Ungarn: Bildung und Wissenschaft

Studierende am Rednerpult ihrer Dozentin.

Inhalt

DAAD-Regionalinformationen
Hochschulzugang
Hochschulfinanzierung und Studiengebühren
Stärken in der Forschung
Individuelle Beratung zu Wissenschaftskooperationen mit Ungarn
Für weitere Informationen

Ungarn hat insgesamt 65 Hochschulen, davon sind 27 vom Staat finanziert, weitere 28 werden von Kirchen betrieben, zehn sind in privater Trägerschaft. Die Zahl der in Ungarn agierenden ausländischen Hochschulen beläuft sich auf 18, unter ihnen befindet sich auch die Central European University (CEU). Auf Druck der ungarischen Regierung sah sie sich allerdings gezwungen, im Herbst 2019 die in den USA anerkannten Master- und Promotionsstudiengänge nach Wien zu verlagern.

In Ungarn können Studieninteressierte zwischen unterschiedlichen Hochschultypen wählen. 9 Fachhochschulen beziehungsweise „Universitäten für angewandte Wissenschaften“ zeichnen sich durch eine starke Praxis- und Anwendungsorientierung aus. Sie haben in der Regel kein Promotionsrecht.

Insgesamt werden in Ungarn 129 Bachelor- und 272 Masterstudiengänge angeboten. Daneben gibt es grundständige 5-jährige Staatsexamens-, Diplom- und künstlerische Studiengänge, wie Medizin, Rechtswissenschaften, Agrar- und Forstwissenschaften, Schauspiel oder bildende Künste. Immer mehr ungarische Hochschulen bieten auch englischsprachige Studiengänge an, die internationale Aspekte in verschiedenen Fachgebieten mit einbeziehen. Es gibt 80 Bachelor-, 86 Master- und 73 PhD-Studiengänge auf Englisch. Insgesamt sechs Universitäten bieten die Möglichkeit eines Fernstudiums an, um eine inklusive Bildung beziehungsweise ein Studium von benachteiligten Lernenden zu fördern. Unter ihnen hat die Fern-Universität in Hagen, die seit 1990 mit einem Fernstudienzentrum in Budapest präsent ist, als Alternative zu einem Präsenzstudium sowie als Vorreiterin auf dem Feld der Digitalisierung der Hochschulbildung in Ungarn Vorbildcharakter. Verbreitetet ist auch das sogenannte „Korrespondenzstudium“ mit Blockveranstaltungen, das eine berufsbegleitende Hochschulausbildung ermöglicht.

Die Lehrerausbildung an den Universitäten und Kunsthochschulen erfolgt schulartspezifisch in überwiegend grundständigen Studiengängen (vier bis fünf Jahre), gefolgt von einer einjährigen schulpraktischen Ausbildung.

Hochschulzugang

Das Abitur wird in Ungarn nach dem Besuch des vierjährigen Gymnasiums oder der Fachoberschule (Szakgimnázium) gemacht. Seit 2005 kann das Abitur auf „Mittelstufenniveau“ oder freiwillig auf „gehobenem Niveau“ abgelegt werden. Um zu prüfen, für welchen Studiengang der jeweilige Absolvent geeignet ist, verrechnet die Zentralstelle für die Vergabe von Studienplätzen Felvi die Schulergebnisse in einem Punktesystem – die Höchstpunktzahl aus den Jahresabschlussnoten der letzten beiden Jahre und den Abiturprüfungen ist 400. Erfolgreich bestandene Sprachprüfungen verschaffen dem Bewerber Zusatzpunkte. Je nach gewünschtem Studienfach muss die Abiturprüfung außerdem in bestimmten Fachrichtungen abgelegt worden sein, zum Beispiel in Mathematik und Physik für das Studienfach Elektrotechnik. Für einige Studienfächer, wie zum Beispiel Medizin, ist zudem ein Abitur mit mindestens zwei Fächern auf „gehobenem Niveau“ erforderlich.

Alle Studiengänge in Ungarn sind zulassungsbeschränkt. Der Numerus Clausus (maximális kapacitás) wird aus der Anzahl der staatlich finanzierten Studienplätze und der Zahl der Bewerbungen errechnet. Neben dem Numerus Clausus können die Hochschulen weitere Auswahlkriterien für örtliche Zulassungsverfahren festlegen, wie zum Beispiel Auswahlgespräche oder Eignungstests. Diese Kriterien unterscheiden sich von Hochschule zu Hochschule und von Fach zu Fach. Für Selbstzahler ist die Zulassung weniger streng geregelt.

Insgesamt ist die Zahl der immatrikulierten Studierenden in Ungarn landesweit rückläufig. Mit 285.110 Studierenden im Wintersemester 2019/2020 bewegt sich die Zahl wieder auf dem Niveau der späten 1990er Jahre. Ursächlich dafür sind einerseits demographische Tendenzen, andererseits die strategische Agenda der ungarischen Regierung, die eine Stärkung der Ausbildungsberufe vor allem im Bereich Technik fokussiert – auch um den Ansprüchen der in Ungarn stark vertretenen deutschen Automobilindustrie zu entsprechen.

Hochschulfinanzierung und Studiengebühren

Das Studium an einer ungarischen Hochschule ist seit 2013 grundsätzlich kostenpflichtig. Nur an einigen wenigen Universitäten gibt es eine begrenzte Zahl von staatlich finanzierten Studienplätzen. Dort werden den besten Abiturienten und Studierenden eines Jahrgangs die Studiengebühren erlassen, vorausgesetzt sie absolvieren das Studium innerhalb der Regelstudienzeit. An einigen Universitäten können sich leistungsstarke Studierende zudem um eine Art staatliches Studiendarlehen bewerben, das sie nach dem Studium zurückzahlen müssen, es sei denn sie unterschreiben einen „Studienvertrag“, der sie nach dem Studium zur mehrjährigen Arbeitsaufnahme in Ungarn verpflichtet. Auf nicht staatlich finanzierten Studienplätzen müssen Studiengebühren bezahlt werden, die – zum Beispiel in Medizin – mehrere Tausend Euro pro Jahr betragen können.

Stärken in der Forschung

Die Forschungs- und Innovationspolitik der ungarischen Regierung zielt darauf ab, die Wettbewerbsfähigkeit zu stärken und zukunftsfähige Arbeitsplätze zu sichern. Auch wenn Ungarn im Vergleich zu den anderen, 2004 beigetretenen EU-Ländern, bereits sehr gute Ergebnisse bei der Einwerbung von europäische Forschungsprojekten verzeichnet.

Seit April 2019 ist das neu gegründete Nationale Amt für Forschung, Entwicklung und Innovation (Nemzeti Kutatási, Fejlesztési és Innovációs Hivatal) für die Vergabe von Drittmitteln verantwortlich. Die Ausschreibung für das Jahr 2019/2020 belief sich auf 80 Milliarden Forint (245 Millionen Euro). Im Fokus der Förderprogramme steht die Förderung industrieller Innovation unter anderem durch Investitionen in Schlüsseltechnologien und Unterstützung für kleine und mittelständische Unternehmen.

Als Folge dieser wirtschaftsnahen forschungs- und innovationspolitischen Zielsetzung wurde die ungarische Akademie der Wissenschaften umstrukturiert.

Ihre Forschungsinstitute wurden einem neuen Gremium unterstellt, auf das die Politik maßgeblichen Einfluss hat. Dieses neu geschaffene „Eötvös Loránd Forschungsnetzwerk“ wird zur Hälfte direkt vom Ministerpräsidenten bestimmt. Wissenschaftliche Selbstverwaltung ist nicht vorgesehen. Damit verliert die ungarische Akademie der Wissenschaften ihre Bedeutung als Forschungsinstitution. Die Finanzierung soll nunmehr fast ausschließlich auf Projektbasis geleistet werden. Auch wurde das Budget der Akademie von 175 Millionen Euro (2019) schon auf 52 Millionen Euro (2020) gesenkt. Zu befürchten steht, dass die Forschung auf diese Weise stärker nach wirtschaftlichen und politischen Interessen ausgerichtet wird und die fehlende finanzielle Planungssicherheit zur Gefährdung von Grundlagenforschung und infolgedessen zur Abwanderung von Talenten führt. Insbesondere in den Geisteswissenschaften ist damit zu rechnen, dass Forschungsbereiche, die politisch nicht erwünscht sind, Budgetkürzungen oder Streichungen zum Opfer fallen. Ein neu gegründeter Nationaler Rat für Wissenschaftspolitik, dessen Mitglieder vom Kabinett ernannt werden, soll die Regierung in Forschungsfragen beraten und die Vergabe von Geldern überwachen.

Verfasser: Dr. Veronika Proske, Leiterin des DAAD-Informationszentrums Budapest

Der DAAD ist in Ungarn mit einem Informationszentrum in Budapest vertreten. Darüber hinaus bestehen derzeit insgesamt acht Lektorate an verschiedenen Hochschulen in Budapest, Debrecen, Pécs und Szeged.