Chile: Bildung und Wissenschaft

Studierende am Rednerpult ihrer Dozentin.

Inhalte

DAAD-Regionalinformationen
Hochschulzugang
Hochschulfinanzierung und Studiengebühren
Herausforderungen und Chancen für deutsche Hochschulen
Angewandte Wissenschaften in Chile
Individuelle Beratung zu Wissenschaftskooperationen mit Chile
Für weitere Informationen

Bis 1980 gab es in Chile nur einen Hochschultypus: die Universitäten. Im Jahr 1980 wurde durch die Militärdiktatur eine neue Hochschulrahmengesetzgebung verabschiedet, welche mittels Abspaltung regionaler Zweigstellen aus acht bis dahin bestehenden Universitäten (vor allem der Universidad de Chile, der Universidad de Santiago und der Pontificia Universidad Católica) insgesamt 17 Hochschulen schuf. Ebenfalls bis 1980 waren alle Universitäten vollständig staatlich finanziert. Heute erhalten die 30 Einrichtungen der chilenischen Rektorenkonferenz CRUCH den Hauptanteil der staatliche Grundfinanzierung, die übrigen 28 privaten Universitäten fast nichts.

Außerdem schuf die neue Gesetzgebung zwei neue Typen von tertiären Bildungsinstitutionen, nämlich die Centros de Formación Técnica (CFTs) und die Institutos Profesionales (IPs), die sich vor allem der Berufsausbildung widmen. Sie erlaubte ferner die einfache Gründung neuer Universitäten mit minimaler Aufsicht durch Notariatsakte, während die CRUCH-Universitäten alle auf präsidiale oder kirchliche Erlasse (Dekrete) zurückgehen.

Von den heute bestehenden insgesamt 58 chilenischen Universitäten zählen 30 zur Gruppe des CRUCH, davon sind 18 staatlich und 12 privat (Gruppe der sogenannten „traditionellen“ privaten Universitäten G9 sowie Universidad Alberto Hurtado, Universidad Diego Portales und die Universidad de los Andes, die ab 2019 auch dem CRUCH angehören). Die weiteren privaten Universitäten, die seit 1981 gegründet wurden, haben im Laufe der letzten drei Jahrzehnte erheblich an Bedeutung gewonnen. 2019 entfielen nach einiger Zeit erstmals wieder mehr Einschreibungen auf die Universitäten des CRUCH, nämlich 53 Prozent, während die Universitäten außerhalb des CRUCH nur noch 47 Prozent der Immatrikulationen zählten. Inzwischen entfallen auf sie knapp 52 Prozent aller Einschreibungen, während die CRUCH-Hochschulen die verbleibenden 48 Prozent halten.

Hochschulzugang

Nach 12 Jahren Schule – und eventuell einem vorbereitenden Jahr im Preuniversitario – können die Schülerinnen und Schüler die Hochschulzugangsprüfung PSU (Prueba de Selección Universitaria) ablegen. Dieser landesweit einheitliche Test besteht aus vier Einzelprüfungen und fragt im Wesentlichen Wissen ab. Die PSU gilt als bestanden, wenn mindestens 450 Punkte (von max. 850) erzielt werden. Chilenische Studenten erwerben als einzige Studenten Lateinamerikas mit einer Punktzahl von mehr als 600 gleichzeitig auch die Zugangsberechtigung zu deutschen Hochschulen, was knapp 20 Prozent aller Schüler erreichen, wobei die Prozentzahlen an den guten Privatschulen wesentlich höher sind.

Die Bewerber werden entsprechend ihrem Ranking in der Hochschulzugangsprüfung PSU aufgenommen (faktischer „Numerus clausus“). Von den 27 Universitäten außerhalb der CRUCH knüpfen zwölf die Aufnahme ebenfalls an die PSU. Die anderen Hochschulen akzeptieren auch Studienbewerber, die die PSU nicht abgelegt haben oder fordern keine Mindestpunktzahl.

Hochschulfinanzierung und Studiengebühren

Die chilenischen Universitäten müssen sich grundsätzlich über Studiengebühren, Drittmittel, kommerzielle Aktivitäten und Spenden finanzieren. Seit 2016 gibt es eine Studiengebührenbefreiung für Studenten, die aus Familien stammen, deren Familieneinkommen zu den unteren 60 Prozent in Chile gehört. An dem Programm nehmen 33 von 58 Universitäten (+15 berufsausbildende Institutionen) teil. Damit einher geht eine staatliche Festlegung und Finanzierung der Studiengebühren in je nach Studiengang verschiedener Höhe. Eine komplementäre Finanzierung durch Studienbeiträge ist den teilnehmenden Hochschulen verboten. Die Kosten eines Studiengangs unterliegen damit einer staatlich bürokratischen Deckelung, was inzwischen zu heftigen Protesten einiger sehr guter Hochschulen führte, die vor allem Leistungen im Bereich von Forschung und Third Mission stark einschränken mussten, da sie sich nicht mehr kostendeckend finanzieren können und damit keinerlei Entwicklungsmöglichkeit aus eigener Kraft mehr haben.

Mit zwei im Januar 2018 verabschiedeten Reformgesetzgebungen ist die lang angekündigte große Reform der Hochschulrahmengesetzgebung verabschiedet worden. Hauptaspekte dieser Reform waren erstens die gesetzliche Festschreibung der Studiengebührenbefreiung, die bis dahin nur auf dem Verordnungsweg eingeführt war, sowie zweitens eine erhebliche Steigerung des öffentlichen Finanzierungsanteils am Haushalt der staatlichen Universitäten. Vor allem von Seiten der privaten Universitäten wird kritisiert, dass hier auf Dauer eine Sonderbehandlung für die staatlichen Universitäten geschaffen werde, die gleichwohl nur 27 Prozent der Studenten Chiles ausbilden.

Herausforderungen und Chancen für deutsche Hochschulen

Chile ist ein Land, in dem die Teilnahme an tertiärer Bildung immer noch wächst. Im Vergleich zum Jahr 2010 sind die Einschreibezahlen im Jahr 2019 um 27,3 Prozent gestiegen, wobei die in Chile zur tertiären Bildung zugehörige Berufsausbildung miteingeschlossen ist. Da die chilenischen Reierungsstipendien gezählt sind und zudem mit der Erwartung einer Rückkehr sowie der Verpflichtung verbunden sind, in der Hauptstadtregion die doppelte Zeit des Auslandsaufenthaltes und im übrigen Chile die gleiche Zeit des Auslandsaufenthaltes im Land zu arbeiten, ist die Nachfrage nach internationalen und / oder universitätseigenen Stipendien hoch. Hinzu kommt, dass bei einer Bewerbung auf das nationale Stipendienprogramm BecasChile gefordert wird, dass die Zielhochschule in den einschlägigen internationalen Hochschulrankings unter den ersten 150 Einrichtungen platziert ist (dies gilt nicht für eine Bewerbung auf das gemeinsame Programm DAAD / BecasChile). Als Alternative wird eine ausführliche Begründung erwartet, warum die Gastinstitution eine der 50 besten in der entsprechenden Disziplin ist. Daher sind Informationen über das Prestige und die Position in verschiedenen Rankings sowie besondere Auszeichnungen und Besonderheiten der Universität von großem Interesse.

Da der chilenische Hochschulsektor wenig reglementiert ist, fallen die Qualitätsunterschiede bisweilen deutlich aus. Im Falle einer Kooperationsanbahnung ist es daher ratsam, sich über Prestige und politische / religiöse Ausrichtung der Universität zu informieren bzw. in Einzelfällen damit zu rechnen, dass möglicherweise auch Entwicklungsarbeit zu leisten ist. Auf der anderen Seite gibt es in Chile auch Universitäten, die in vielerlei Hinsicht mit deutschen Hochschulen mithalten können oder diese in bestimmten Fächern sogar übertreffen. In jedem Fall ist ein Erstkontakt auf Augenhöhe empfehlenswert.

Verfasserin: Susanne Reischmann, Leiterin des DAAD-Informationszentrums Santiago de Chile

Der DAAD ist mit einem Informationszentrum in Santiago de Chile und landesweit fünf Lektoraten vertreten.