Nachhaltige Partnerschaften auf Augenhöhe

Zwei Männer mit blauen Namensschildern unterhalten sich lachend in einer modernen Lounge mit Sofas im Hintergrund.

Seit 17 Jahren engagiert sich der DAAD mit Mitteln des Auswärtigen Amtes für den Aufbau von Fachzentren in Subsahara-Afrika. Diese „Centres of African Excellence“ haben das Ziel, afrikanische Führungskräfte in besonders relevanten Sektoren auszubilden. Im November 2024 trafen sich 60 afrikanische und deutsche Projektverantwortliche zu einer Netzwerkkonferenz in Kapstadt, um sich über das Erreichte, Herausforderungen und die Zukunft der Fachzentren auszutauschen.

In Afrika schlummert ein enormes Potenzial. Mit seiner jungen, wachsenden Bevölkerung, seinen reichen Ressourcen und seinem zunehmenden wirtschaftlichen und geopolitischen Gewicht hat der Kontinent die Chance, zur größten Wachstumsregion der nächsten Jahrzehnte zu werden. 

Auf dem Weg dorthin sind jedoch noch einige Herausforderungen zu meistern. Mit einer davon beschäftigt sich Andreas Gernert, Juniorprofessor an der Kühne Logistics University (KLU) in Hamburg. Gemeinsam mit der University of Dar es Salaam (UDSM) in Tansania und der University of Nairobi (UoN) in Kenia hat die KLU das Lehr- und Forschungszentrum Sustainable Operations for Research Management and Food Supply (SCO) aufgebaut. Seit 2021 wird SCO im Rahmen des DAAD-Programms Fachzentren Afrika – Centres of African Excellence gefördert. Es hat die Ausbildung afrikanischer Fachkräfte und Forscherinnen im Bereich Operations, Logistik und Management zum Ziel.

SCO basiert auf drei Säulen. Der Masterstudiengang Sustainability Management and Operations (SuMO), der Masterstudiengang Business Research, der als Einstieg in die Promotion dient, und die Promotionsstipendien. In allen drei Fällen profitieren alle beteiligten Universitäten von der Partnerschaft. Nicht nur im Sinne von Gastdozentinnen und -dozenten der anderen Universitäten, sondern auch in Form eines fachlichen Austauschs von Lehrinhalten und -methoden. „Wir lernen hier viel voneinander“, sagt Professor Gernert. Dazu dienen auch die Summer Schools zum Thema Nachhaltigkeit, die jährlich abwechselnd an den drei Standorten stattfinden.

Zwei Männer, einer im grauen Blazer und der andere im hellgrauen Pullover, sprechen angeregt bei einer Networking-Veranstaltung, während andere im Hintergrund arbeiten und diskutieren.

Innovationen im Agrarsektor

Während in Hamburg beispielsweise die Optimierung von Lieferketten unter Nachhaltigkeitsgesichtspunkten im Vordergrund steht, untersuchen die Forschenden der Universitäten in Nairobi und Dar es Salaam unter anderem die landwirtschaftliche Produktion und die Situation der Kleinbauern in ihren Ländern. Eine SCO-Doktorandin aus Tansania forscht zu der Frage, wie Innovationen im Agrarsektor gefördert werden können. „Anhand von Interviews arbeitet sie die Bedürfnisse der Kleinbauern heraus, um den größten Hebel zur Produktivitätssteigerung zu identifizieren“, erklärt Gernert, der die Doktorandin bei ihrer Forschung betreut. 

Ein Innovationsschub kann mit dem effizienteren Einsatz von Düngemitteln ebenso erzielt werden wie mit der Nutzung digitaler Technologien zur Analyse der Bodenbeschaffenheit oder der Berücksichtigung von Wetterdaten -- je nach lokalem Kontext. „Wer zum Beispiel Wetterinformationen per Smartphone zur Verfügung stellen will, muss wissen, wie man diese Informationen für die Empfängerinnen und Empfänger aufbereitet“, sagt Gernert. „Es gibt immer noch viele Kleinbauern, die nicht lesen können. Da sind Textnachrichten relativ ineffizient.“ Viel besser sei es, die Informationen über Piktogramme zur Verfügung zu stellen. 

Gelungener Kooperationsansatz

Dieser Ansatz ist ein gutes Beispiel für den kooperativen Grundansatz der Zentren. „Wir streben eine gleichberechtigte Partnerschaft an, bei der es eben nicht um einen einseitigen Wissenstransfer von Nord nach Süd geht, sondern um einen echten Austausch“, sagt Lars Gerold, zuständiger Referatsleiter für die Fachzentren Afrika beim DAAD. „Denn es ist ganz klar: Ohne die Einbeziehung regionalen Wissens bleiben die besten Ideen wirkungslos, weil sie an der Lebenswirklichkeit vor Ort vorbeigehen.“ 

Seit dem Start der Zentren im Jahr 2008 arbeitet der DAAD intensiv daran, die Bedingungen für erfolgreiche Nord-Süd-Partnerschaften kontinuierlich zu verbessern. Dieses Ziel hat auch ein Positionspapier der Deutschen UNESCO Kommission (DUK) aus dem Jahr 2024, das die Gelingensbedingungen für gleichberechtigte Wissenschaftskooperationen auslotet und an dessen Entstehungsprozess Dr. Ruth Fuchs, Referentin im Fachzentren Programm, für den DAAD beteiligt war. „Wichtig ist, dass in dem Papier ausdrücklich von gleichberechtigt (engl. equitable) und nicht von gleich (engl. equal) die Rede ist“, sagt Fuchs. „Es wäre vermessen, von gleichen Bedingungen zu sprechen. Die gibt es nicht. Umso wichtiger aber ist es, dafür zu sorgen, dass man sich mit den jeweils eigenen Kompetenzen auf Augenhöhe begegnet.“

Drei Personen, zwei Männer und eine Frau mit blauen Namensschildern, stehen in einer Gruppe und unterhalten sich freundlich bei einer Konferenz.

Netzwerkkonferenz im Jahr 2024 in Südafrika

Wo stehen die Kompetenzzentren in Bezug auf den Anspruch eines gleichberechtigten Austauschs? Eine Möglichkeit dazu bot die Netzwerkkonferenz im südafrikanischen Kapstadt Ende November 2024. Das bereits 2008 gestartete Programm feierte 2023 sein 15-jähriges Bestehen. Neben einer Reihe von Workshops bot das Treffen, an dem rund 60 Projektverantwortliche aus Deutschland und Afrika teilnahmen, den derzeit sieben geförderten Fachzentren die Möglichkeit, sich über Strategien zur Verstetigung der geschaffenen oder im Aufbau befindlichen Strukturen zu informieren. „Es war von Anfang an unser Ziel, die Zentren dabei zu unterstützen, nachhaltige Strukturen auszubilden“, erklärt Lars Gerold. Für insgesamt sechs Zentren ist die Förderung bereits Ende 2023 ausgelaufen. Auch sie waren bei der Konferenz dabei, um ihre Erfahrungen zu teilen.

Eines dieser Zentren ist das Tanzanian-German Centre for Eastern African Legal Studies (TGCL), eine Kooperation der University of Dar es Salaam (UDSM) und der Universität Bayreuth. Das TGCL bildet in juristischen Master- und Promotionsprogrammen künftige Führungskräfte aus. Der fachliche Schwerpunkt liegt dabei auf dem Recht regionaler Integration unter besonderer Berücksichtigung des Rechts der Ostafrikanischen Gemeinschaft. „Die Gründung des TGCL ist tief in der Idee verwurzelt, die Fähigkeit afrikanischer Rechtswissenschaftler zu stärken, um eine führende Rolle bei regionalen Integrationsprojekten auf dem afrikanischen Kontinent zu übernehmen“, erklärt Dr. Petro Protas, TGCL-Projektkoordinator an der UDSM. Die Idee, regionale Wirtschaftsgemeinschaften zu schaffen, wurde von afrikanischen Ländern bereits in den 1960er-Jahren ins Auge gefasst. Derzeit gibt es acht von der Afrikanischen Union anerkannte regionale Wirtschaftsgemeinschaften. „TGCL nimmt mit seiner Arbeit die Länder Ostafrikas in den Blick und trägt dazu bei, die Einheitsbestrebungen auf Basis des regionalen Rechts voranzutreiben. Das ist auf dem Kontinent einzigartig“, so Protas.

Ein Mann mit afrikanischem Musterhemd unterhält sich mit zwei anderen Personen an einem Tisch, der mit Wasserflaschen, Notizbüchern und Essen gedeckt ist, während im Hintergrund weitere Teilnehmer stehen.

Nachhaltige Strukturen

Professor Thoko Kaime, TGCL-Projektleiter an der Universität Bayreuth, spricht mit größtem Respekt von der Arbeit des Projektpartners in Tansania. „Dass das Projektmanagement von Bayreuth aus läuft, bedeutet nicht, dass es ein Wissensgefälle von Nord nach Süd gibt. Das Gegenteil ist der Fall. Die langjährige Partnerschaft mit der UDSM hat den Forschungsschwerpunkt Afrika an der Universität Bayreuth aktiv mitgeprägt und zu der Einrichtung des Lehrstuhls African Legal Studies im Jahr 2019 signifikant beigetragen.“

Das TGCL hat erreicht, was alle Zentren im Idealfall anstreben: die auf dem afrikanischen Kontinent aufgebauten Strukturen so zu verstetigen, dass sie auch nach Auslaufen der DAAD-Förderung bestehen bleiben. Das speziell entwickelte Master-Programm für afrikanische Rechtswissenschaftlerinnen und Rechtswissenschaftler wurde in das Curriculum der UDSM School of Law integriert. Auch die von der UDSM zur Verfügung gestellte Infrastruktur, wie die Büro- und Seminarräume auf dem Mikocheni Campus in Dar es Salaam, bleibt bestehen. Mehr als 200 Master- und Promotionsstudierende wurden in den 15 Jahren mit der finanziellen Unterstützung des DAAD gefördert. „Die meisten unserer Absolventinnen und Absolventen sind in verschiedenen Funktionen in der Region tätig“, sagt Protas nicht ohne Stolz. „Und was auch wichtig ist: Sie stammen aus allen acht Mitgliedsstaaten der Ostafrikanischen Gemeinschaft.“

Wissen lokal verfügbar machen

Trotz aller Erfolge: Manche Herausforderungen der Zusammenarbeit bleiben. Andreas Gernert von SCO sieht eine Hauptaufgabe der deutsch-afrikanischen Partnerschaften darin, besser miteinander zu kommunizieren. „Oft wissen wir einfach zu wenig über die Stärken und Schwächen des jeweiligen Partners. Das ist aber ganz entscheidend, um auf Augenhöhe zusammenarbeiten und gemeinsam Fortschritte erzielen zu können.“ Für Isabelle Zundel, TGCL-Projektmanagerin und wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Universität Bayreuth, ist das auch eine Frage der Gleichberechtigung im Publikationsprozess und bei der Bereitstellung von Wissen. Dies greift auch das UNESCO-Impulspapier im Rahmen von zwei zentralen Herausforderungen auf. Das TGCL trägt dem mit einer Buchpublikation Rechnung, die bewusst in einem afrikanischen Verlag erscheint. „Wir wollen unser gesammeltes Wissen und unsere Ideen zur regionalen Integration für afrikanische Forschende leichter zugänglich machen und dabei auch die lokale Infrastruktur nutzen.“

Neben den Fachzentren wird im Rahmen des Programms auch die digitale Lehr-, Lern- und Kommunikationsplattform DIGI-FACE gefördert. Ziel ist es, digitale Lern- und Austauschformate in den einzelnen Zentren zu fördern und diese untereinander zu vernetzen. Auch am TGCL werden digitale Austauschformate erfolgreich genutzt. In einem Blog (africanlegalstudies.blog) können aktuelle und ehemalige Geförderte über aktuelle Themen der afrikanischen Politik, des Rechts und der Entwicklung sowie geplante Forschungsprojekte diskutieren. „Die Plattform ist offen für alle und wird auch sehr intensiv genutzt, gerade von Studierenden sowie Nachwuchswissenschaftlerinnen und -wissenschaftlern aus Ostafrika, die sich ohne Scheu mit erfahrenen Forscherinnen und Forschern austauschen“, sagt Isabelle Zundel. „Ich denke, das ist ein wunderbares Beispiel für einen Raum, in dem versucht wird, wissenschaftliche Kommunikation zugänglicher, inklusiver und gleichberechtigter zu gestalten.“

Klaus Lüber (21. Februar 2025)

 

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