Kreativ Deutsch lernen im Ausland

Eine Gruppe junger Erwachsener sitzt an einem Tisch mit Laptops und Arbeitsmaterialien, wobei eine Frau in der Mitte lächelnd zu einer anderen Person schaut.

Mit dem Programm Dhoch3 fördert der DAAD die universitäre Ausbildung von zukünftigen Deutschlehrkräften im Ausland. In zehn digitalen Studienmodulen lernen die Studierenden mehr über die deutsche Sprache und ihre Vermittlung. Das Angebot wird inzwischen weltweit genutzt.

Thiago Viti Mariano ist Studiengangsleiter eines deutsch-brasilianischen Masterstudiums an der Universidade Federal do Paraná in Curitiba, einer Zwei-Millionen-Metropole etwa 400 Kilometer südlich von São Paulo. Eine Zusammenarbeit mit der Universität Leipzig ermöglicht den Studierenden einen deutsch-brasilianischen Doppelabschluss. Der DAAD fördert die Auslandssemester. Zudem bildet die Universität Deutsch-Lehrkräfte aus. Viele beginnen erst hier mit dem Deutschlernen.

Wenn es darum geht, seinen Studierenden ungewöhnliche didaktische Methoden für den Deutschunterricht näherzubringen, greift Mariano gerne auf verschiedene Quellen und Medien zurück. Kürzlich ging es etwa um das Gedicht „Augen in der Großstadt“ von Kurt Tucholsky, das die Einsamkeit und Monotonie einer Metropole Anfang der 1930er-Jahre beschreibt. Dem gegenüber steht die Musik der bekannten brasilianischen Band „O Rappa“. Auch sie erzählt von Problemen in einer Großstadt wie Rio de Janeiro – in einem Song beispielsweise von der überfüllten S-Bahn, in der sich die (schwarze) Arbeiterklasse zur Arbeit kämpfen muss. „Gemeinsam schauen wir uns die sprachliche Ebene an und vergleichen die verwendeten Symbole und Bilder“, erklärt Mariano. 

Hohe akademische Qualität der Inhalte

Möglich macht dies das DAAD-Programm Dhoch3, ein Online-Lehrprogramm aus insgesamt zehn Modulen, das über eine Online-Plattform abrufbar ist. Abgedeckt werden Themen von Fremdsprachendidaktik und Unterrichtsplanung bis zu Literatur und ästhetischen Medien sowie Lehren und Lernen mit elektronischen Medien. Dhoch3 richtet sich an internationale Hochschulen. „Mit dem Angebot wollen wir bestehende DaF- und Germanistikstudiengänge mit neuen Impulsen ergänzen“, erklärt Projektleiter Dr. Stefan Buchholz. Die Modulinhalte können dabei auf fortgeschrittenem Bachelor- und auf Masterniveau genutzt werden. 

Ein Mann mit kurzen, lockigen Haaren und Jeansjacke steht vor einem Bücherregal, das voll mit verschiedenfarbigen Büchern ist.

In den Online-Räumen finden Lehrende und Studierende eine vollständige Blended-Learning-Umgebung mit Texten, Medien, Arbeitsanregungen und zahlreichen Links zur weiteren Recherche. „Die Inhalte werden von Teams aus Autorinnen und Autoren an deutschen Hochschulen entwickelt und laufend ergänzt“, sagt Buchholz. Ein Umstand, der bei Lehrenden und Lernenden sehr geschätzt wird. Die akademische Qualität der Inhalte sei hoch und ihre Aufbereitung gut durchdacht, bestätigt Mariano. Außerdem haben die Studierenden Zugang zu fremdsprachlichen Fachtexten, die in Brasilien nicht so einfach zu bekommen wären. Allein mit diesen Inhalten lässt Mariano seine Studierenden trotzdem nicht. „Die Studierenden lesen die Texte aus dem Modul oder vertiefen mit den Link-Empfehlungen ein Thema. Wir treffen uns aber wöchentlich, um die Inhalte zu besprechen“, erklärt er. 

Sprache ist mehr als ein Regelsystem, das man entschlüsseln können muss
Dr. Michael Dobstadt, Modul-Autor Dhoch3

Kreativer Umgang mit Sprache

Marianos kreativer Ansatz, sich deutscher Literatur zu nähern, passt gut zum Modul 10 „Literatur, ästhetische Medien und Sprache in Deutsch als Fremdsprache“. Es wurde von Dr. Michael Dobstadt und seinem Team an der TU Dresden entwickelt und widmet sich der literarischen Seite von Sprache und dem kreativen Umgang damit. „In der Sprachvermittlung wird oft sehr funktional gearbeitet, es geht stark um alltagsbezogene Inhalte und deren Übermittlung; und so gut wie gar nicht um die Form - die Art und Weise, wie etwas gesagt wird - und wie Form und Inhalt zusammenspielen“, erklärt der Projektleiter, der inzwischen als DAAD-Lektor an der Universidad Nacional de Asunción in Paraguay arbeitet. 

Ein Mann mit Glatze und blauer Brille trägt ein dunkles Hemd und blickt in die Kamera vor einem grauen Hintergrund.

In seinem Modul werden die DaF-Studierenden zum kreativen Umgang mit der Fremdsprache eingeladen. Sie diskutieren zum Beispiel über Ernst Jandls humorvolles Gedicht „ottos mops“, das auch mit geringen Deutschkenntnissen verständlich ist. Nach der Diskussion werden sie ermutigt, selbst ein ähnliches Gedicht zu verfassen. Poesie in einer fremden Sprache zu schaffen, ist für viele Studierende eine neue Erfahrung, berichtet Dobstadt. „Dieser Ansatz nimmt die Lernenden von Anfang an ernst und zeigt, dass Sprache mehr ist als ein Regelsystem, das man entschlüsseln können muss.“ 

Ein weiterer Aspekt ist den Modul-Autorinnen und -Autoren wichtig: Sie definieren Literatur weit und zählen auch Comics, Filme und Songtexte dazu. Diese Medien bieten oft direkte Bezüge zur Kultur und Lebenswelt der Studierenden. Auch Mariano schätzt diesen Ansatz. „Kreativ mit einer Fremdsprache umzugehen und selbst ästhetische Medien zu schaffen, bereitet den Studierenden viel Freude. Sie fühlen sich ernst genommen und erhalten kreative Impulse für ihren eigenen Fremdsprachenunterricht“, sagt er. 

Zukunftskompetenzen für Lehrende

Auch im „Modul 3: Lehren und Lernen mit elektronischen (Online-)Medien“ sollen die Studierenden selbst aktiv werden und experimentieren. Das Modul, entwickelt von Professor Jörg Roche und seinem Team an der Ludwig-Maximilians-Universität München (LMU), behandelt neue Technologien wie Künstliche Intelligenz (KI) und Extended Reality. „Wir setzen uns grundlegend mit diesen Technologien auseinander und suchen nach medienpädagogischen Einsatzmöglichkeiten“, erklärt Projektmitarbeiterin Isabel Hoffmann. Begriffsdefinitionen und Texte zum Stand der Technik bilden die Grundlage. Danach probieren die Studierenden selbst Anwendungen aus – bei Extended Reality etwa mit dem eigenen Smartphone. So können sie beispielsweise einen virtuellen Rundgang durch das Deutsche Museum in München erleben. 

 

Eine Frau mit langen dunklen Haaren und grünem Oberteil steht mit verschränkten Armen vor einer strukturierten Wand und lächelt leicht in die Kamera.

Beim Thema KI testen sie Übersetzungstools und Bildgeneratoren. „Die zukünftigen Lehrkräfte entdecken so das Potenzial des digitalen Sprachlernens und verbessern ihre Technikfähigkeiten. Das ist eine wichtige Zukunftskompetenz für Lehrende“, sagt Hoffmann. Da sich Zukunftstechnologien rasant entwickeln und Lehrinhalte beispielsweise zum Thema Extended Reality von 2021 schnell veraltet wirken, wird das Modul laufend mit neuen Links oder wissenschaftlichen Papieren ergänzt. Alle zwei bis drei Jahre kann eine größere Überarbeitung angesetzt werden. Das Modul 3 zu den elektronischen Online-Medien liegt zum Beispiel bereits in der dritten Version vor. 

Ein wichtiger Impulsgeber für die Überarbeitung sind die rund 1.500 Dozentinnen und Dozenten aus fast 100 Ländern, in denen Dhoch3 derzeit aktiv genutzt wird. Ihr Feedback wird stets berücksichtigt und im Rahmen von vielen internationalen Fortbildungsveranstaltungen weltweit abgerufen – zuletzt Mitte Oktober 2024 in Sucre, Bolivien. „Diese Perspektiven auf die Nutzung von Dhoch3 an internationalen Standorten sind uns sehr wichtig“, betont Stefan Buchholz. „Wir wollen in den engen Austausch mit Anwenderinnen und Anwendern vor Ort kommen, um noch besser zu verstehen, wie wir sie mit Inhalten unterstützen können.“ 

Birk Grüling (12. November 2024)



 

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