Als Gutachter für den DAAD: Wirkungsvolle Projekte erkennen

Professor Laurenz Volkmann, Inhaber des Lehrstuhls für Englische Fachdidaktik an der Friedrich-Schiller-Universität Jena, ist seit 2019 für den DAAD als Gutachter aktiv. Mit dem DAAD verbindet ihn ein Stück Familienhistorie – und die Überzeugung, dass ein Studium im Ausland viele wertvolle Erfahrungen ermöglicht.
Herr Professor Volkmann, was hat Sie dazu motiviert, als Gutachter in Auswahlkommissionen geeigneten Stipendiatinnen und Stipendiaten den Schritt ins Ausland zu eröffnen oder entsprechende Internationalisierungsprojekte zu evaluieren?
Ich habe eine lange und für mich sehr prägende gemeinsame Geschichte mit dem DAAD. Diese begann mit einem Studienaufenthalt meiner Mutter als Lehramtsstudentin an der University of Athens in Ohio. Sie war damals eine der ersten Stipendiatinnen des DAAD nach dem Zweiten Weltkrieg und musste noch mit dem Schiff eine lange Atlantiküberquerung bewältigen. Ihre in den USA geschlossenen Freundschaften hielten noch Jahrzehnte an, auch ich habe diese gepflegt. Anfang der 1980er-Jahre verbrachte ich mit Unterstützung des DAAD dann auch meinen einjährigen Studienaufenthalt in Ohio an der Miami University. Das war für mich eine absolut persönlichkeitsbildende Zeit mit vielen akademischen und persönlichen Impulsen. Dementsprechend war es für mich selbstverständlich, dem DAAD mit meiner Tätigkeit als Gutachter etwas zurückzugeben. Zudem kann ich in dieser Funktion interdisziplinär mit Kolleginnen und Kollegen aus ganz anderen Bereichen und mit unterschiedlichen beruflichen Profilen zusammenarbeiten. Dies empfinde ich als äußerst anregend.
Mein Studienaufenthalt in Ohio war persönlichkeitsbildend. Es war für mich selbstverständlich, dem DAAD etwas zurückzugeben.
Welche Entwicklungen registrieren Sie aktuell in den Bewerbungen um Stipendien?
Für einen gewissen Teil meiner Generation von Anglistikstudierenden gehörte es zum guten Ton, mindestens ein Jahr in einer unserer „Zielkulturen“ zu verbringen. Lange Zeit war ich skeptisch gegenüber dem Wunsch nach kürzeren und niedrigschwelligeren Angeboten für internationale Erfahrungen. Meine Perspektive hat sich jedoch gewandelt. In einer zunehmend internationalisierten und digital vernetzten Welt – noch dazu bei veränderten Studienbedingungen, bei denen auf einen schnellen Abschluss gedrängt wird – muss und kann eine breite Palette von Internationalisierungsoptionen angeboten werden. Von internationalen Online-Team-Teaching-Seminaren beispielsweise habe ich auch als Lehrender selbst sehr viel gelernt. Dennoch: Ich bin nach wie vor überzeugt, dass ein halbes oder ganzes Jahr im Ausland während des Studiums eine wertvolle Erfahrung ist, die bleibende und nachhaltig wirkende Eindrücke vermittelt. An meiner Universität in Jena setze ich mich deshalb stark für das Thema Internationalisierung des Lehramtsstudiums ein, zum Beispiel bei der Konzeption unseres Praxissemesters im Ausland.
Was war die herausforderndste Entscheidung, die Sie als Gutachter treffen mussten?
Ich empfinde es als extrem schwierig, Anträge richtig einzuschätzen, die alle gegenwärtigen „Zauberwörter“ bedienen. Nur durch genaues Lesen und eine gewisse Interpretationstätigkeit lässt sich erkennen, was ein Projekt wirklich substanziell Wirksames vor Ort bietet oder bieten kann. Ich finde es gut, dass die Auswahlverfahren nie nur auf einem Gutachten beruhen. Stattdessen werden Entscheidungen auf der Grundlage mehrerer Gutachten und einer anschließenden Diskussion der Expertinnen und Experten getroffen.
Interview: Christina Pfänder (5. November 2024)