Überzeugt von der Kraft des akademischen Austauschs

Prof. Dr. Joybrato Mukherjee: „Wir wollen Hoffnung vermitteln“

Nach seiner Wiederwahl als DAAD-Präsident spricht Professor Joybrato Mukherjee über drängende Themen und Herausforderungen.

Herr Professor Mukherjee, bevor wir über Ihre Bestätigung im Amt des DAAD-Präsidenten und Ihre aktuellen Ziele sprechen, gestatten Sie einen Blick zurück. Zum Start in Ihre erste Amtszeit im Jahr 2020 haben Sie die Digitalisierung, Europa und das Einstehen für gemeinsame Werte als Schwerpunkte Ihrer Präsidentschaft benannt. Wie blicken Sie heute auf diese Themen?
Alle drei Themen haben in den vergangenen Jahren weiter an Bedeutung gewonnen. Denken Sie nur daran, wie unsere ersten Überlegungen zu einem rein digitalen Auslandssemester vor der Coronapandemie noch etwas belächelt wurden. Vieles, was beim Thema digitales Studium zunächst für Science Fiction gehalten wurde, hat sich in den letzten Jahren etabliert. Dynamisch sind auch die Entwicklungen in Europa: Die Europäischen Hochschulnetzwerke (EUN) wachsen weiter und stärken den Zusammenhalt auf dem Kontinent. Die Bedeutung von Austausch und Bildung haben auch die Regierungen der Mitgliedsstaaten der Europäischen Union und die EU-Kommission im Blick: So wurde das Erasmus+ Budget für die Programmgeneration 2021–2027 verdoppelt. Das ist umso wichtiger, wenn wir sehen, welche starken zentrifugalen Kräfte auf Europa wirken.

Vor welchen konkreten Herausforderungen sehen Sie Europa?
Zum einen beschäftigen uns immer noch die Folgen des Brexits: Der Verlust eines auch wissenschaftlich so bedeutenden EU-Mitgliedsstaats wie Großbritannien hat weitreichende Folgen und ist mit all seinen Konsequenzen noch nicht überstanden. Innerhalb der Europäischen Union erleben wir, dass nicht alle Regierungen die europäischen Werte einheitlich vertreten und dass ihnen deshalb Fördermittel der EU gesperrt werden. Dabei ist es von außerordentlicher Bedeutung, dass Europa in einer Welt zahlreicher geopolitischer Verwerfungen mit einer starken, eigenen Stimme spricht. Der russische Angriff auf die Ukraine hat uns allen vor Augen geführt, wie wichtig das entschlossene Eintreten für gemeinsame Werte ist.

Vizepräsidentin Dr. Muriel Helbig und Präsident Prof. Dr. Joybrato Mukherjee wurden von der Mitgliederversammlung des DAAD für weitere vier Jahre in ihren Ämtern bestätigt.

Was sind Ihre Ziele für Ihre neue Amtszeit an der Spitze des DAAD?
In einer Zeit, in der Krisen ein Stück weit die neue Normalität darstellen, will der DAAD mit seiner Arbeit Hoffnung vermitteln, den zahlreichen Herausforderungen mit einer klaren Strategie begegnen und auch den Rückenwind eines außergewöhnlichen Jubiläums nutzen: Im Jahr 2025 feiern wir unser 100-jähriges Bestehen. Dieses Jubiläum macht uns Mut, auf verschiedene Entwicklungen und Rahmenbedingungen die passenden Antworten zu finden – wie es uns im Verlauf unserer Geschichte immer wieder geglückt ist. Wir sind fest davon überzeugt, dass internationaler akademischer Austausch und wissenschaftliche Kooperation dazu beitragen, die Lage der Welt zu verbessern. Aktuell arbeiten wir bereits an unserer neuen Strategie, die zum Jubiläumsjahr 2025 veröffentlicht wird. Die Bedeutung des DAAD als Thinktank und Berater in Fragen internationaler Hochschul- und Wissenschaftsbeziehungen wird weiter zunehmen. Auch wird die Strategie noch einmal verdeutlichen, wie weitreichend die Förderung von Menschen und Projekten sowie unser Einsatz in der Außenwissenschaftspolitik dazu beitragen, die Zukunft erfolgreich zu gestalten.

Welche Beispiele für Hoffnung machende DAAD-Projekte möchten Sie nennen?
Eines von zahlreichen Beispielen sind die Globalen Zentren für Klima und Umwelt sowie Gesundheit und Pandemievorsorge, mit denen deutsche Hochschulen und ihre Partner im Globalen Süden neue Möglichkeiten der Kooperation und des Austauschs haben. Mit dem Hilde Domin-Programm eröffnen wir weltweit gefährdeten Studierenden sowie Doktorandinnen und Doktoranden die Chance, ihr Studium oder ihre Promotion in Deutschland abzuschließen. Zugang zum Studium ermöglichen wir zudem mit unserem neuen Stipendienprogramm für Afghaninnen in Bangladesch, Kirgisistan und Pakistan, wohin sie vor der Herrschaft der Taliban geflohen sind. Das sind nur ganz wenige Beispiele, die aber unterstreichen: Wir glauben daran, dass die Förderung von Talenten und Begabungen weltweit einen Unterschied machen kann.

Interview: Johannes Göbel (28. Juni 2023)

 

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