Kambodscha: Bildung und Wissenschaft

Studierende am Rednerpult ihrer Dozentin.

Die brutale Herrschaft der Roten Khmer, die erst in den neunziger Jahren des 20. Jahrhunderts ihr Ende fand, hat bis heute wirkende Folgen für das kambodschanische Bildungswesen. Infolge der Morde an Intellektuellen – 90 Prozent aller Lehrerinnen und Lehrer verloren ihr Leben - fehlen noch heute entsprechendes Personal und akademischer Nachwuchs. Trotz der Bemühungen der kambodschanischen Regierung, den Stand des Bildungswesens zu verbessern (unter anderem durch die Anhebung von Lehrergehältern und der Verlängerung der Lehrerausbildung) ist das Bildungswesen stark unterentwickelt. Aus diesem Grund ist die Analphabetenrate heute in Kambodscha mit rund 20 Prozent (2015) im Vergleich zu anderen südostasiatischen Staaten relativ hoch, zugleich ist Kambodscha aber eine der am schnellsten wachsenden Volkswirtschaften (7,1 Prozent im Jahr 2019).

Die Staatsausgaben für Bildung (2018: 2,16 Prozent des BIP) werden zum großen Teil in die Grundschulbildung investiert, in die auch viele Entwicklungsgelder fließen. Neben staatlichen Bildungseinrichtungen sind eine Vielzahl privater Schulen und Universitäten vorhanden, deren Standard jedoch schwer zu beurteilen ist. Die von der Kolonialzeit geprägte frühere französische Ausrichtung des Bildungssystems ist nur noch in einigen wenigen Sparten anzutreffen, in den meisten Bereichen jedoch durch anglophone Einflüsse abgelöst worden. Gleichwohl ist Kambodscha Mitglied der Internationalen Organisation der Frankophonie.

Das Hochschulwesen Kambodschas hat sich in den letzten Jahren rasch entwickelt. Noch 1997 gab es nur acht Hochschulen in Kambodscha, heute sind es 121, davon 48 staatliche und 73 private. 14,7 Prozent der relevanten Altersgruppen nehmen ein Hochschulstudium auf (Stand: 2019). Die Ausbildungsqualität ist aber zum Teil niedrig und geht an den bedürfnissen des Arbeitsmarktes vorbei. Die Hochschulen des Landes kämpfen mit unzureichender Finanzierung, leiden aber besonders unter mangelnden qualifizierten Hochschullehrkräften, die zudem nur sehr geringe Gehälter beziehen und sich ihr Einkommen durch Zusatzverdienste auf Kosten der Studierenden aufbessern müssen. Sie bieten in der Regel Bachelorprogramme an, die meist vier Jahre dauern. Das Postgraduierten-Studium ist nur in wenigen Fällen möglich. Zu den wichtigsten öffentlichen Universitäten zählen die Royal University of Pnom Penh, das Institute of Technology of Cambodia und die Royal University of Agriculture. Daneben gibt es wichtige private Hochschulen, die universitäre Grade verleihen dürfen und die ihre Kurse zum Teil oder komplett auf Englisch anbieten (zum Beispiel Pannasastra University, Paragon International University, University of Cambodia). In Kambodscha ist der Hochschulbesuch auch an den öffentlichen Hochschulen nicht durchgehend gebührenfrei, die Hochschulen finanzieren sich neben staatlichen Zuwendungen auch über Studiengebühren, durchschnittlich 280 US-Dollar pro Studienjahr. Es ist ein stark wachsendes Interesse an internationalen Hochschulkooperationen zu verzeichnen, auch mit Europa.

Die Hochschulen in Kambodscha konzentrieren sich vor allem auf Lehraufgaben, während die Forschung nur wenig betrieben wird. Das liegt vor allem auch daran, dass Hochschullehrende ihr niedriges Grundgehalt vor allem durch zusätzliche Unterrichtsstunden aufbessern (müssen).

Verfasser: Stefan Hase-Bergen, Leiter der Außenstelle Hanoi