Irak: Bildung und Wissenschaft

Studierende am Rednerpult ihrer Dozentin.

Inhalt

DAAD-Regionalinformationen
Hochschulzugang
Studienverlauf
Lehrpersonal
Forschungsaktivitäten
Hochschulministerium
Individuelle Beratung zu Wissenschaftskooperationen mit dem Irak
Für weitere Informationen

Im Irak ist grundsätzlich zwischen Zentral- und Südirak auf der einen, und der kurdischen Region im Nordirak auf der anderen Seite zu unterscheiden. Das DAAD-Büro befindet sich in der Region Kurdistan, die Sicherheitslage lässt Reisen in den Zentral- oder Südirak kaum zu. Die Angaben, die im Folgenden gemacht werden, beziehen sich somit – außer anderweitig angegeben – i.d.R. auf Kurdistan.

Es gibt im gesamten Irak staatliche und private Universitäten, darüber hinaus so genannte techn(olog)ische Institute. Polytechnische Universitäten gibt es in der Region Kurdistan erst seit wenigen Jahren. Kurdistan verfügt über 16 staatliche und 15 private Universitäten. Alle Universitäten bieten den klassischen Bachelor-Abschluss (4 Jahre) an; die etablierteren unter ihnen auch den Master-Abschluss (2 Jahre) und das PhD-Studium (4-5 Jahre). Diese etablierten Universitäten bieten ein breites Spektrum von Geistes-, Sozial- Naturwissenschafts- und Ingenieursstudiengängen an. Kleinere, neue Universitäten (wie etwa Halabja oder Garmiyan) haben nur eine sehr geringe Auswahl an Studiengängen.
Techn(olog)ische Institute bieten Studiengänge wie Ingenieurswissenschaften, Tourismus, Buchhandel, Informatik und Jura an. Die Zugangsbedingungen (Abiturnotendurchschnitt) sind deutlich niedriger als bei den Universitäten. Das Studium dauert nur zwei Jahre und schließt mit einem Diplom ab, das den Absolventen jedoch auf dem Arbeitsmarkt nur wenige Möglichkeiten bietet. Die besten Absolventen erhalten die Möglichkeit zur Universität zu wechseln und dort im gleichen oder verwandten Fachbereich ein Bachelorstudium zu beginnen.

Es gibt weitere Institute, ähnlich den deutschen Berufsschulen, an die man auch bereits nach Abschluss der 9. Klasse wechseln kann. Je nach Fach kann man nach drei bis fünf Jahren einen Abschluss (Diplom) in Bereichen wie Sport, Informatik, Landwirtschaft, Handel, Industriekaufmann/-frau erwerben. Der Abschluss ist mit dem deutschen Fachabitur zu vergleichen. Diese Institute sollen jedoch sukzessiv abgeschafft werden; sie sind dem Bildungsministerium unterstellt.
Außer den privaten Universitäten, die z.T. erhebliche Studiengebühren in Höhe von mehreren Tausend US-Dollar pro Studienjahr erheben, sind sämtliche Hochschulen frei von Studiengebühren.

Das Ausbildungsniveau insbesondere der kurdischen Schulen und Hochschulen ist noch relativ gering. Nach Jahrzehnten des Krieges und der Isolation arbeiten die Kurden nun seit zwei Jahrzehnten am Aufbau einer Infrastruktur in allen gesellschaftlichen Bereichen. Arabischkenntnisse sind in der Regel schwach, eigenständiges Lernen wird nicht vermittelt. Jedoch gibt es mittlerweile – vor allem auch private – Hochschulen, die sehr gute Absolventen hervorbringen. Die meisten solcher Absolventen sehen ihre Zukunft eher außerhalb des Irak/Kurdistan; bevorzugt wird das weiterbildende Studium im Ausland oder falls möglich natürlich auch die passende Arbeitsstelle. Kurdische Graduierte werden daher in den nächsten Jahren für deutsche Hochschulen immer interessanter werden. Das Ausbildungsniveau zentral- und südirakischer Graduierter ist im Vergleich oft etwas höher, die Sprachkenntnisse etwas besser – ein Überbleibsel des in früheren Zeiten sehr guten zentral- und südirakischen Bildungssystems.

Hochschulzugang

Es gibt sowohl in Kurdistan, als auch im Zentral- und Südirak ein zentrales Verteilungsverfahren nach Abiturnoten. Studiumsanwärter erstellen eine Wunschliste mit Studiengängen und Hochschulen, an denen sie gerne studieren möchten. Aus diesen Wünschen entsteht ein Ranking der nachgefragtesten Studiengänge und Hochschulen. Entsprechend des Abiturnotendurchschnitts eines jeden werden dann die Studienplätze verteilt – Schulabgänger mit den besten Noten erhalten einen Zugang zum Wunschstudiengang, schlechtere Absolventen müssen sich mit der Zuweisung zu ihrem Zweit- oder Drittwunsch zufriedengeben. Dieses System wird seit 2018 nur noch für die Studiengänge Recht, Medizin, Zahnmedizin, Pharmazie und Pflege/Gesundheitswesen gelten. Für alle anderen Studienbereiche wird die direkte Bewerbung zum Wunschstudiengang an der Wunschuniversität möglich sein. Die Studienanwärter müssten Zulassungsprüfungen an der Universität bestehen, um angenommen zu werden. Falls den Studienanwärtern bis zu fünf Notenprozente fehlen, so wird ab 2018 eine Möglichkeit vorhanden sein, diese Notenpunkte im „Parallelsystem“ zu erkaufen. Das gesamte Studium ist dann mit hohen Gebühren verbunden. Das Parallelsystem wird in Zukunft auch für alle internationalen Studierenden, somit leider auch für die syrischen Flüchtlinge zulässig, die sich in der kurdischen Region befinden. In Kurdistan ist ein Wechsel an eine andere Hochschule nach der Zuteilung an eine Universität nach dem ersten Studienjahr möglich, wenn die erlangte Durchschnittsnote nach dem ersten Studienjahr über 70% liegt. Von dieser Regel machen viele kurdische Studierende Gebrauch.

Das Ranking der Hochschulen ergibt sich aus der Nachfrage. Jedes Jahr wird – getrennt für Zentral- und Südirak auf der einen und Kurdistan auf der anderen Seite – ein neues Ranking erstellt. Das Ranking der nachgefragtesten Studiengänge und Hochschulen ändert sich von Jahr zu Jahr (leicht). Auf der kurdischen Seite sieht das aktuellste Ranking wie folgt aus: an erster Stelle ist die private Ishik University, gefolgt von der Universität Duhok und der American University Suleymani. Am schlechtesten schneidet die Universität von Halabja ab. Betrachtet man Zentral- und Südirak, so ist die University of Babylon seit mehreren Jahren am erfolgreichsten, gefolgt von der University of Mosul und der University of Baghdad. Hier ist an letzter Stelle die Al-Kafeel University in Najaf zu nennen.

Im Vergleich mit der Region Kurdistan sind die Notenanforderungen für einen Hochschulzugang im Zentral- und Südirak interessanterweise geringer. Ein Abiturient, der in Kurdistan den gewünschten Studiengang nicht erhält, hat durchaus Chancen, diesen in einer Universität im Zentral- oder Südirak zugeteilt zu bekommen. Umgekehrt akzeptieren die kurdischen Universitäten keine Hochschulwechsler aus dem Zentral- und Südirak.

Studienverlauf

Die Studienstufen sind im Prinzip recht klassisch: Zunächst absolviert man ein Bachelor-, dann ein Master-, und schließlich ein PhD-Studium. Der Übergang von Schule zu Hochschule ist nahtlos, i.d.R. beginnt man mit dem Studium eines vierjährigen Bachelors.Anwärter für ein Master-Studium müssen jedoch nach absolviertem Bachelor-Studium zunächst zwei Jahre als staatliche Angestellte arbeiten, d.h. entweder als sog. research assistants“ an der Universität oder als Angestellte in einem Ministerium. Für das Master-Studium bewirbt man sich direkt an der jeweiligen Universität, die z.T. zusätzliche Bedingungen auferlegen (Computer- oder Sprachzertifikate). Im Anschluss an den Master kann das PhD-Studium folgen. Stipendien von Hochschulministerium und Universitäten an PhD-Studenten sind keine Seltenheit. In der Regel sind MA- und vor allem PhD-Studierende auch in die Lehre an der Universität eingebunden, z.T. auch in Teilzeit dort angestellt.

Lehrpersonal

Das Gros der Dozenten hat lediglich einen Masterabschluss, immer mehr aber haben auch – z.T. im Ausland – promoviert. An den sehr jungen und kleinen Universitäten lehren auch Dozenten, die bisher nur einen Bachelor-Abschluss haben. Die meisten Dozenten sind sehr lehrunerfahren und haben kaum didaktische Kenntnisse. Die Hochschulen bemühen sich vermehrt um Fort- und Weiterbildungen für ihr Lehrpersonal, aber auch diese Angebote sind oft qualitativ zu bemängeln. Aufgrund des Mangels an qualitativ gut ausgebildetem Lehrpersonal, ist gut – und möglichst im Ausland – ausgebildetes Lehrpersonal an den Hochschulen, insbesondere in der Region Kurdistan, sehr gefragt.

Forschungsaktivitäten

Die Forschungsaktivitäten zumindest an den Universitäten in Kurdistan sind sehr überschaubar. Das Lehrpersonal an den Universitäten versteht sich i.d.R. lediglich als Dozenten und verfolgt oft keine eigenständigen Forschungsprojekte. Es gibt einige wenige Research Centers in Kurdistan, über deren Produktivität und genauen Aktivitäten jedoch kaum etwas bekannt ist. Das Middle Eastern Research Institute (MERI) ist ein unabhängiges Forschungsinstitut, das viele Bereiche in der Forschung deckt und auch recht transparent arbeitet.

Hochschulministerium

Das kurdische Hochschulministerium (Ministry of Higher Education, MHE) ist ein zentraler und mächtiger Akteur in der tertiären Bildung in Kurdistan. Universitäten haben wenig eigene Mittel zur Verfügung und sehr eingeschränkte Entscheidungsfreiheit. Das MHE greift stark in operative Prozesse ein (Anerkennung von Zeugnissen, Versetzungen von Studenten, Stipendienvergabe etc.). Wer im kurdischen Hochschulsektor agieren möchte, braucht das MHE als Partner an seiner Seite.

Verfasserinnen: Nora Sevbihiv Sinemillioglu, ehem. Leiterin des Informationszentrums Erbil und Jwan Khalis, Ortskraft am Informationszentrum Erbil

Der DAAD ist derzeit im Irak mit einem Informationszentrum in Erbil vertreten.