Nach Jahren der öffentlichen Diskreditierung der Wissenschaft unter Amtsvorgänger Donald Trump zieht mit Joe Biden ein „President for Science“ ins Weiße Haus ein. Nur wenige Tage vor dem DAAD-Expertengespräch hatte der neue US-Präsident seinen Beirat für Wissenschaft und Technologie unter der Leitung des Genetikers Eric Lander von der Harvard University nominiert, dessen Position zudem erstmals Kabinettsrang erhalten wird.
Als ermutigendes Signal wertet DAAD-Präsident Joybrato Mukherjee darüber hinaus, dass der designierte Bildungsminister Miguel Cardona die großen Herausforderungen bei der Bildungsgerechtigkeit im Land, aber auch bei der Mobilität internationaler Studierender sehr engagiert angehen will.
Auch Benedikt Brisch, Leiter der DAAD-Außenstelle und des Deutschen Wissenschafts- und Innovationshauses (DWIH) in New York, ist zuversichtlich, dass das unter Trump erschütterte Vertrauen in die Stabilität der transatlantischen Wissenschaftsbeziehungen rasch überwunden werden kann: „Die USA sind weiterhin ein Spitzenwissenschaftsstandort und ein sehr dynamisches Land. Die Bedeutung von Wissenschaft und internationaler Zusammenarbeit wird in den kommenden Jahren rasant steigen.“ Der DAAD sei geradezu überrascht, wie stark die Nachfrage unter deutschen Studierenden und Nachwuchswissenschaftler*innen – nach vorübergehend rückläufigen Tendenzen – aktuell wieder steigt. Ein noch unerschöpftes Potenzial für den bilateralen akademischen Austausch sieht Brisch vor allem in der Vielfalt des US-amerikanischen Hochschulsystems mit seinen rund 4.500 tertiären Bildungseinrichtungen. Er empfiehlt daher nachdrücklich, sich nicht allein auf die aus internationalen Rankings bekannten Top-Universitäten des Landes zu fokussieren.
Aus dem per Chat an der Diskussion teilnehmenden Publikum kam mehrfach die Frage auf, welche Anreize zu erwarten seien, um umgekehrt auch das Interesse amerikanischer Studierender an Deutschland zu steigern. Digitale Austauschformate, wie sie das 2020 vom DAAD neu aufgelegte Programm „International Virtual Academic Cooperation“ (IVAC) bieten, können hier einen bedeutenden Beitrag leisten, um die international generell weniger mobilen US-Studierenden auf den Aufenthalt an einer deutschen Partnerhochschule vorzubereiten. „Überdies müssen wir den Rückenwind einer wissenschaftsaffinen US-Regierung nutzen, um gemeinsame neue Austauschprogramme mit den USA auf den Weg zu bringen.“ Für den DAAD-Präsidenten gebe es keine Garantie für Deutschland und Europa, dass wir in vier Jahren nicht Trump 2.0 erleben, daher sei es umso wichtiger, dass wir die deutsch-amerikanische Zusammenarbeit in Wissenschaft und Hochschule auf eine breitere Basis stellen.
Jeff Rathke, Präsident des vom DAAD geförderten American Institute for Contemporary German Studies (AICGS) an der Johns Hopkins University in Washington D.C., sprach sich in diesem Zusammenhang dafür aus, die in den USA aktuell wieder steigende Bereitschaft für internationale Hochschulkooperation aufzugreifen und den US-Partnern von deutscher Seite aus neue Programminitiativen vorzuschlagen. Die Chancen für deren Umsetzung seien momentan besonders günstig.
Als äußerst vielversprechend bezeichnete es Thomas Boving, Umwelthydrologe von der University of Rhode Island, überdies, die Kompetenz deutscher und amerikanischer Wissenschaft zusammenzubringen, um globale Herausforderungen wie den Klimawandel gemeinsam anzugehen. Dass internationale Zusammenarbeit gerade bei diesem globalen Thema für den neuen US-Präsidenten besondere Priorität genießt, bekräftigt auch Joann Halpern, Direktorin des New Yorker Hasso-Plattner-Instituts: „Biden hat mit John Kerry einen Experten ins Boot geholt, der auch Außenpolitik betreiben kann. Der Präsident wird Austausch mit anderen Ländern fordern und fördern.“
Christian Martin, Inhaber des Max-Weber-Lehrstuhls an der New York University, plädierte insbesondere auch angesichts das westliche Modell herausfordernder Systeme wie China und Russland für ein klares Bekenntnis zu gemeinsamen Werten.