Kanada: Bildung und Wissenschaft

Studierende am Rednerpult ihrer Dozentin.

In Kanada gibt es 148 öffentliche und private Universitäten und University Colleges sowie 232 öffentliche und private Colleges und Polytechniques (CAUT Almanac of Post-Secondary Education 2019). Neben Volluniversitäten mit grundständigen (Bachelor) und weiterführenden (Master) Studiengängen sowie Doktorandenprogrammen gibt es auch Universitäten, die primär Abschlüsse bis zum Bachelor anbieten. Colleges bieten vorrangig zweijährige berufsbezogene Abschlüsse (Diploma, Certificate) an und führen nur wenige Studiengänge bis zum Bachelor durch. Meist sind daher nur einzelne Studiengänge der Colleges in Deutschland als Hochschulbildung anerkannt. Hier gibt es allerdings in den letzten Jahren Bewegung: Es werden mehr und mehr kombinierte Studiengänge gemeinsam von Colleges und Universitäten angeboten, in der angewandten Forschung sind einige Colleges führend.

Für die Hochschulbildung sind die Provinzen zuständig. In den meisten Provinzen erfolgt die Hochschulzulassung direkt nach dem Abschluss der zwölfjährigen High School und das grundständige Studium dauert in der Regel vier Jahre. In Québec endet die Sekundarschule bereits nach elf Jahren, darauf folgt das zweijährige Collège d’enseignement général et professionnel (Cégep), ein universitäts- und berufsvorbereitendes College. Da der Besuch eines Cégeps für die Zulassung zur Universität in Québec vorgeschrieben ist, sind in dieser Provinz dreijährige Bachelorprogramme die Norm.

Das Studienjahr in Kanada gliedert sich in zwei Semester. Das Herbstsemester beginnt meist in der ersten Septemberwoche, Unterrichtsende ist in der Regel Anfang Dezember. Es folgen Prüfungen bis kurz vor Weihnachten. Das Wintersemester (auch „spring term“ genannt) beginnt im Januar, die Vorlesungszeit endet Anfang April und die Prüfungszeit dauert bis Ende April. Zusätzliche Lehrveranstaltungen sowie Sommerschulen werden im „summer term“ zwischen Mai und August angeboten.

Bei den Masterstudiengängen werden forschungs- und praxisorientierte Studiengänge unterschieden. In den forschungsorientierten Programmen ist ein Übergang in ein Doktorandenprogramm möglich. Die Übergänge zwischen Master- und Doktorandenprogrammen als Teil der „graduate studies“ sind fließender als in Deutschland und die Programme sind häufig sehr klein. Doktoranden erhalten mit ihrer Zulassung meist eine Zusage für ein „funding package“ über vier bis fünf Jahre. Die Förderung besteht in der Regel aus Gebührenreduzierung, Stellen als „research“ oder „teaching assistant“ und einem Stipendium.

Die meisten kanadischen High School-Abschlüsse reichen für einen direkten Hochschulzugang in Deutschland nicht aus. Die High School dauert in allen Provinzen außer Québec zwölf Jahre (in Québec elf Jahre). In der Regel muss entweder ein Studienjahr im Heimatland absolviert oder die Feststellungsprüfung (Studienkolleg) abgelegt werden, um ein grundständiges Studium an einer deutschen Hochschule aufzunehmen. Nur in Ontario kann mit bestimmten Fächerkombinationen und einer ausreichenden Zahl von universitätsvorbereitenden Kursen der direkte Hochschulzugang erreicht werden. Gleiches gilt für das International Baccalaureat, das an über 140 Schulen in Kanada angeboten wird.

Für Québec gilt die Sonderregelung, dass nach dem Schulabschluss eine zweijährige Vorbereitung auf die Universität an einem Cégep folgt. Der Abschluss des Cégep berechtigt bei erfolgreichem Abschluss von 24 bis 28 Kursen zum direkten Hochschulzugang. Der kanadische Bachelorabschluss wird in der Regel für die Zulassung zu deutschen Masterprogrammen akzeptiert (Anabin: Ausländische Bildungsabschlüsse).

Öffentliche Hochschulen erhalten eine Grundfinanzierung durch die jeweilige Provinzregierung und generieren weitere Einnahmen durch Studiengebühren, Forschungsmittel, Sponsoring und Spenden. Im akademischen Jahr 2016/2017 kamen etwa 46 Prozent der Ausgaben für den tertirären Bildungssektor aus öffentlicher Hand; etwa 54 Prozent stammten aus nicht-öffentlichen Quellen (der OECD-Durchschnitt lag hier 2016 bei 32 Prozent), darin eingeschlossen sind rund 27 Prozent von privaten Haushalten, etwa für Studiengebühren (Statistics Canada, OECD Education at a Glance 2019). Die kanadischen Universitäten sind damit nicht mehr vorwiegend staatlich finanziert, sondern zunehmend abhängig von Drittmitteln und Studiengebühren.

Die Gebührenhöhe unterscheidet sich je nach Provinz, Universität und Fachrichtung. Außerdem werden verschiedene Sätze fällig für Studierende aus der Heimatprovinz, aus anderen kanadischen Provinzen und aus dem Ausland. Die durchschnittlichen Studiengebühren für kanadische Vollzeit-Studierende in grundständigen Programmen im Jahr 2019/2020 betrugen 6.463 kanadische Dollar und für Graduiertenprogramme (MA, PhD) 7.056 kanadische Dollar.

Die höchsten Gebühren werden für medizinische Fächer und Jura erhoben, die niedrigsten für Geistes- und Sozialwissenschaften. Unter den kanadischen Provinzen erheben Universitäten in Ontario die höchsten und Newfoundland und Labrador die nierdigsten Studiengebühren. Internationale Studierende zahlen 2018/2019 deutlich höhere Gebühren, durchschnittlich 27.159 kanadische Dollar (undergraduate) beziehungsweise 16.497 kanadische Dollar (graduate) pro Studienjahr und leisten bei abnehmender staatlicher Finanzierung einen immer bedeutenderen Beitrag zum Gesamtbudget der Hochschulen (Statistics Canada). Detaillierte Auskunft über Studiengebühren, aufgeschlüsselt nach Universitäten und Herkunft der Studierenden, gibt die Webseite von Universities Canada.

Forschung und Innovation sind in Kanada hauptsächlich an den Hochschulen verortet, während außeruniversitäre Forschungseinrichtungen und die Industrie eine geringere Rolle spielen. Ein wichtiges Merkmal kanadischer Universitäten ist die enge Verbindung von Forschung und Lehre. Als „U15“ haben sich besonders forschungsstarke Universitäten zusammengeschlossen. Anwendungsorientierte Forschung findet häufig auch an den kanadischen Colleges und Polytechniques statt (CIC). Drittmittel für Forschung können bei den drei nationalen Förderorganisationen – Natural Sciences and Engineering Research Council (NSERC), Social Sciences and Humanities Research Council (SSHRC) und Canadian Institutes of Health Research (CIHR) – eingeworben werden. Die nationale Forschungsstrategie Kanadas hebt Umwelt- und Agrarwissenschaften, Rohstoffe und Energie, Gesundheitswissenschaften, Informations- und Kommunikationswissenschaften sowie Produktionstechnik als Schwerpunkte hervor.

Die Regierung Trudeau hat eine Studie zur Grundlagenforschung in Auftrag gegeben (Fundamental Science Review, auch „Naylor Report“ genannt), die einen deutlichen Anstieg der Mittel insbesondere für die Grundlagenforschung empfohlen hat. In der Folge wurden die Zuwendungen für die drei oben genannten großen nationalen Förderorganisationen stark erhöht, außerdem wurden Innovations- und Infrastrukturprogramme aufgelegt. Der 2017 vorgestellte „Innovation and Skills Plan“ und die für Kanada historische Investition von 1,7 Mrd. kanadischen Dollar für Wissenschafts- und Innovationsförderung im Haushaltsbudget von 2018 verdeutlichen den hohen Stellenwert der Forschung für die liberale Regierung. Der neu aufgelegte Gemeinschaftsfond „New Frontiers in Research Fund“ unter der Federführung des SSHRC ist ein Beispiel für diese neue Förderinitiative und soll besonders internationale, interdisziplinäre und risikoreiche Grundlagenforschung sowie Nachwuchswissenschaftlerinnen und Nachwuchswissenschaftler unterstützen.

Das Canada Research Chair-Programm erhielt ebenfalls zusätzliche Finanzmittel, um die bestehenden Professuren besser auszustatten und bis 2021 ungefähr 250 zusätzliche Professuren einzurichten. Ein besonderes Augenmerk liegt hier auf der Förderung von Nachwuchswissenschaftlern sowie Frauen und Minderheiten, um die Diversität der kanadischen Gesellschaft auch in Wissenschaft und Forschung abzubilden. Weiterhin schaffte das Canada Excellence Research Chair-Programm acht neue Professuren für Spitzenforschung und fördert ebenfalls Diversität mit der Vergabe von fünf der acht Lehrstühle an Frauen, die in ihrem Forschungsgebiet weltweit führend sind.

Verfasserin: Dr. Nicola Vöhringer, ehem. Leiterin des DAAD-Informationszentrums Toronto

Der DAAD ist in Kanada mit einem Informationszentrum in Toronto mit Sitz in der Munk School of Global Affairs an der University of Toronto vertreten.