Partner Afrika: Kooperationen weiterdenken

Afrika war und ist ein wichtiger Partner für den DAAD. Angesichts der aktuellen geopolitischen Verschiebungen stellt sich die Frage, wie Kooperationen in Zukunft neu gedacht werden können und müssen. Die Konferenz „Co-Creating Knowledge: Africa and the G7+“ in Berlin suchte nach Antworten.
Die Welt befindet sich im Umbruch. Geopolitische Spannungen, wirtschaftliche Unsicherheiten und ein zunehmendes Infragestellen der bestehenden internationalen Ordnung prägen das globale Geschehen. In diesem Kontext trafen sich Vertreter afrikanischer und G7+-Länder in Berlin, um über die Zukunft der Hochschulkooperation zu diskutieren. Im Mittelpunkt stand die Frage, wie gleichberechtigte Partnerschaften und gemeinsame Verantwortung in der akademischen Zusammenarbeit gestaltet werden können.
Kai Sicks, Generalsekretär des DAAD, betonte die lange Geschichte der Zusammenarbeit, rief aber zugleich zu einer Weiterentwicklung auf. Der DAAD habe sich bewusst dafür entschieden, über den europäischen Tellerrand hinauszuschauen und den Fokus auf Afrika zu legen. „Afrika ist Europas Nachbarkontinent und war lange ein enger Kooperationspartner.“ Die Frage laute nun: „Wie können wir diese Verbindungen weiter stärken und zu resilienteren Partnerschaften entwickeln?“ Sicks verwies auf Formate wie „Leadership for Africa“ oder Projekte im Bereich der SDGs, die immer auch darauf zielen, die Arbeitsmarktchancen junger Talente in afrikanischen Ländern zu verbessern – doch auch hier bleibe die ständige Prüfung, „ob diese Angebote wirklich dem gegenseitigen Nutzen dienen“ und wie man mit neuen Prioritäten und Bedarfen umgehe.
Hochschulkooperation in einer fragmentierten Weltordnung
Dr. Serwah Prempeh, Senior Fellow am Berliner Thinktank Africa Policy Research Institute (APRI) setzte in ihrer Keynote den geopolitischen Rahmen: „Die liberale internationale Ordnung wird an vielen Fronten infrage gestellt. Der Aufstieg Chinas, die Remilitarisierung Europas durch den Ukrainekrieg, die strategischen Umschichtungen im Nahen Osten – all das verändert auch das Kooperationsumfeld für Hochschulen.“ Hochschulbildung bleibe ein geostrategisches Instrument: „Ein günstiges, aber wirkungsvolles Mittel, um Einfluss zu sichern, Märkte zu stabilisieren und Eliten zu prägen.“
Gleichzeitig sei ein globaler Wettbewerb um Afrikas Aufmerksamkeit im Gange. Während sich G7-Staaten teils aus entwicklungspolitischen Engagements zurückzögen, träten andere Akteure mit pragmatischen Angeboten auf – weniger paternalistisch, weniger bürokratisch. „Afrikanische Akteure haben heute mehr Auswahl – und sie nutzen sie“, so Prempeh. Diese Multipolarität sei kein Risiko, sondern Chance: „Wie schaffen wir es, einladende, nicht bevormundende Partnerschaftsnarrative zu entwickeln, die unsere Verantwortung anerkennen, ohne koloniale Deutungsmuster zu reproduzieren?“
Flexible Strukturen, langfristige Horizonte
Antworten versuchte unter anderem die von Michael Harms, stellvertretender DAAD-Generalsekretär, moderierte Panel-Diskussion zum Thema „Local, regional, global solutions? Setting a joint agenda in African scientific cooperation“ zu geben. Als Hauptherausforderungen wurden kurzfristige Projektzyklen, rigide Bürokratie und asymmetrische Entscheidungswege genannt. Anna Maria Nhampule, Vize-Rektorin der Universidade Joaquim Chissano, Mozambik, brachte es auf den Punkt: „Zu oft ist ein Projekt mit dem Geld zu Ende – mitsamt seinem Wissen, seinen Prozessen, seinen Menschen.“ Was fehle, sei ein gemeinsames institutionelles Gedächtnis, eine strategische Verankerung der Partnerschaften auf Augenhöhe. Oder, wie sie es formulierte: „Wenn wir unser Mindset nicht ändern, diskutieren wir – aber machen trotzdem weiter wie bisher.“
Auch aus Perspektive der Förderinstitutionen wurde Selbstkritik laut. Gro Tjore, Präsidentin der Academic Cooperation Association und stellvertretende Direktorin des Norwegian Directorate for Higher Education and Skills (HK-DIR Norway), plädierte für eine neue Art von Bürokratie: „Bürokratie soll demokratisch, transparent, zugänglich sein – nicht belastend.“ Digitale Tools böten inzwischen alle Möglichkeiten zur Ko-Kreation in Echtzeit – auch über Kontinente hinweg. Wichtig sei, dass Förderformate „nicht mehr vom Geist des Capacity Building allein“ geprägt seien, sondern vom „gegenseitigen akademischen Interesse“ und der Komplementarität beider Seiten. Maddalaine Ansell, Director Education beim British Council, ergänzte: „Wenn eine Seite mehr Geld einbringt, müssen wir trotzdem sicherstellen, dass Leitung und strategische Kontrolle geteilt sind.“ Auch in der Verwertung von Ergebnissen sei Fairness gefragt: „Zu viele Publikationen aus internationalen Projekten tragen am Ende nur den Namen der G7-Partner – das ist nicht akzeptabel.“
Strategischer Realismus
Wenn afrikanische Universitäten heute nicht mehr primär nach Europa blicken, sondern ebenso nach China, Indien oder die Golfregion – was bedeutet das für Europas Rolle? Ansell warb für strategischen Realismus: „Wir müssen uns so stark mit unseren Partnern verflechten, dass der Weg zurück schwieriger ist als der Weg nach vorn. Und wir müssen jungen Forscherinnen und Forschern zeigen, dass es einfacher ist, mit uns zusammenzuarbeiten als mit China.“
„Afrikanische Regierungen und Institutionen müssen in Wissensproduktion investieren“

„Echte internationale Zusammenarbeit in der Hochschulbildung muss auf Gerechtigkeit beruhen. Für uns in Afrika bedeutet dies, dass die auf dem Kontinent durchgeführte Forschung – unabhängig davon, ob sie aus dem Globalen Norden oder anderswo finanziert wird – auf die afrikanischen Bedürfnisse und Prioritäten eingehen sollte. Sie sollte für afrikanische Probleme relevant sein und nicht nur für den Zweck oder die Wünsche des Nordens forschen.
Es ist von entscheidender Bedeutung, dass unsere Regierungen und Institutionen Verantwortung übernehmen, indem sie in die Wissensproduktion investieren. Aber wir müssen noch weiter gehen: Anstatt die Abwanderung von Fachkräften zu beklagen, müssen wir die Zirkulation von Fachkräften fördern. Die afrikanische Diaspora stellt ein enormes Reservoir an Fachwissen dar, und wir müssen nachhaltige Mechanismen – wie virtuelle Lehre, Modelle der gemeinsamen Betreuung und Online-Fakultäten – schaffen, die es Wissenschaftlern im Ausland ermöglichen, einen sinnvollen Beitrag zu afrikanischen Universitäten zu leisten, wo immer sie sich befinden.
Ebenso wichtig ist die Notwendigkeit, die Süd-Süd-Zusammenarbeit zu intensivieren. Zu lange haben afrikanische Forscher vor allem im Norden nach Partnern gesucht. Heute müssen wir auch die innerafrikanische Zusammenarbeit fördern und starke Forschungsökosysteme innerhalb des Globalen Südens aufbauen. Ich lobe den DAAD nicht nur für seine historische Unterstützung – von der ich persönlich als Doktorand profitiert habe – sondern auch für seine Bereitschaft, kritisch über die Zukunft nachzudenken. Veranstaltungen wie diese tragen dazu bei, ein wirklich wechselseitiges Modell des globalen akademischen Austauschs neu zu entwerfen.“
„Studierende und Wissenschaftler sind Multiplikatoren für Innovation, Dialog und kritisches Denken“

„Bei Campus France sind wir der Meinung, dass akademische Mobilität als Mittel zur gegenseitigen Entwicklung dienen sollte und nicht als einseitiger Talentabfluss. Brain Circulation, oder ‚Brain Care‘, wie ich es nennen würde, muss durch langfristige, gleichberechtigte Partnerschaften unterstützt werden - Programme, die afrikanische Forschende mit Kolleginnen und Kollegen in Frankreich verbinden und gleichzeitig sicherstellen, dass Fähigkeiten und Wissen zurückfließen und den lokalen Einrichtungen zugutekommen. 52 Prozent unserer internationalen Studierenden in Frankreich kommen vom afrikanischen Kontinent. Deshalb investieren wir in das Engagement unserer Alumni, in den Aufbau von Kapazitäten und in Initiativen wie ‚Partnership for Economic Policy‘ (PEAP) und ‚Make Our Planet Great Again‘, die Forschung finanzieren, die direkt auf die Bedürfnisse der afrikanischen Länder ausgerichtet ist. Unser Frankreich-Alumni-Tag, der in vielen afrikanischen Ländern gefeiert wird, trägt dazu bei, die Beziehungen über den Studienabschluss hinaus zu stärken und dauerhafte Netze der Zusammenarbeit, wirtschaftliche Verbindungen und kulturelles Verständnis zu fördern.
Wir müssen uns aber auch mit den politischen Realitäten in Europa auseinandersetzen. Angesichts der wachsenden demografischen und forschungspolitischen Herausforderungen in Europa müssen wir weiterhin Talente willkommen heißen und gleichzeitig die Ambitionen unserer Partner respektieren. Die Zukunft der globalen Hochschulbildung hängt von unserer Fähigkeit ab, Systeme zu schaffen, die fair sind, auf Gegenseitigkeit beruhen und auf Vertrauen basieren. Studierende und Wissenschaftler sind keine Last, sie sind Multiplikatoren für Innovation, Dialog und kritisches Denken. Und der Mehrwert solcher Partnerschaften lässt sich nicht nur in wirtschaftlicher Hinsicht messen –
sie bauen Brücken, fördern den Frieden und unterstützen das Bewusstsein einer globalen Bürgerschaft.“
„Es gibt immer noch sehr gute wirtschaftliche Argumente für Regierungen, in internationale Partnerschaften zu investieren“

„Bei gleichberechtigten internationalen Partnerschaften geht es nicht nur um Ressourcen, sondern um Beziehungen, die auf Vertrauen, Empathie und gemeinsamen strategischen Zielen beruhen. Bevor eine Zusammenarbeit beginnt, müssen sich die Partner respektvoll austauschen und sicherstellen, dass das Projekt das widerspiegelt, was jede Seite zu erreichen hofft. Allzu oft dominieren die finanziell besser ausgestatteten Institutionen. Es bedarf kreativen Mutes, um diese Dynamik zu verändern und die Ressourcen so zu kanalisieren, dass sie auch den Ambitionen der weniger mächtigen Partner dienen. Dazu gehören eine gleichberechtigte Führung, eine faire Anerkennung der intellektuellen Beiträge und eine echte Mitgestaltung.
Aber Partnerschaften sind nicht nur technisch, sondern auch emotional. Die Menschen haben ein tiefes Bedürfnis, sich geschätzt und respektiert zu fühlen, und vielleicht ist dies etwas, das bisher nicht richtig erkannt wurde. Die Ungleichgewichte der Vergangenheit wirken also noch nach. Gefühle der Frustration müssen anerkannt werden, wenn wir gegenseitigen Respekt aufbauen und vorankommen wollen. Spitzenleistungen allein reichen nicht aus; die Menschen müssen sich wertgeschätzt fühlen. Governance-Modelle, die Miteigentum einschließen, wie die Arbeit des British Council zum Aufbau von Kapazitäten in Pakistan, bieten hilfreiche Ansätze.
Es gibt immer noch sehr gute wirtschaftliche Argumente für Regierungen, in internationale Partnerschaften zu investieren. Sie sehen, dass die Vorteile über die unmittelbare Zusammenarbeit zwischen den einzelnen Institutionen hinausgehen. Aber um die langfristige Nachhaltigkeit zu gewährleisten, müssen wir auch über die staatliche Finanzierung hinausdenken – so wichtig sie auch ist. Die Diversifizierung der Unterstützung durch Philanthropie und Industrie kann für Stabilität sorgen, muss aber mit Vorsicht gehandhabt werden, um die akademische Integrität zu schützen. Ich denke, das ist die Grenze, auf der man sich bewegen muss – idealistisch, aber auch gleichzeitig pragmatisch.“
„Echte Gleichberechtigung bedeutet gemeinsame Ziele, gegenseitigen Respekt und klare Verpflichtungen“

„Die digitale Transformation ist nicht länger optional - sie ist unerlässlich. An der Universität von Ghana haben wir eine ehrgeizige Digitalisierungsagenda gestartet, darunter die Initiative ‚Ein Student, ein Laptop‘, um alle unsere Absolventen mit den Fähigkeiten auszustatten, die sie benötigen, um sich unabhängig von ihrem Fachgebiet weltweit zu behaupten. Unsere Schülerinnen und Schüler lernen, sich zu digitalen Bürgern zu entwickeln, die auf ein Leben nach der Schule vorbereitet sind.
Aber der Wandel ist nicht nur technologischer, sondern auch kultureller Natur. Als stellvertretende Vorsitzende der African Research Universities Alliance sehe ich, wie kontinentübergreifende Forschungspartnerschaften erfolgreich sind, wenn wir von Anfang an gemeinsam Wissen schaffen. Gleichberechtigte Partnerschaften sollten afrikanische Wissenssysteme als legitim anerkennen und unsere Institutionen nicht als bloße Datenquellen behandeln. Die Forschungsergebnisse – Ideen, Daten, geistiges Eigentum – müssen fair und transparent geteilt werden. Dazu gehört auch die Achtung von Identität, kulturellen Unterschieden und indigenen Wissenssystemen.
Echte Gleichberechtigung bedeutet gemeinsame Ziele, gegenseitigen Respekt und klare Verpflichtungen. Sie erfordert auch emotionale Intelligenz – die Wertschätzung von Vertrauen, die Anerkennung von früheren Ungleichgewichten und der gelebten Realität der Zusammenarbeit. Wenn diese Werte von Anfang an verankert sind, stehen die Chancen gut, nicht nur gemeinsam Forschung zu betreiben, sondern dauerhafte, transformative Partnerschaften aufzubauen.“
Text und Protokolle: Klaus Lüber (20. Mai 2025)