Wissenschaftskommunikation im globalen Fokus

Von der Bekämpfung von Desinformation bis zur Förderung von MINT-Fächern: Ein Webseminar des DIES-Programms von DAAD und Hochschulrektorenkonferenz (HRK) mit dem Titel „Effektive Wissenschaftskommunikation: Innovative Ansätze, Perspektiven auf Politik und globale Trends“ machte so vielfältige Aufgaben wie Perspektiven deutlich. DIES wird aus Mitteln des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) finanziert.
DIES steht für „Dialogue on Innovative Higher Education Strategies“ und ist ein Programm, mit dem DAAD und HRK gemeinsam die Hochschulbildung und -verwaltung im Globalen Süden fördern. In der letzten Aprilwoche stand das Thema Wissenschaftskommunikation auf dem Programm. Rund 100 Hochschulvertreterinnen und -vertreter saßen, in Quito und Surabaya ebenso wie im kurdischen Erbil, im iranischen Shiraz, in Harare in Simbabwe und vielen weiteren Orten, an ihren Bildschirmen.
Tobias Wolf, Leiter des Referats Partnerschaftsprogramme, Alumniprojekte und Hochschulmanagement in der Entwicklungszusammenarbeit im DAAD, betonte zur Begrüßung die zentrale Aufgabe von Wissenschaftskommunikation in einer sich rasant wandelnden Welt. „Sie kann dazu beitragen, die Kluft zwischen Öffentlichkeit, Wissenschaft und politischen Entscheidungsträgern zu schließen“, erklärte er. Auch das Vertrauen in die Wissenschaft zu stärken sei zentral.
Resilienz gegenüber Fehlinformationen
In Zeiten von Polarisierung, vorgetäuschten Wahrheiten und durch KI manipulierten Realitäten gewinnen all diese Aufgaben erst recht an Dringlichkeit. Dr. Patrick Honecker, Chief Communication Officer der TU Darmstadt, forderte in seiner Keynote einen „Paradigmenwechsel“: weg von reiner Informationsvermittlung, hin zur Stärkung der Resilienz gegenüber Fehlinformationen. Er lobte Empfehlungen zur erfolgreichen Kommunikation wissenschaftlicher Ergebnisse, wie sie von HRK und Wissenschaftsrat in Deutschland veröffentlicht wurden, und wertete die Nennung von Wissenschaftskommunikation im Koalitionsvertrag der neuen Regierung als gutes Zeichen.
An dieser Stelle wurde jedoch schnell deutlich: So ein Standpunkt hängt vom jeweiligen Standort ab, und vor allem der herrschenden Politik im Land. Während Honeckers Analyse breite Zustimmung fand, stieß seine Forderung nach mehr Regeln auf Skepsis. Ein Teilnehmer aus dem südlichen Afrika warnte: „In Ländern mit langjährigen Einparteienregierungen kann die Kontrolle von Informationen schnell missbraucht werden. Denn wer kontrolliert die Regierenden?“
Umgang mit Künstlicher Intelligenz lernen
Die Herausforderungen im Umgang mit KI stellten sich hingegen als weltweit ähnlich dar. Studierende weltweit nutzen ChatGPT und ähnliche Plattformen; wie dies zu bewerten sei, ist unklar. Eine Teilnehmerin schrieb treffend im Chat: „Wie erreichen wir, dass Studierende ihre Hirne statt Roboter nutzen?“
Dr. Faith Mugisha Ahabyoona von der Cavendish University in Kampala/Uganda plädierte dafür, den verantwortungsvollen und effektiven Umgang mit KI gezielt zu lehren. Die Dekanin der dortigen wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät hob auch Vorteile des technologischen Fortschritts hervor: Video-Vorlesungen erleichterten nicht nur das Distanzlernen, sondern ermöglichten auch eine bessere Verifikation von Quellen. Sie betonte auch, wie wichtig es sei, dass Studierende lernen, effektiv über ihr Fachgebiet zu kommunizieren – eine wichtige Fähigkeit, insbesondere angesichts der hohen Jugendarbeitslosigkeit in Uganda. Die Universität vernetze sie regelmäßig mit relevanten Stakeholdern – ein weiterer wichtiger Aspekt von Wissenschaftskommunikation.
Wissenschaftler müssen ihre Sprache und Darstellungen so anpassen, dass sie verstanden werden.
Dr. Romina Carrasco Zuffi, Universidad de las Américas, Quito (Ecuador)
Dr. Romina Carrasco Zuffi von der Universidad de las Américas in Quito lenkte den Fokus weg von der virtuellen Welt: „Forschung muss echte Menschen treffen, dort, wo sie sind.“ Die Dekanin der Fakultät für Kommunikationswissenschaften und AV-Medien stellte ein Projekt auf den Galápagos-Inseln vor, in dessen Rahmen Studierende Feldforschung durchführten, um zu verstehen, wie Besucher ein Meeresökosystemmuseum erleben. Dazu gehörten die Beobachtung von Besucherinteraktionen mit textlastigen Exponaten, die Befragung von Familien zur Zugänglichkeit und – zum Verständnis des wissenschaftlichen Kontextes – Gespräche mit Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern der Charles Darwin Research Station. Die Ergebnisse zeigten, dass die Meereswelt-Ausstellung für Kinder und Familien weitgehend unzugänglich ist. Ihre Schlussfolgerung: „Wissenschaftler müssen ihre Sprache und Darstellungen so anpassen, dass sie verstanden werden.“ Lokale Kontakte seien zudem wichtig, um urbane Studien mit der Realität vor Ort abzugleichen, etwa bei der Wasser- und Stromversorgung in ländlichen Regionen. Carrasco Zuffi betonte: „So ein Realitätscheck beugt Fehlinformationen vor und fördert kritisches Denken.“
Mangel an MINT-Fachkräften
Professor Vu Hoang Linh von der VNU University of Science in Hanoi beschrieb das auch in Deutschland bekannte Problem, zu wenige Studierende für Mathematik und andere MINT-Fächer zu gewinnen. Als Rektor und Präsident der Vietnam Mathematical Society setzt er auf Mathematik-Vorlesungen für Schülerinnen und Schüler sowie auf Mathematik- und Wissenschaftsfestivals. Öffentliche Vorlesungen zum Studienjahresende seien ebenfalls fest etabliert. Der Beruf des Science Communicator hingegen sei in Vietnam noch unbekannt; diese Aufgaben übernähmen – ehemalige – Journalisten.
Bewältigung von Naturkatastrophen
Einig war man sich, wie wichtig die Zusammenarbeit von Wissenschaft, Kommunikationsexperten und Medien in Naturkatastrophen ist, wie sie im Globalen Süden immer häufiger werden. Vu Hoang Linh berichtete von Workshops nach schweren Erdrutschen in Nordwestvietnam, in denen Forschende und Medienvertreter gemeinsam überlegten, wie sie der Bevölkerung Handlungsempfehlungen vermitteln können: „In so einer Lage braucht es klare, leicht verständliche Informationen.“ Romina Carrasco Zuffi ergänzte: „Wissenschaftler haben das Wissen; um es in einfache Empfehlungen zu übersetzen, benötigen sie Unterstützung.“ Als 2024 tagelang Wälder brannten und die Luft für die Menschen kaum noch zu atmen war, zeigte die enge Kooperation zwischen Forschenden, Medien und Kommunikationsexperten in Ecuadors Hauptstadt Quito zudem, wie wichtig es ist, Wissen über Fachpublikationen hinaus zu kommunizieren: „Es nützt nichts, wenn etwas nur in einem Paper steht.“
Jeannette Goddar (14. Mai 2025)