Von Berkeley bis Tokyo: Forschen an den Top-Instituten für KI und Informatik

Das DAAD-Programm Internationale Forschungsaufenthalte für Informatikerinnen und Informatiker (IFI) startete mit einer Kooperation mit dem International Computer Science Institute (ICSI) an der University of California, Berkeley.

Das DAAD-Nachwuchsprogramm für Künstliche Intelligenz und Informatik (IFI) wurde erfolgreich verlängert und in seinen Stipendienleistungen erweitert. Es soll nun noch mehr Postdocs und Promovierenden forschungsorientierte Auslandsaufenthalte ermöglichen. 

Wer Daten auswerten möchte, sollte auch verstehen, wie sie erhoben werden. Das findet jedenfalls Vanessa Süßle, Doktorandin an der Hochschule Darmstadt. In ihrer Promotion befasst sich die Data-Expertin mit der automatischen Auswertung von Kamerafallen. Diese werden von Biologinnen und Biologen aufgestellt, um zum Beispiel die Biodiversität zu erfassen – egal ob im Regenwald oder im Stadtpark um die Ecke. Um ein besseres Gefühl für die Wildlife-Daten zu bekommen, verbrachte Süßle zwei Monate am Ecology Lab der University of KwaZulu-Natal in Südafrika. Ermöglicht wurde ihr Aufenthalt durch ein Stipendium im Rahmen des DAAD-Programms Internationale Forschungsaufenthalte für Informatikerinnen und Informatiker (IFI). IFI wird aus Mitteln des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) finanziert.

„Das Wildlife Monitoring ist eine interdisziplinäre Arbeit. Für mich als Data Scientist ist der Einblick in die Feldarbeit wichtig, um die Datenerhebung und die manuelle Auswertung besser zu verstehen“, sagt sie. Zum Beispiel erfahre man so aus erster Hand von den Tücken und Hürden der täglichen Feldforschung – etwa unerwartete Störquellen oder Geräte, die dem Wetter nicht standhalten. So können schnell Datenlücken entstehen, die dann Forschungsergebnisse verzerren. Mit diesen Erfahrungen im Hinterkopf falle es leichter, KI-Anwendungen zu entwickeln, die den Biologinnen und Biologen bei der Auswertung der Bilder oder Tonaufnahmen helfen, erläutert die Informatikerin. 

Vanessa Süßle, Informatik-Doktorandin an der Hochschule Darmstadt, bei ihrem Forschungsaufenthalt an der University of KwaZulu-Natal in Südafrika

Einblicke in die Feldforschung bekam Süßle in Südafrika reichlich. Neben diversen Projekten zum Wildlife-Monitoring mit Kamerafallen arbeiten die Forschenden des Ecology Labs auch an einer Langzeitstudie zur akustischen Bestimmung von urbanen Vogelpopulationen. In einem weiteren Projekt wurden Fische mit Bewegungssendern ausgestattet. Deren Aktivität gibt dann Hinweise zum Zustand des Ökosystems. „Die Arbeit im Feld war für mich eine besondere Erfahrung, nicht nur wegen der beeindruckenden Natur und der Tierbegegnungen. Ich konnte dank des IFI-Stipendiums wertvolle wissenschaftliche und persönliche Kontakte knüpfen, welche unsere interdisziplinäre Forschung stärken“, sagt die Informatikerin. 

„Ich konnte dank des IFI-Stipendiums wertvolle wissenschaftliche und persönliche Kontakte knüpfen“ Vanessa Süßle, Doktorandin an der Hochschule Darmstadt

Ausweitung der Förderung

Das DAAD-Nachwuchsprogramm für Künstliche Intelligenz und Informatik (IFI) wurde bis zum 30. Juni 2029 verlängert. Es richtet sich in zwei Förderlinien an Promovierende und Postdocs aus den Fachgebieten der Künstlichen Intelligenz, Informatik sowie benachbarten Fachgebieten und ermöglicht ihnen Aufenthalte an internationalen Forschungseinrichtungen. „Mit der Verlängerung des Programms haben wir auch Stipendienleistungen angepasst. Zum Beispiel wurde die Förderdauer für Promovierende auf bis zu zwölf Monate ausgeweitet“, sagt Dr. Holger Finken, Leiter des Referats Forschungsprogramme beim DAAD.

Auch die Beantragung von Familienleistungen ist künftig möglich – sowohl für Promovierende als auch Postdocs. Letztere werden sogar bis zu 24 Monate gefördert. Sie können für ihre Forschungsaufenthalte aus sechs renommierten Partnerinstitutionen wählen. Mit dabei sind das International Computer Science Institute (ICSI) in Berkeley (USA), das National Institute of Informatics (NII) in Tokyo, das Mila - Quebec Artificial Intelligence Institute in Montreal, das Technion - Israel Institute of Technology in Haifa sowie die Pohang University of Science and Technology (POSTECH) und die Graduate School of Data Science der Seoul National University (SNU), beide in Südkorea. „Ausgangspunkt für das IFI-Programm war die bereits seit Jahren bestehende, enge Kooperation mit dem International Computer Science Institute in Berkeley. Bis heute ist das ICSI, ein Aninstitut der University of California, eines der beliebtesten Ziele für die Nachwuchswissenschaftlerinnen und -wissenschaftler. Aber auch Institutionen wie das National Institute of Informatics in Tokyo haben sich zu sehr aktiven und beliebten Kooperationspartnern entwickelt“, sagt Finken.

DAAD-Präsident Prof. Dr. Joybrato Mukherjee mit Dr. Lea Shanley, Direktorin des International Computer Science Institute, während seines Besuchs Ende August 2024
„Bei meinem Besuch am International Computer Science Institute im August dieses Jahres konnte ich mich von dessen exzellenter Forschung zu Künstlicher Intelligenz und zu Informatik allgemein überzeugen. Unsere langjährige Zusammenarbeit im DAAD-Stipendienprogramm IFI ermöglicht es ausgezeichneten, jungen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern aus Deutschland, ihre eigene Forschung unter hervorragenden Bedingungen zu vertiefen. Hier haben sie die Chance, an einer internationalen Spitzenforschungsinstitution ihre Karriere weiter voranzutreiben.“ Prof. Dr. Joybrato Mukherjee, DAAD-Präsident

Ideales Forschungsumfeld

Seit 2022 waren vier Postdocs am National Institute of Informatics in Tokyo. Alle blieben zwei Jahre. Das Spektrum reichte von Grundlagenforschung zu Grapheigenschaften bis zu anwendungsorientierter Forschung zur Auswertung von Drohnenbildern. Auch für 2025 wurde bereits ein Postdoc-Stipendium vergeben. „Mit dem DAAD-Postdoc-Programm kommen regelmäßig junge Forschende und damit auch neue Perspektiven an unser Institut. Das ist ein Gewinn für alle Beteiligten“, sagt Dr. Emmanuel Planas, stellvertretender Direktor des internationalen Büros des NII. 

So haben einige ehemalige DAAD-Geförderte inzwischen selbst Professuren in Deutschland und pflegen bis heute einen regen Austausch mit dem Institut. Dazu zählen gemeinsame Forschungsprojekte und wechselseitige Aufenthalte von Nachwuchswissenschaftlerinnen und -wissenschaftlern. „Die enge Verbundenheit kommt nicht von ungefähr“, sagt Planas. Immerhin versuche man, den DAAD-Postdoktorandinnen und -doktoranden ein „ideales“ Umfeld für ihre Forschung zu bieten. Sie erhalten enge Betreuung durch Professorinnen und Professoren sowie viel Unterstützung auch bei praktischen Fragen außerhalb des Labors – von der Wohnungssuche bis zu Visumsangelegenheiten. Außerdem haben sie die Chance, als „Nachwuchsgruppenleitung“ ein Team aus Masterstudierenden und Promovierenden aufzubauen. Dazu kommt der rege Austausch mit anderen Gastforschenden. „Jede Woche kommen Expertinnen und Experten zu uns ans Institut, um Vorträge zu halten, die auch für DAAD-Postdocs zugänglich sind. Auch hier entstehen Austausch und langfristige Kooperationen“, sagt Planas. 

„Mit dem DAAD-Postdoc-Programm kommen regelmäßig junge Forschende und damit auch neue Perspektiven an unser Institut. Das ist ein Gewinn für alle Beteiligten.“ Dr. Emmanuel Planas, stellvertretender Direktor, internationales Büro des National Institute of Informatics (NII) Tokyo

Synthetische Daten schützen die Privatsphäre von Patientinnen und Patienten

Mit der Aussicht auf Austausch mit führenden Forschenden in seinem Fachbereich bewarb sich auch Dr. Marco Schreyer um ein Stipendium im IFI-Programm. Mit Erfolg: Von Januar bis Juni 2024 bekam er die Gelegenheit, als Postdoc am International Computer Science Institute (ICSI) in Berkeley zu forschen. Dabei beschäftigte er sich mit „synthetischen“ Daten, die echten Daten aus sensiblen, oft streng geschützten Bereichen wie der Medizin ähneln. Dieses Verfahren nennt sich „Denoising Diffusion Probabilistic Models“ (kurz DDPM). Krankenhäuser verfügen zwar über sensible Patientendaten, dürfen sie aber nur schwerlich untereinander austauschen. 

Dr. Marco Schreyer vor dem Perlmutter Supercomputer am Lawrence Berkeley National Laboratory (LBNL), einer Forschungseinrichtung der University of Berkeley

Mit Hilfe von DDPM lassen sich Datensätze für KI-Modelle erzeugen, die den echten Daten in ihren statistischen Eigenschaften ähneln, aber keine Informationen über tatsächliche Patienten enthalten. Dadurch lassen sich globale Auswertungen über Krankheiten durchführen. Das DDPM-Verfahren wurde maßgeblich in Berkeley erforscht. „So können wir Gesundheitsdaten für Forschungszwecke verwenden und gleichzeitig die Privatsphäre der Patientinnen und Patienten schützen“, erklärt Schreyer.

Um theoretische KI-Forschung in praktische Anwendungen zu übertragen, bietet das International Computer Science Institute in Berkeley eine ideale Umgebung. Dank des IFI-Stipendiums blieb Schreyer insgesamt ein halbes Jahr in den USA. Außerdem wurden zwei Konferenzreisen nach Amsterdam und Vancouver gefördert. „Das IFI-Stipendium bietet mehr als nur finanzielle Unterstützung. Es eröffnet die Möglichkeit, an wegweisender Forschung mitzuwirken, auf Konferenzen neue Netzwerke aufzubauen und in einem inspirierenden Umfeld persönliche und fachliche Fähigkeiten weiterzuentwickeln“, sagt er.

Birk Grüling (22. Oktober 2024)

 

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