40 Jahre Sprache und Praxis Japan: Brückenbauer für bilaterale Beziehungen

Ein Intensivsprachkurs und ein Unternehmenspraktikum als Eintrittskarte in die japanische Wirtschaft: Was das Sprache und Praxis Japan-Programm des DAAD seit 40 Jahren so erfolgreich macht.
Ein Faible für Japan begleitet Anne Groß schon seit ihrer Kindheit. Ihr Großvater hatte sie mit seiner Begeisterung für das 9.000 Kilometer entfernte Land angesteckt. Im Architekturstudium an der Brandenburgischen Technischen Universität Cottbus-Senftenberg begegneten Anne Groß dann später immer wieder die Einflüsse der japanischen Ästhetik auf die Stadttopologie und faszinierten die heute 39-Jährige. „Ich träumte davon, einmal länger in Japan zu leben, das Land und seine Ästhetik zu entdecken, und 2008 war es dann so weit.“ Anne Groß war zwar „fachfremd“, erhielt aber dennoch die Zulassung und ein Stipendium für ein Auslandssemester in „World Heritage Studies“ an der Universität Tsukuba. Sie entdeckte in Japan nicht nur ihre Liebe zu dem außergewöhnlichen Land, sondern fand in einem Kommilitonen aus Cottbus, der im gleichen Studiengang ebenfalls ein fachfremdes Auslandssemester verbrachte, auch ihren heutigen Ehemann und Geschäftspartner des 2019 gegründeten Architekturbüros: Sebastian Groß.
„Nach unserem Auslandssemester an der Universität Tsukuba hatten wir uns immer gewünscht, noch einmal nach Japan zurückzukehren, wir wollten noch tiefer eintauchen in das Land“, erzählt Anne Groß. Deshalb bewarb sie sich 2016 im Programm Sprache und Praxis Japan (SP Japan) des DAAD, um noch mehr von Japan und seiner Arbeitswelt zu entdecken – und wurde angenommen. Zusammen mit Sebastian Groß zog sie nach Tokyo und begann im Herbst 2016 das Stipendium. Sie absolvierte zuerst einen zehnmonatigen Intensivsprachkurs und dann ein Praktikum im Architekturbüro ihres heutigen Doktorvaters, bei dem sie inzwischen am Tokyo Institute of Technology zu „Stadtwahrnehmung anhand der deutschen Spaziergangswissenschaft“ promoviert. „Ein Herzenswunsch ist durch das Stipendium in Erfüllung gegangen, und es erfüllt mich, die beiden Welten, Deutschland und Japan, zu verbinden. Unsere Zukunft sehe ich in beiden Ländern.“

„Sprache und Praxis Japan ist ein besonderes Programm im Portfolio des DAAD“, sagt Axel Karpenstein, Leiter der DAAD-Außenstelle Tokyo. Denn es ist stark auf die Wirtschaft ausgerichtet und fungiert durch intensiven Sprachunterricht in Kombination mit einem Unternehmenspraktikum als Sprungbrett in den Arbeitsmarkt für die Stipendiatinnen und Stipendiaten. Gerade feiert das Programm, das aus Mitteln des Bundesministeriums für Bildung und Forschung finanziert wird, seinen 40. Jahrgang an Geförderten. „Wir sind stolz darauf, was in dieser Zeit erreicht worden ist und dass unsere Teilnehmenden tolle Praktikumsplätze in Unternehmen in Japan finden, obwohl diese Art der Arbeitserfahrung hier eher wenig verbreitet ist“, sagt Karpenstein. Viele der 450 Absolventinnen und Absolventen bekleiden heute wichtige Positionen in deutschen, japanischen oder deutsch-japanischen Unternehmen und agieren zudem als Japan-Expertinnen und -Experten sowie als Brückenbauer für bilaterale Beziehungen.
Expertinnen und Experten für die japanische Geschäftswelt
„Über die Jahre hat sich das Programm hier in Japan sehr etabliert“, sagt Karpenstein. „Wir haben inzwischen beispielsweise gute Verbindungen zur Juristenvereinigung, zum Obersten Gerichtshof und verschiedenen Netzwerken aufbauen können.“ Bei der Vernetzung mit Arbeitgebenden in Japan spielt auch das Deutsche Wissenschafts- und Innovationshaus (DWIH) Tokyo eine wichtige Rolle, das Teil der DAAD-Außenstelle Tokyo ist. Zu den 27 Partnern des DWIH Tokyo gehören auch deutsche Wirtschaftsförderorganisationen. Auch für sie seien die Absolventinnen und Absolventen des Programms wertvolle Expertinnen und Experten, die die japanische Geschäftswelt gut kennen und über die Sprache auch eine kulturelle Verbindung schaffen könnten, wie Karpenstein erklärt.
„SP Japan richtet sich vor allem an Graduierte der Fachrichtungen Politik, Wirtschaft, Naturwissenschaft, Rechtswissenschaft und Architektur“, sagt Anna Katharina Rusche, Leiterin des Referats Stipendienprogramme Asien, Pazifik im DAAD in Bonn. „Es ist auch offen für Personen mit geringen oder keinen Japanischkenntnissen, aber ein klarer Bezug der Bewerberinnen und Bewerber zu Japan muss auf jeden Fall erkennbar sein.“ Viele Anwärterinnen und Anwärter hätten bereits sehr klare Vorstellungen von einer späteren Berufstätigkeit in Japan oder einer Zusammenarbeit mit einem japanischen Unternehmen, erzählt Rusche. Sei es im Bereich Robotik, in der Games-Branche oder beispielsweise im Chain Management von Lieferdiensten, das ein Bewerber gerne kennenlernen wollte. „Die Auswahl der neuen Stipendiatinnen und Stipendiaten und der Kontakt zu ihnen macht großen Spaß, weil sie so für Japan und ihre Sache brennen“, erzählt Malte Lademann, Teamleiter und Programmverantwortlicher im Referat Asien, Pazifik des DAAD.
Mit etwa zehn Geförderten im Jahr ist das Programm eher klein, doch die intensive Betreuung durch die Außenstelle Tokyo ist ein Kennzeichen von SP Japan. „Wir bieten ein begleitendes Kulturprogramm, Firmenbesuche, Veranstaltungen mit Vertreterinnen und Vertretern aus der Industrie sowie mehrtägige Exkursionen an“, erzählt Kiyofumi Horita, Programmbeauftragter für SP Japan in der Außenstelle Tokyo. „Jede und jeder einzelne Teilnehmende macht einen Unterschied und hat einen langfristigen Einfluss auf die deutsch-japanischen Beziehungen.“
Vernetzung im Alumniverein
An den intensiven Kontakt zu den anderen Stipendiatinnen und Stipendiaten erinnert sich auch Programm-Alumnus Jens Heilmann gut, der heute in Darmstadt lebt und die Ehemaligengruppe DAAD SP Japan Alumni leitet. „Ich erinnere mich gerne zurück an das starke Netzwerk und die Gemeinschaft, die exzellente Unterstützung durch den DAAD und die einzigartigen Erfahrungen, die mir ohne das Programm verschlossen geblieben wären.“ Die Ausbildung zum Japanexperten habe seine berufliche Laufbahn geprägt und ihn von seiner ersten Position als Wissenschaftler und Produktentwickler bei Kao Japan in die heutige Position als Stellvertretender Direktor der Produktentwicklung Haarfarbe & Blondierung in den European Research Laboratories von Kao Germany gebracht. Eine Erfahrung, die Heilmann gerne weitergeben möchte. „Die japanisch-deutsche Zusammenarbeit wird auch in Zukunft essenziell sein und das SP Japan Programm trägt einen wichtigen Teil zu deren Stärkung bei. Wir möchten mit unserer Arbeit die Bekanntheit dieses einzigartigen Programms erhöhen und somit auch etwas zurückgeben.“ Der Alumniverein ist zudem eine Arbeitsgruppe im Deutsch-Japanischen Wirtschaftskreis (DJW), der größten überregionalen deutsch-japanischen Business-Plattform, was den Vernetzungsgedanken zusätzlich stärkt.
Für Anne und Sebastian Groß ist Tokyo längst ein Zuhause geworden. 2019 machten sich die beiden mit einem Architekturbüro selbständig, das sich auf die Sanierung und Instandsetzung leerstehender Einfamilienhäuser in Japan spezialisiert hat. Mehr als 1.000 leerstehende Häuser gebe es allein in ihrem Stadtteil Arakawa-Ku, doch das Phänomen betrifft ganz Japan: Einfamilienhäuser, die nach rund zwei Jahrzehnten als nicht mehr sicher oder zeitgemäß gelten, und damit abgerissen oder dem Verfall preisgegeben werden. „Das ist eine große Verschwendung an Ressourcen und hält eine ungesunde Industrie am Laufen. Wir setzen uns dafür ein, dass die Eigentümerinnen und Eigentümer wieder selbstbestimmt handeln lernen und Verantwortung übernehmen. Das sehen wir als unseren Auftrag als Architekturbüro.“ Der enge Austausch mit der Nachbarschaft und die Stadtspaziergänge, auf die sich neben Studierenden auch immer wieder deutsche Delegationen angeschlossen haben, wären ohne die Sprachkenntnisse aus dem Intensivsprachkurs des SP Japan Programms schwierig gewesen, sagt Anne Groß. „Dass wir durch unsere Sprachsicherheit so schnell mit den Nachbarn in Kontakt gekommen sind, hat uns erst ermöglicht, als Architekturbüro hier Fuß zu fassen.“
Sarah Kanning (04. Januar 2024)
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