Neue Perspektiven mit alten Gemüsearten in Ostafrika

Dialog und Rückbesinnung: Im Rahmen des Projekts InNuSens wird das Potenzial traditioneller afrikanischer Gemüsearten gewürdigt.

Das Projekt InNuSens leistet praxisbezogene Forschung und bringt deutsche und ostafrikanische Institutionen zum Austausch über Ernährungssicherheit angesichts des Klimawandels zusammen.

Afrika südlich der Sahara sieht sich mit vielen Herausforderungen konfrontiert. Eine davon ist der Klimawandel, der die Landwirtschaft stark beeinträchtigt. Gleichzeitig wächst die Bevölkerung; Ernährungssicherheit und Beschäftigungsförderung in der Agrarwirtschaft sind daher wichtige Themen in der Region. Das mit Mitteln des BMBF finanzierte DAAD-Programm Partnerschaften für nachhaltige Lösungen mit Subsahara-Afrika – Maßnahmen für Forschung und integrierte postgraduale Aus- und Fortbildung setzt genau dort an. Es fördert Partnerschaften deutscher Universitäten, außeruniversitärer Forschungseinrichtungen und Unternehmen mit afrikanischen Einrichtungen: In gemeinsamen Forschungs- und Ausbildungsprojekten sollen praktische Ansätze zur Bewältigung globaler Problemstellungen entwickelt werden – zum Beispiel für eine an die neuen Klimabedingungen angepasste Land- und Ernährungswirtschaft.

„In vielen Regionen Afrikas nimmt der Hunger wieder zu. Hinzu kommt, dass immer mehr Kinder nicht genug gesunde Nahrungsmittel erhalten und an akuter Mangelernährung leiden“, erklärt Professorin Susanne Huyskens-Keil vom Albrecht Daniel Thaer-Institut für Agrar- und Gartenbauwissenschaften der Humboldt-Universität zu Berlin (HU). Um Wege aus der Ernährungskrise zu suchen, hat sich die HU mit führenden Forschungseinrichtungen in Ostafrika zusammengeschlossen: mit der Egerton University und der Jomo Kenyatta University of Agriculture and Technology in Kenia, der Makerere University in Uganda und dem National Institute of Transport in Tansania.

Vermarktung traditioneller afrikanischer Gemüsearten

Konkret arbeiten die beteiligten Einrichtungen in einem vom DAAD-Partnerschaftsprogramm geförderten Projekt daran, den Anbau und die Vermarktung traditioneller afrikanischer Gemüsearten zu professionalisieren und die Wertschöpfungskette auf die Ernährungssicherung auszurichten. „Inclusive nutrition-sensitive value chains in Kenya and Uganda – Upgrading strategies for underutilised horticultural crops“, kurz InNuSens, lautet der Titel des 2021 angelaufenen Projekts. Neben praxisbezogener Forschung unterstützt es die Partneruniversitäten in ihrer strukturellen Weiterentwicklung. Auf deutscher Seite verantwortlich sind Susanne Huyskens-Keil und ihre Kollegin Professorin Dagmar Mithöfer.

Traditionelle afrikanische Blattgemüsearten wie Amaranth (Amaranthus spp.), Kichererbsenblätter (Vigna unguiculata) oder auch die Spinnenpflanze (Cleome spp.) sind widerstandsfähig und enthalten wichtige Mikronährstoffe und Vitamine. Sie benötigen auch kaum Dünger. Damit sind sie gut geeignet für den Anbau unter erschwerten Klimabedingungen und können auch helfen, eine wachsende Bevölkerung mit gesunden Lebensmitteln zu versorgen. Die Nachfrage nach den lange vernachlässigten Gemüsearten ist in den vergangenen Jahren entsprechend gestiegen. 

Prof. Dr. Susanne Huyskens-Keil: „Wir untersuchen ganz neue Produktideen“.

Das InNuSens-Projekt unterstützt die Kommerzialisierung dieser afrikanischen Blattgemüsearten entlang der Wertschöpfungskette. Vier Doktoranden aus Kenia, Uganda und Tansania arbeiten gemeinsam mit lokalen Akteuren an neuen Nacherntetechnologien, an Möglichkeiten, Logistik und Transport zu optimieren und an innovativen Vermarktungsmethoden, etwa über Apps. „Wir untersuchen ganz neue Produktideen, neue angepasste Distributionstechnologien und Business-Modelle für den Vertrieb“, erklärt Susanne Huyskens-Keil. Insbesondere für junge Menschen in ländlichen Gebieten und für Frauen ergeben sich dadurch neue Beschäftigungsperspektiven. In Kenia haben Frauen bereits kleine Produktions- und Vermarktungsorganisationen gegründet.

Nachhaltige Kooperation mit Wissenstransfer

In allen Partnerländern sind Netzwerke entstanden, in denen unterschiedlichste Akteure zusammenwirken: Forschende verschiedener Fachbereiche, Bäuerinnen und Bauern, Verarbeitungsbetriebe, Transportunternehmen und der Handel. Innerhalb der Netzwerke finden regelmäßig Trainings und Sommerschulen zu den Kernthemen des Projekts statt. „Diese Strukturen sollen eine nachhaltige Kooperation mit Wissenstransfer und Wissensaustausch sicherstellen“, so Huyskens-Keil. 

Das InNuSens-Projekt setzt damit in idealtypischer Weise um, was die Bundesregierung mit ihrer Afrika-Strategie erreichen möchte. Insbesondere Subsahara-Afrika soll bei der Bewältigung globaler und regionaler Krisen unterstützt werden, um seine Entwicklungspotenziale voll auszuschöpfen. Den Orientierungsrahmen bilden die Entwicklungsziele der Afrikanischen Union, den Umsetzungsrahmen Kooperationen auf Augenhöhe. „Die Expertise ist vorhanden in Afrika“, sagt Susanne Huyskens-Keil. „Wir unterstützen afrikanische Länder im Rahmen unserer Projekte beim Aufbau nationaler und länderübergreifender Netzwerke aus Forschung und Praxis.“

Feldforschung mit Studierenden

Zweimal im Jahr finden Netzwerktreffen in den Partnerstaaten statt, einmal im Jahr zusätzlich ein Workshop mit anschließender Sommerschule, an dem die afrikanischen Projektpartner aus den verschiedenen Disziplinen und Kolleginnen und Kollegen aus Berlin teilnehmen. „So stellen wir Kontinuität sicher und damit die Zukunftsfähigkeit des Projekts“, sagt Susanne Huyskens-Keil. Eine wichtige Voraussetzung für die Nachhaltigkeit ist nach ihrer Überzeugung darüber hinaus die Einbeziehung von Studierenden aller Partneruniversitäten. 2022 nahmen insgesamt 15 deutsche und afrikanische Studierende an einer zweiwöchigen Feldforschung im Rahmen eines trans- und interdisziplinären Studienprojektes in Kenia teil. Sie wohnten in Kleinbauernfamilien und untersuchten, wo und warum Teile der Gemüseernte in der Wertschöpfungskette verlorengehen können.

Ein wesentlicher Erfolgsfaktor von InNuSens sind die langjährigen Verbindungen zwischen den Partneruniversitäten, die auf ein Vorgängerprojekt unter dem inzwischen emeritierten Professor Wolfgang Bokelmann zurückgehen: „Hortinlea – Diversifying Food Systems: Horticultural Innovations and Learning for Improved Nutrition and Livelihood in East Africa“. „So konnten wir auf etablierte Strukturen und eine langjährige, hervorragende Zusammenarbeit aufbauen“, sagt Susanne Huyskens-Keil. Starke Netzwerke wie dieses sind der Schlüssel, um globalen Herausforderungen zu begegnen.

Ulrike Scheffer (2. Oktober 2023)

 

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