Orientierung in komplexen Zeiten

Die KIWi Connect-Veranstaltungsreihe „Dual-Use in internationalen Wissenschaftskooperationen“ bietet konkrete Hilfe zu einem sensiblen Themenfeld.

Im internationalen Wissenschaftsaustausch werden Technologien und Wissen geteilt, um globalen Herausforderungen begegnen zu können. Doch global kooperierende Wissenschaft ist angesichts von geopolitischen Krisen auch mit zunehmend komplexeren Rahmenbedingungen und Sicherheitsfragen konfrontiert. Erst im Juni 2023 antwortete die Bundesregierung auf multiple Bedrohungslagen für Demokratie, Gesellschaft und Wirtschaft mit einer Nationalen Sicherheitsstrategie. Das DAAD-Kompetenzzentrum Internationale Wissenschaftskooperationen (KIWi) hat diese Entwicklungen im Blick und bietet deutschen Hochschulen konkrete Information und Orientierung.

Exportkontrolle für technisches Gerät

Wenn man sich am GEOMAR Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel auf eine Expedition in internationale Gewässer vorbereitet, geht das nicht ohne die Stabsstelle Exportkontrolle & Zoll. Denn in der Meeresforschung kommt auch technisches Gerät zum Einsatz, das zwar für zivile Anwendungsbereiche entwickelt wurde, jedoch anhand seiner technischen Spezifikation auch für militärische Zwecke geeignet wäre. Solche Dual-Use-Technik darf nach nationalem und internationalem Recht nicht auf jedes beliebige internationale Forschungsschiff, nicht in jeden Hafen und auch nicht in jedes Gewässer. Das GEOMAR hat deshalb eine Verwaltungsstruktur aufgebaut, die sich um solche Fragen kümmert.

„Beim Thema Exportkontrolle gibt es in der Wissenschaftscommunity aktuell viel Verunsicherung“, sagt Daniela Schmitt, die Leiterin der Stabsstelle Exportkontrolle & Zoll am GEOMAR. Seit 2018 hat sie dort mit ihrem Team den Bereich Exportkontrolle professionalisiert und eine Infrastruktur aufgebaut, über die bisher nur sehr wenige Forschungseinrichtungen verfügen. „Dank einer Gerätedatenbank, in der wir sämtliche Forschungsgeräte aufgenommen haben, kann ich beispielsweise heute auf Nachfrage der Behörden jederzeit angeben, wo sich unsere genehmigungspflichtige Ausrüstung gerade befindet.“ Wie sie diese Strukturen aufgebaut hat und welche Erleichterung das für die internationalen Forschungskooperationen am GEOMAR bringt, teilt sie als Referentin im Rahmen der aktuellen vierteiligen Veranstaltungsreihe KIWi Connect zu Dual-Use.

Den Weg der Daten im Blick

„Dreh- und Angelpunkt unserer Arbeit im KIWi ist es ja, deutsche Hochschulen bei ihren internationalen Aktivitäten bestmöglich zu unterstützen“, sagt Dr. Orane Dornier, Referentin für Rechtliche Rahmenbedingungen im KIWi. Seit 2021 übersetzt KIWi die Komplexität neuer Sicherheitsanforderungen in Handlungsmöglichkeiten für Wissenschaftseinrichtungen. „Es gehört zu unserem Kerngeschäft, besonders in Zeiten sich verändernder Rahmenbedingungen mit Hilfe von Veranstaltungsreihen, Workshops oder sogar Einzelfallberatung den wissenschaftlichen Akteuren Orientierung zu geben.“ 

Exportkontrolle etwa, war lange kein Thema in der Wissenschaft. Den Umgang damit mussten sich auch nationale und internationale Aufsichtsbehörden erst erarbeiten. Auf europäischer Ebene gibt es seit 2021 eine neu verfasste Dual-Use-Verordnung. „Für die Wissenschaft selbst ist das erst recht komplex“, erläutert Daniela Schmitt. Denn es geht beispielsweise bei der Frage möglicher doppelter Verwendungszwecke nicht nur um Geräte, sondern auch um Wissenstransfer, Software und Daten. „Der große Unterschied zur Wirtschaft ist, dass in der Wissenschaft das Wissen nicht gehortet wird, sondern der internationale Austausch gewollt ist, um andere Menschen auszubilden und mit ihnen zusammenzuarbeiten, damit alle insgesamt profitieren.“ 

„Vor dem Hintergrund aktueller geopolitischer Konflikte und sicherheitspolitisch relevanter Auseinandersetzungen ist der Bedarf an Information, Austausch und konkreter Hilfestellung zum Umgang mit internationalen Kooperationen deutlich angestiegen“, sagt Dr. Julia Linder, Referentin für das Themenfeld „Risiko und Sicherheit“ im KIWi. „Mit unserer aktuellen Veranstaltung sensibilisieren wir nicht nur für das Thema, wir gehen auch inhaltlich in die Tiefe konkreter Fragen, helfen Institutionen dabei, entsprechende Infrastruktur aufzubauen und ermöglichen den Austausch mit Fachleuten.“ Dementsprechend ist auch Daniela Schmitt am 25. Oktober dabei und informiert über das US-(Re)-Exportkontrollrecht – von seiner Bedeutung für die deutsche Wissenschaft bis hin zu Fragen von Genehmigungsverfahren.

Austausch mit konkreter Wirkung

„Welche Risiken gibt es für eine Hochschule, die einen hohen Anteil internationaler Kooperationen in den Natur- und Technikwissenschaften hat? Wie muss man aktuelle Verordnungen verstehen? Welche Strukturen etablieren andere Hochschulen?“ Mit solchen Fragen nimmt Dr. Karoline Oelsner von der Friedrich-Schiller-Universität Jena an der Dual-Use-Veranstaltungsreihe teil. 2022 wurde Oelsner Referentin im Vizepräsidium für Forschung, unter anderem mit der Aufgabe, ein internes Compliance-Programm zur Exportkontrolle zu etablieren. „Die KIWi Connect-Reihe war für uns zwingend notwendig, um das Programm überhaupt aufsetzen zu können“, betont Oelsner. „Ohne den thematisch vielfältigen und aufschlussreichen Input, der uns zunächst einmal den Blick erweitert hat, sowie den wertvollen und bleibenden Austausch mit anderen Einrichtungen wäre der Anfang sehr mühevoll gewesen.“ 

Auch organisatorische Hilfe hat Karoline Oelsner aus der KIWI Connect-Reihe schon mit nach Jena genommen. „Um Regeln zur Exportkontrolle zu etablieren, braucht es einen bestimmten Ablauf und eine entsprechend optimale Organisationsstruktur.“ Wen involviert man in den Prozess, fragte sich Oelsner und erhielt auch dazu Anregung durch das KIWi. „Bei uns war der erste Schritt eine Steuerungsgruppe aus Rechtsamt, Forschungsförderung, Internationalem Büro, Personalbüro und Graduiertenakademie, alles koordiniert vom Vizepräsidium Forschung.“

Auch für die uniinterne Begründung neuer Regularien sei der Verweis auf die Informationsleistung des KIWi von enormer Bedeutung, sagt sie. „Wir haben zum Beispiel über Jahre gewachsene wissenschaftliche Verbindungen zu China und wollen weiter Kooperationen ermöglichen.“ Also muss die geregelte Risikominimierung in Anlehnung an die China-Strategie der Bundesregierung umgesetzt werden. „Dass wir uns dabei auf die Beratung durch das KIWi berufen können, ist enorm wertvoll.“ Inzwischen entsteht an der Universität Jena sogar ein vom BMBF gefördertes China-Kompetenzzentrum. „Und wenn uns im Austausch mit anderen spezifischen Weltregionen vereinzelt die Expertise für einen Prüfprozess fehlt, können wir uns jederzeit zur Lösung dieses Einzelfalls mit dem KIWi in Verbindung setzen.“

Bettina Mittelstraß (20. Oktober 2023)

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