50 Jahre deutsch-japanische Partnerschaft im akademischen Austausch

DAAD-Generalsekretär Dr. Kai Sicks mit JSPS-Geschäftsführer Prof. Dr. Tetsuya Mizumoto beim Treffen in Bonn im August 2023

Vor einem halben Jahrhundert stellten der DAAD und die Japan Society for the Promotion of Science (JSPS) ihre Zusammenarbeit beim Austausch von Forschenden auf eine festere Basis. Gemeinsam können sie auf einige Erfolge zurückblicken. 

„50 Jahre, das ist eine wirklich lange Zeit, und sie war geprägt von Austausch, Wissensgewinn und Partnerschaft“, sagt Professor Masahiko Hayashi und gerät ins Schwärmen. Der 64-Jährige ist Direktor der Bonner Niederlassung der Japan Society for the Promotion of Science (JSPS), der zentralen japanischen Förderorganisation zur Unterstützung der Forschung, des wissenschaftlichen Nachwuchses und der wissenschaftlichen Zusammenarbeit. Die Gesellschaft vergibt Individualstipendien an junge und etablierte Forschende und fördert unter anderem Sommerprogramme und Kurzaustauschprogramme bilateraler Forschungsgruppen. Deutsche Forschende können über von der JSPS arrangierte Programme an gemeinsamen Forschungsprojekten mit Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern in Japan teilnehmen.

Deutsch-japanische Forschungskooperation

1973, also vor 50 Jahren, nahmen der DAAD und die JSPS ihre Zusammenarbeit auf, um den bilateralen Austausch zu intensivieren, zu institutionalisieren und damit auf ein festeres Fundament zu stellen. „Die 1960er und 1970er Jahre waren eine Blütezeit“, erzählt Professor Hayashi, „sowohl in Japan als auch in der Bundesrepublik Deutschland.“ Beide Länder entwickelten sich nach dem Zweiten Weltkrieg zu aufstrebenden Wirtschaftsnationen, „und Japan wollte, gerade was die Wissenschaft angeht, etwas von Deutschland lernen.“ 

Der Inselstaat hatte zu dieser Zeit beispielsweise kein etabliertes Postdoc-System, daher seien viele Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen nach ihrem PhD nach Deutschland oder in die USA gezogen, wie Hayashi erzählt. „Wir wollten Austausch und Forschungsaktivitäten verstärken und deutschen Forschenden auch zeigen, was Japan zu bieten hat.“ Im Rahmen gemeinsamer Programme zwischen der JSPS und dem DAAD lernen jedes Jahr durchschnittlich mehr als 200 Forschende aus Deutschland und mehr als 300 Forschende aus Japan die Wissenschaftslandschaft im jeweils anderen Land kennen. 

Individualförderung und Austauschprogramme

„Die Förderung des akademischen Austauschs und der wissenschaftlichen Kooperation verteilt sich in Japan auf drei Förderorganisationen“, erklärt Axel Karpenstein, Leiter der DAAD-Außenstelle Tokyo. Die JSPS verwaltet hauptsächlich Programme für die Individualförderung, unter anderem das Forschungsförderprogramm Kakenhi, sowie Programme für den wissenschaftlichen Austausch. In diesem Jahr ist zudem eine staatlich finanzierte Förderlinie zur Internationalisierung regionaler Universitäten dazugekommen. Die Förderung von Spitzenforschung und Technologieentwicklung ist bei der Japan Science and Technology Agency (JST) angesiedelt. Die JST verwaltet unter anderem das Moonshot Reserach and Development Programm sowie einen etwa 70 Milliarden Euro starken Investmentfond, der wenige ausgesuchte, forschungsstarke Universitäten unterstützen soll, an die Weltspitze zu kommen. Die dritte Förderorganisation, die Japan Student Services Organization (JASSO), ist für den internationalen Austausch Studierender zuständig. Sie vergibt Stipendien und betreut auch die internationalen Studierenden im Land.

Mehr Austausch nach der Coronapandemie

„JSPS ist eine klassische ,Bottom-up‘-Förderorganisation“, sagt Hayashi. Dabei werden – entgegengesetzt zu ,Top-down‘-Förderungen wie zum Beispiel dem Moonshot-Programm, nicht vorher einzelne Forschungs- und Förderbereiche festgelegt, die aus Sicht der Regierung und der Ministerien vorangetrieben werden sollen. Die Schwerpunkte ergeben sich aus dem Interesse der sich bewerbenden Forschenden. „Und dennoch sind momentan vor allem Naturwissenschaften und Medizin sehr nachgefragt, Human- und Sozialwissenschaften belaufen sich auf rund 20 Prozent“, sagt Hayashi. 

Er hofft, dass der Austausch nach der Coronapandemie wieder lebendiger wird: „Ich würde mir wünschen, dass die jüngere Generation mehr Internationalität selbst erleben kann“, sagt er. „Japan ist geographisch weit entfernt von Europa und den USA, aber die akademische Welt wird zunehmend internationaler. Daher ist gerade für Japan der Aspekt der Internationalisierung der Hochschulen sehr bedeutend – und damit meine ich den Austausch in beide Richtungen.“

Für deutsche Nachwuchswissenschaftlerinnen und -wissenschaftler sehr attraktiv ist das JSPS Summer Program. Es ermöglicht internationalen Graduierten sowie Doktorandinnen und Doktoranden zweimonatige Forschungsaufenthalte an staatlichen japanischen Hochschulen und Forschungsinstituten. Hierzu gehört auch ein Kurzaufenthalt in einer japanischen Familie. Die Finanzierung erfolgt dabei ausschließlich durch die JSPS. 

Bilaterale Forschungskooperationen im PPP-Programm

Für den DAAD hat die Zusammenarbeit mit der JSPS im Jahr 2012 eine neue Dimension angenommen. Damals beschlossen die beiden Förderorganisationen eine gemeinsame Finanzierung und Verwaltung im Programm des Projektbezogenen Personenaustauschs (PPP). Hierbei können sich bilaterale Forschungskooperationen um eine Förderung für Mobilitätsmaßnahmen wie Reisekostenzuschüsse bewerben. Weltweit werden derzeit rund 500 Gemeinschaftsprojekte gefördert. 

Die Bandbreite der Forschungsgebiete reicht von der gemeinsamen Erforschung von neuartigem Biomaterial zur Regeneration von Knochengewebe (Universität Duisburg-Essen – Tohoku University) sowie neuer Antibiotika (Universität Düsseldorf – Kitasato University) bis zur Beobachtung des antarktischen Weddellmeers zur Klimafolgenabschätzung (Alfred-Wegener-Institut – Hokkaido University). Ein interdisziplinäres Forschungsprojekt beschäftigt sich mit Verantwortung und Vorbildfunktion beim Thema Mobbing (Universität Hildesheim – Kyoto University). 

Dr. Oleg Prymak und Jana Storsberg von der Universität Duisburg-Essen sowie Dr. Taichi Tenkumo von der Tohoku-Universität tauschen sich in der japanischen Stadt Sendai im Rahmen des interdisziplinären PPP-Kooperationsprojekts zur Erforschung von neuartigem Biomaterial zur Regeneration von Knochengewebe über Ergebnisse in der Zahnmedizin aus.

„Ohne das PPP wären wir nie so weit in der Kooperation gekommen“, erzählt Professor Matthias Epple, Projektverantwortlicher für das Forschungsprojekt zu bioaktiver Knochenpaste der Universität Duisburg-Essen und der Tohoku University. „Das Austauschprogramm ermöglicht Reisen nach Japan. Dabei können die Projekte besprochen, Proben übergeben und Experimente gemeinsam durchgeführt werden. Aufgrund der Entfernung und auch der Sprachbarriere gelingt dies im persönlichen Austausch viel besser.“

Relevante interdisziplinäre Forschung

In dem PPP-Projekt arbeiten Chemikerinnen und Chemiker aus Deutschland mit Medizinerinnen und Medizinern aus Japan zusammen. Das bilaterale Forschungsteam erforscht, wie biologisch aktive Pasten bei einem Knochendefekt das Knochenwachstum beschleunigen können. Das könnte Probleme in der Zahnmedizin (Parodontitis), aber auch beim oft altersbedingten Knochenschwund (Osteoporose) und daraus resultierenden Knochenbrüchen verringern. 

Matthias Epple schätzt die Zusammenarbeit im interdisziplinären Team: „Wie in jeder interdisziplinären Kooperation lernen beide Partner voneinander.“ Als besonders wichtig sieht er die interkulturelle Komponente des Austauschs: „Japan hat eine ganz andere Kultur, auch Gesprächs- und Verhandlungskultur, als Deutschland. Besonders die jungen Projektbeteiligten, die Promovenden, haben sehr von dem Austausch profitiert – es erweitert einfach den Horizont.“

Seit 2018 werden über PPP pro Haushaltsjahr etwa zwanzig deutsch-japanische Forschungsprojekte gefördert. Auf japanischer Seite stehen pro Kooperationsprojekt bis zu umgerechnet 24.000 Euro im Jahr zur Verfügung, auf deutscher Seite bis zu 15.000 Euro. Seit Bestehen des PPP mit der JSPS wurden 460 Anträge eingereicht und bis 2023/2024 insgesamt 93 Projekte bewilligt. 

Engere Zusammenarbeit in Wissenschaft und akademischem Austausch

Die Zusammenarbeit zwischen dem Hauptsitz der JSPS in Tokyo, dem Bonner JSPS-Büro und dem DAAD in Bonn ist eng. Bei der Feier zum 50-jährigen Bestehen der Kooperation im August 2023 trafen JSPS-Geschäftsführer Professor Tetsuya Mizumoto und Professor Hayashi mit DAAD-Generalsekretär Dr. Kai Sicks zusammen. Sie besuchten auch die DAAD-Zentrale, um sich mit Vertreterinnen und Vertretern des DAAD wie Anna Katharina Rusche, Leiterin des Referates Stipendienprogramme Asien, Pazifik, und Dr. Fangfang Xu, Regionalkoordinatorin der Region Ost- und Südostasien, auszutauschen. 

Treffen von DAAD und JSPS in Bonn (von links nach rechts): Dr. Fangfang Xu, Regionalkoordinatorin der Region Ost- und Südostasien im DAAD; Anna Katharina Rusche, Leiterin des Referates Stipendienprogramme Asien, Pazifik im DAAD; DAAD-Generalsekretär Dr. Kai Sicks; JSPS-Geschäftsführer Prof. Dr. Tetsuya Mizumoto; Ryuji Matsushita, Section Chief, International Research Cooperation Division I, International Program Department bei JSPS; Eriko Suto, Geschäftsführerin des Bonner JSPS Büros; JSPS-Mitarbeiterin Shiori Watanabe und Prof. Dr. Masahiko Hayashi, Direktor des Bonner JSPS Büros

Beide Organisationen schauten zufrieden auf die Zusammenarbeit der vergangenen 50 Jahre zurück und diskutierten Ideen zur Weiterentwicklung der deutsch-japanischen Kooperation in Wissenschaft und akademischem Austausch. Wünschenswert wäre aus Sicht des DAAD, wenn künftig noch mehr japanische Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sowie Forschende aus MINT-Fächern den Schritt nach Deutschland wagten. 

Sarah Kanning (17. November 2023) 


 

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