Klimaforschung aus Afrika

Der Klimaforscher Dr. Olasunkanmi Habeeb Okunola berät eine Gemeinde nach der verheerenden Flut in Nigeria im Herbst 2022.

Viele Länder in Subsahara-Afrika leiden massiv unter den Folgen des Klimawandels und sind auf Forschung in diesem Bereich angewiesen. Unterstützt durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung förderte der DAAD im Rahmen des Programms climapAfrica von 2020 bis 2023 afrikanische Post-Docs aus dem Bereich Klimafolgenforschung.

Im Herbst 2022 wird das westafrikanische Nigeria von schweren Überschwemmungen heimgesucht, den schwersten seit über zehn Jahren. Mehr als 600 Menschen sterben, zeitweise sind 2,5 Millionen auf humanitäre Hilfe angewiesen. Der britische Sender BBC plant einen TV-Beitrag zur Katastrophe, in dem es auch um die Rolle des Klimawandels bei solchen extremen Wetterereignissen geht und sucht einen Experten. Man entscheidet sich für den jungen nigerianischen Klimaforscher Dr. Olasunkanmi Habeeb Okunola, Visiting Research Scientist am Institute for Environment and Human Security der United Nations University in Bonn.

Dass der afrikanische Forscher damals die Gelegenheit bekam, vor einem Millionenpublikum zu sprechen, findet dieser heute immer noch unglaublich. „Vor drei Jahren kannte mich noch niemand. Ich war außerhalb meines unmittelbaren Wirkungskreises in Nigeria komplett unbekannt“, erzählt er. Das änderte sich erst, als Okunola sich 2020 erfolgreich für climapAfrica bewarb, ein Post-Doc-Stipendium des DAAD, das speziell auf die Bedürfnisse afrikanischer Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler nach der Promotion zugeschnitten ist. Es ist eine schwierige Phase, oft fehlen die Mittel, auf hohem Niveau weiterzuforschen und mit Veröffentlichungen in internationalen Fachmagazinen auf sich aufmerksam zu machen – eine wichtige Bedingung, um die eigene Karriere erfolgreich voranzutreiben.

Forschung in Afrika vor Ort fördern

Hier setzte das Stipendienprogramm climapAfrica an, das im August 2023 nach vier erfolgreichen Jahren endete. Gefördert wurde es vom Bundesministerium für Bildung und Forschung mit insgesamt 4,5 Millionen Euro. „Kernidee war, Forscherinnen und Forscher in Subsahara-Afrika direkt vor Ort zu fördern, statt sie nach Deutschland einzuladen und dort mit entsprechenden Mitteln auszustatten“, erklärt Gudrun Chazotte, programmverantwortliche Referatsleiterin im DAAD. „Damit konnten wir zu einem erheblichen Kompetenzgewinn auf individueller Ebene beitragen, aber auch die Strukturen von Hochschulen und Forschungseinrichtungen in Subsahara Afrika stärken. Aus unserer Sicht ist es entscheidend, Forschung in Afrika auch wirklich vor Ort zu fördern.“

Über hundert junge Forscherinnen und Forscher wurden in den letzten drei Jahren im Rahmen von zwei Förderlinien unterstützt: eine klassische Forschungsförderung mit einer monatlichen, finanziellen Zuwendung, die es den Stipendiatinnen und Stipendiaten ermöglichte, ihre konkrete wissenschaftliche Arbeit weiterzuführen. Komplementär wurde das Programm geöffnet für Alumni deutscher Förderorganisationen, die in den Arbeitsgruppen zusammen mit den Stipendiatinnen und Stipendiaten arbeiteten. „Das gab es bei climapAfrica in dieser Form zum ersten Mal“, erklärt Christian Schäfer, Leiter des Referats Forschung und Studien, der das Konzept entwickelt hat. „Und es war so erfolgreich, dass wir dies inzwischen auch in anderen Programmen umsetzen.“ Eine weitere Besonderheit war die starke inhaltliche Begleitung der Arbeitsgruppen und begleitender Veranstaltungen durch den DAAD. Referentinnen und Referenten wurden akquiriert, Workshops konzipiert, wichtige Kontakte hergestellt, etwa zum Weltklimarat IPCC. „Auch das hat sich ausgezahlt und einen echten Mehrwert gebracht“, sagt Schäfer.

Zentral dabei war die Arbeit in insgesamt sieben Arbeitsgruppen, die sich aus der Perspektive unterschiedlicher Fachrichtungen dem Thema Klimawandel annäherten: Landwirtschaft, Landnutzung, indigenes Wissen, Meteorologie, Tier- und Pflanzenforschung, Klimatologie und Biodiversität. Die Gruppen dienten als Plattform, auf der die sogenannten climapAfrica- Postdoc-Fellows mit Fachkolleginnen und -kollegen, regionalen und internationalen Expertinnen und Experten sowie mit Praktikerinnen und Praktikern aus Ministerien, internationalen Organisationen und NGOs in Kontakt treten und ein wachsendes professionelles Netzwerk in ganz Afrika aufbauen können. 

Olasunkanmi Okunola kam 2021 mit der dritten Kohorte an Stipendiatinnen und Stipendiaten zu einer Arbeitsgruppe, die sich mit dem Potenzial indigenen Wissens zur Anpassung an den Klimawandel beschäftigte. „Der erste entscheidende Vorteil für mich war, dass ich über die Förderung und Vernetzung in der Gruppe plötzlich die Gelegenheit hatte, in unterschiedlichen afrikanischen Ländern zu arbeiten.“ Bestärkt durch erfahrenere climapAfrica-Stipendiaten begann er, Papers bei angesehenen, internationalen Fachmagazinen einzureichen. „Die Hürden hier sind sehr hoch. Als ich es tatsächlich geschafft hatte, einen Artikel in einem renommierten Fachjournal zu platzieren, war das ein wirklicher Wendepunkt meiner Karriere.“ Das Paper erzeugte Aufmerksamkeit, weitere Artikel kamen hinzu, schließlich wurden die Medien auf ihn aufmerksam. Zu seinem BBC-Auftritt kamen Einladungen durch CNN und RFI, erst neulich hat ihn das renommierte Online-Magazin The Conversation in sein afrikanisches Korrespondententeam aufgenommen.

Treffen der Working Group Climate Change and Indigenous Knowledge in Lomé, Togo, März 2023.

Working Group Summits: Wichtige Netzwerktreffen mit Entscheidungsträgern

Allerdings: Aufmerksamkeit allein reicht nicht, um wirkliche Veränderungen anzustoßen. Die Forschungsergebnisse müssen auch Eingang finden in politische Entscheidungsprozesse. Doch wie gelingt der Wissenstransfer in die Praxis? „Dies war eine der zentralen Fragen, die sich die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler in den Working Groups gestellt haben“, berichtet Julia Schwarzenberger, bis zum Abschluss des Projekts Referentin im climapAfrica- Programm. Hierfür zumindest günstige Rahmenbedingungen zu schaffen, war das Ziel von insgesamt acht Working Group Summits. Von den Stipendiatinnen und Stipendiaten selbst organisiert, boten die Treffen vor allem eine Plattform zur Vernetzung mit wichtigen regionalen und überregionalen Entscheidungsträgern. 

Zu einem Summit der Arbeitsgruppe Meterology and Climate Change Anfang März 2023 in Lomé, Togo, kamen der Vice Chancellor des Kompetenzzentrums WASCAL (West African Science Service Centre on Climate Change and Adapted Land Use), das mit climapAfrica kooperiert, sowie der deutsche Botschafter in Togo und Vertreter von NGOs. „Hinzu kam die innerafrikanische Vernetzung, welche maßgeblich für die Förderung dieser zukünftigen Führungskräfte in Klimaforschung und Klimaschutz ist“, betont Julia Schwarzenberger. Vertreten war die Länder Benin, Kamerun, Niger, Nigeria, Sudan, Togo und Ruanda.  „Da haben sich spannende Kooperationen ergeben, spezifische Forschungsprojekte gemeinsam voranzubringen. Der multidisziplinäre Ansatz in der Forschung zur Klimakrise ist besonders relevant und zielführend und wurde dementsprechend von climapAfrica fokussiert.“ 

Dr. Gloria Okafor hat sehr vom DAAD-Programm climapAfrica profitiert

Eine Teilnehmerin des Treffens in Togo war auch die Klimaforscherin Dr. Gloria Okafor, aktuell Dozentin am Department of Meteorology and Climate Change der Nigeria Maritime University. Während ihrer Zeit als climapAfrica-Stipendiatin war Okafor in der Working Group für Klimaschutz und Meteorologie engagiert und konnte enorm von der DAAD-Förderung profitieren, wie sie erzählt. „Zunächst einmal hat mich das Stipendium in meiner eigenen Forschung weitergebracht und mir geholfen, meinen Kenntnisstand signifikant auszubauen. Aber mindestens genauso wichtig waren der Austausch mit den Kolleginnen und Kollegen aus verschiedenen Ländern und die Schreibtrainings für verschiedene Formate. Das hat mir geholfen, in einer internationalen Forschungscommunity Fuß zu fassen und dabei auch wesentlich freier agieren zu können, als ich das aus dem universitären Kontext gewohnt war.“

Für Niels Böhm, bis ins Jahr 2022 der Hauptverantwortliche für die Etablierung und Betreuung der Arbeitsgruppen im climapAfrica-Programm, ist das eine gute Nachricht. „Die universitäre Hierarchie in Afrika ist häufig stark ausgeprägt und eigene Fragestellungen zu entwickeln, die von der Ausrichtung des entsprechenden Instituts abweichen, entsprechen schwer. In den Arbeitsgruppen wollten wir einen Raum schaffen, in dem man sich mit Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern des gleichen Fachgebiets auf Augenhöhe austauschen und auf diese Weise auch eigene Ideen entwickeln kann.“ Generell sei es entscheidend, die Forscherinnen und Forschern darin zu bestärken, eigene Schwerpunkte zu setzen, die für sie und deren lokale Gegebenheiten relevant sind. „Das war eines der Hauptziele des Programms“, so Böhm, der auch eine der größten Herausforderungen benennt, vor der die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern vor Ort stehen: „Klimaforschung ist zwingend angewiesen auf Daten. Und diese stehen leider oft nicht in ausreichendem Umfang zur Verfügung.“
 

Post-koloniale Forschungsansätze

An einer Lösung für dieses Problem arbeitet der Klimawissenschaftler und climapAfrica-Alumnus Dr. Nelson Chanza, aktuell tätig am Department of Geography, Environmental Science and Energy Studies der Universität Johannesburg. Auch im südafrikanischen Raum war climapAfrica aktiv, unterstützt durch das Kompetenzzentrum SASSCAL (Southern African Science Service Centre for Climate Change and Adaptive Land Management). Chanza, der wie Okunola in der Working Group zu Climate Change and Indigenous Knowledge mitarbeitete, beschäftigt sich in seiner Forschung mit der Möglichkeit, indigenes Wissen zu lokalen Wetterveränderungen zu nutzen, um die oftmals zu geringe Dichte von Wetterstationen in afrikanischen Ländern auszugleichen. „Wenn es an einer Messstation regnet, kann dies fälschlicherweise dazu führen, dies auch für einen weiten Umkreis anzunehmen, auch wenn es in der Region in Wirklichkeit eigentlich außergewöhnlich trocken ist. Die Menschen in diese Regionen wissen aber natürlich genau, wie das Wetter dort wirklich war.“
 

Dr. Nelson Chanza erhielt nach seiner DAAD-Förderung ein Stipendium des Max-Planck-Instituts für Wissenschaftsgeschichte in Berlin.

Chanza sieht seine Forschung dabei als Teil eines längst überfälligen Shifts hin zu mehr Wissensgenerierung aus dem afrikanischen Kontext heraus. „Die Klimawissenschaft ist immer noch wesentlich von westlichen Forschungsbeiträgen geprägt“, sagt er. „ClimapAfrica war eine fantastische Gelegenheit für mich und viele andere Geförderte, diese Lücke zu schließen. Man sieht das allein anhand der vielen, qualitativ hochwertigen Papers, die von Geförderten in den letzten drei Jahren veröffentlicht wurden.“

Wie Olasunkanmi Okunola profitiert auch Nelson Chanza weiterhin von dem Impuls, den die DAAD-Förderung in Bezug auf Wissenserwerb und Netzwerk setzen konnte. Von März bis Juni 2023 war er Stipendiat eines neuen Forschungsprojekts des Max-Planck-Instituts für Wissenschaftsgeschichte (MPIWG) und der Independent Social Research Foundation (ISRF). Die Forschenden sollen sich, so heißt es auf der Website, mit der Politik der Wissensbildung in wissenschaftlichen, intellektuellen, wirtschaftlichen, sozialen, technologischen oder ökologischen Bereichen befassen und mögliche Anwendungen auf reale Probleme auf regionaler oder globaler Ebene vorzuschlagen. „Dass einer unserer Geförderten an prominentester Stelle zu einem so wichtigen Thema im Kontext post-kolonialer Forschungsansätze beitragen kann, freut uns natürlich sehr“, so Niels Böhm. „Eine bessere Programmwirkung kann man sich eigentlich nicht wünschen.“

(Klaus Lüber, 7. September 2023)

 

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