Offenes Klima auf dem Campus

Auf der 41. Jahrestagung Internationale Studierende tauschten sich Mitarbeitende der Akademischen Auslandsämter zu aktuellen Herausforderungen aus.

Sie sind die wichtigste Anlaufstelle für internationale Studierende in Deutschland: die Akademischen Auslandsämter. Mit der Jahrestagung Internationale Studierende stellt der DAAD aktuelle Herausforderungen der International Offices zur Diskussion und leistet damit einen wertvollen Beitrag für deren Arbeitsalltag. In diesem Jahr standen auch die Themen Rassismus und Diskriminierung auf dem Programm.

Innerhalb von zwei Stunden nach Bekanntgabe des Programms war die Veranstaltung bereits ausgebucht: Rund 150 Mitarbeitende der Akademischen Auslandsämter nutzten die 41. Jahrestagung Internationale Studierende des DAAD am 11. und 12. Mai 2023 an der Universität Mannheim zum persönlichen Austausch und fachlichen Input. Neben der Frage nach den zentralen Faktoren für den Studienerfolg ausländischer Studierender kam eine weitere dringliche Aufgabe der International Offices in mehreren Sessions zur Sprache: Die besondere Situation von Studierenden mit Fluchterfahrung.

Akademische Integration von Studierenden aus der Ukraine

„Krisenbewältigung prägt in mehrfacher Hinsicht unsere aktuelle Arbeit“, erläuterte Dr. Andreas Hoeschen, Leiter des Bereichs Internationalisierungsprogramme für deutsche Hochschulen und zeitgleich Leiter der Moskauer Außenstelle des DAAD sowie Direktor des Deutschen Wissenschafts- und Innovationshaus (DWIH) in Moskau, in seiner Eröffnungsrede. „Die deutschen Hochschulen leisten mit der Aufnahme und akademischen Integration von tausenden aus der Kriegszone geflüchteten ukrainischen Studierenden dabei einen zentralen Beitrag.“ Zugleich schafften sie damit auch Voraussetzungen für den Wiederaufbau eines in Europa verankerten ukrainischen Hochschulsystems – und der DAAD unterstütze mit mehreren Programmen diese Anstrengungen.

Als ein Beispiel dafür informierten Frank Merkle, Referatsleiter für Mobilitäts- und Betreuungsprogramme des DAAD und seine Kollegin Tatjana Rauch, zuständige Programmreferentin, über das Stipendien- und Betreuungsprogramm (STIBET), mit dem der DAAD aus Mitteln des Auswärtigen Amtes deutschen Hochschulen Fördermittel für die Betreuung von internationalen Studierenden und Promovierenden zur Verfügung stellt. Zudem beleuchtete die Tagung digitale Tools zur Studienvorbereitung und Betreuung internationaler Studierender, Lösungsmöglichkeiten für problematische Visa-Verfahren sowie die Integration von internationalen Studierenden in den deutschen Arbeitsmarkt.

Die Teilnehmenden tauschten sich in einem World-Café-Workshop zum Status Quo an ihren eigenen Hochschulen aus.

Hochschulweites Konzept gegen Rassismus

Länderschwerpunkt der diesjährigen Veranstaltung bildete dabei Nigeria, das bevölkerungsreichste Land in Afrika. Die Konferenz vermittelte einen Überblick zur politischen Situation sowie zum nigerianischen Bildungssystem, erläuterte Perspektiven für Hochschulabsolventinnen und -absolventen – und Schwierigkeiten nigerianischer Studierender an deutschen Hochschulen. Dabei wurde auch ein Aspekt deutlich, der sich negativ auf den Studienerfolg und die psychische Gesundheit der Betroffenen auswirkt: Rassismus. Moderiert von Christine Müller, Leiterin der Abteilung für internationale Studierende und Studierendenprogramme im International Office der Universität Bonn, widmete sich eine Session den Möglichkeiten für ein offenes Klima auf dem Campus. Als Best Practice-Beispiel diente hierzu die Stabsstelle Antidiskriminierung und Diversität (ADiS) der Philipps-Universität Marburg, die seit 2019 als weisungsfreie Abteilung existiert. Katharina Völsch, Leiterin der ADiS, stellte ihre Arbeit vor und machte auf die Bedeutung von Rassismus und Diskriminierung aufmerksam. „Rassismus findet nicht ausschließlich auf der individuellen Ebene statt, sondern ist auch in die Struktur der Hochschulen eingeschrieben“, sagte sie. Etwa in der Art und Weise, welche Lehrinhalte ausgewählt, welche Frage behandelt, welche Perspektiven dabei eingenommen werden. „Bereits an meinem ersten Arbeitstag erhielt ich einen Anruf aufgrund eines Vorfalls.“

Katharina Völsch leitet die Stabsstelle Antidiskriminierung und Diversität (ADiS) der Philipps-Universität Marburg.

Von 2019 bis 2022 leistete die Stabsstelle rund 150 Antidiskriminierungsberatungen und sensibilisierte die Mitarbeitenden der Philipps-Universität Marburg mit insgesamt 52 Workshops, zwei Fachtagen und einer Themenwoche für benachteiligende Situationen und Diskriminierung. Zudem habe sie eine Richtlinie zum respektvollen Umgang und zum Schutz vor Diskriminierung und Benachteiligung erarbeitet. „Um effektiv gegen Rassismus vorgehen zu können, müssen wir allerdings für die internationalen Studierenden sichtbar sein“, erzählte Völsch. „Dazu nutzen wir beispielsweise Postkarten in mehreren Sprachen und Poster sowie unsere Webseite und Social-Media-Kanäle. Zudem stellen wir unser Angebot auch im Rahmen der Einführungswochen oder von Vorlesungen mit einem kurzen Vortrag persönlich vor.“  

Internationale Studierende stärken

Als konkretes Projekt zur Unterstützung von Studierenden, die sich als BiPoC (Black, Indigenous und People of Color) definieren, erläuterte Louise Brisante Mbakop, studentische Mitarbeiterin der Stabstelle ADiS, das von ihr koordinierte Programm Empowerment für Studierende mit Erfahrungen mit Rassismus (EStER). „Wir schaffen damit einen geschützten Raum, in dem die Betroffenen frei über ihre Wünsche und Probleme sprechen können“, erklärte Mbakop. Zudem dienten ein regelmäßiger Stammtisch sowie Workshops und ein Sommerbarbecue der Vernetzung. „Gleichzeitig informieren wir über Handlungsstrategien gegen Rassismus und stärken damit die Studierenden.“

Louise Brisante Mbakop, studentische Mitarbeiterin der Stabstelle ADiS, wünscht sich einen geschützten Raum für Studierende.

Im Anschluss an die Vorträge tauschten sich die Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Session in einem World-Café-Workshop zum Status Quo an ihren eigenen Hochschulen aus. Neben Maßnahmen und Strukturen zur Unterstützung für BiPoC-Studierende diskutierten sie auch darüber, wo Rassismus an ihren Hochschulen sichtbar wird. Zudem benannten sie Hürden, die es betroffenen Studierenden erschweren, eine Beratung in Anspruch zu nehmen: beispielsweise die Angst vor negativen Konsequenzen oder die Erwartung, mit den diskriminierenden Erfahrungen nicht ernst genommen zu werden. Konsens bestand in der Notwendigkeit, die Mitarbeitenden der Hochschulen für Rassismus zu sensibilisieren und niedrigschwellige Angebote zu installieren. Katharina Völsch bestärkte am Ende der Session die Mitarbeitenden der Akademischen Auslandsämter, Mut für schwierige Gespräche zu haben und vorhandene Perspektiven und Ressourcen in die Beratungsarbeit einzubeziehen. „Erkennen Sie, dass Rassismus auf allen Diskriminierungsebenen an deutschen Hochschulen wirkt und die Auseinandersetzung damit in uns selbst beginnt“, sagte sie.

(Christina Pfänder, 19. Mai 2023)

 

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