Vielfalt fördern

Illustration

Gleiche Chancen für alle Menschen zu schaffen, ungeachtet ihrer geschlechtlichen Identität, sozialen Herkunft oder Lebenssituation – das ist eines der zentralen Ziele der feministischen Außen- und Entwicklungspolitik der deutschen Bundesregierung. Auch der DAAD leistet hierzu mit seinen Programmen einen wichtigen Beitrag.

Die Lebensbedingungen für junge Menschen in Subsahara-Afrika sind oftmals schwierig. Das macht den Erwerb eines Hochschulabschlusses zur Herausforderung, insbesondere für diejenigen, die einer marginalisierten Gruppe angehören. Dazu zählen etwa junge Bachelor-Absolventinnen und -Absolventen mit Fluchthintergrund, die ihre Heimatländer aus existenzieller Not heraus verlassen mussten, um in anderen afrikanischen Staaten Schutz zu suchen.

Um speziell diese Gruppe zu fördern, hat der DAAD 2021 das Programm Leadership for Africa gestartet. Es soll jungen Talenten aus afrikanischen Ländern mit hohen Flüchtlingszahlen ein Masterstudium in Deutschland ermöglichen. Förderberechtigt sind dabei nicht nur Flüchtlinge, sondern auch Staatsbürgerinnen und -bürger der aufnehmenden Länder. Insgesamt zehn afrikanische Staaten wurden in der letzten Förderrunde berücksichtigt. Wer unterstützt wird, erhält ein Visum als internationale Studierende. „Damit holen wir die Flüchtlinge aus ihrer Marginalisierung heraus und weisen ihnen denselben Status zu wie allen anderen ausländischen Studierenden in Deutschland auch“, so Gudrun Chazotte, Leiterin des Referats Stipendienprogramme Afrika im DAAD. Dies gilt auch für die Zeit nach dem Studienabschluss. Eineinhalb Jahre lang dürfen die Absolventinnen und Absolventen des Programms sich um eine Anstellung in Deutschland bemühen. „Wir möchten ihnen eine echte Bleibeperspektive geben.“

Teilnehmende des Leadership-for-Africa-Programms bei der Übergabe eines Zertifikats zu einem interkulturellen Training an der Universität zu Köln Ende Januar 2023

Teilhabe durch Bildung

Leadership for Africa ist nur ein Beispiel, wie der DAAD sich mit seinen Programmen dafür einsetzt, weltweit benachteiligten Gruppen zu unterstützen. „In diesem Sinne verstehen wir uns durchaus als wichtigen Akteur einer feministischen Außen- und Entwicklungspolitik“, so Nina Salden, Bereichsleiterin Strategie und Steuerung im DAAD. In den kürzlich vom Auswärtigen Amt in enger Absprache mit dem Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) vorgestellten Leitlinien geht es im Kern darum, bislang diskriminierte Menschen über eine Veränderung gesellschaftlicher Machtstrukturen zu mehr Teilhabe an gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und politischen Prozessen zu verhelfen. „Bildung und der Zugang zu internationalen Netzwerken sind hierfür eine wichtige Voraussetzung. Dabei kann der DAAD mit seinen Stipendien und Förderprogrammen sehr gut unterstützen“, bekräftigt Salden.

Als größte marginalisierte Gruppe weltweit stehen Frauen im Zentrum einer feministischen Außen- und Entwicklungspolitik, oft auch mit dem englischen Titel Feminist Foreign Policy (FFP) benannt. Mit einem Anfang 2023 gestarteten Stipendienprogramm für afghanische Studentinnen unterstützt der DAAD mit Mitteln des BMZ rund 5.000 junge Frauen, die vor den Repressionen der Taliban in die Nachbarländer Bangladesch, Kirgistan oder Pakistan geflüchtet sind. Sie sollen dort die Möglichkeit erhalten, ihr Studium abzuschließen. Nicht spezifisch an weibliche Studierende, sondern an alle Akademikerinnen und Akademiker in schwieriger Lage richtet sich das im April 2021 gestartete Hilde Domin-Programm, das auch in den Leitlinien des Auswärtigen Amts zur feministischen Außenpolitik explizit als Beispiel für die Förderung gefährdeter Menschen genannt wird. Ursprünglich für Studierende und Forschende aus Belarus konzipiert, soll es bedrohten oder verfolgten jungen Menschen weltweit ein Studium oder eine Promotion an einer deutschen Hochschule ermöglichen.

Studierende aus einkommensschwachen Familien

Leider ist die Ausgrenzung von Bildungsoptionen, wie sie Flüchtlinge und bedrohte junge Menschen erfahren, nicht die einzige Herausforderung, vor denen junge Studierende weltweit stehen. Auch in westlichen Industrienationen ist es für Menschen aus weniger privilegierten Verhältnissen oft ungleich schwerer, eine akademische Laufbahn einzuschlagen. Seit April 2022 engagiert sich der DAAD im Rahmen einer Individualförderung erstmals genau für diese Gruppe. Durch die Kooperation im Programm Gilman-DAAD Germany Scholarships zwischen dem DAAD, dem Institute of International Education (IIE) und dem U.S. Department of State werden jährlich bis zu 40 zusätzliche Stipendien an US-amerikanische Bachelorstudierende aus einkommensschwachen Familien für überwiegend kürzere Studien- oder Praktikumsaufenthalte in Deutschland vergeben. Die finanziellen Mittel dafür stammen aus dem Transatlantik-Programm der Bundesrepublik Deutschland aus Mitteln des European Recovery Program (ERP) des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK).

 DAAD-Vizepräsidentin Dr. Muriel Helbig, die deutsche Botschafterin Emily Haber, Gilman-Alumna Dr. Jamesa Stokes und der CEO des Institute of International Education (IIE), Dr. Allan Goodman, bei der Unterzeichnung der Absichtserklärung zum Gilman Program am 15. November 2022 in New York

Für Gabriele Knieps, die das Programm als Leiterin des Referats Stipendien Nordamerika im DAAD koordiniert, ist es besonders beeindruckend, mit welch großem Enthusiasmus die Kandidatinnen und Kandidaten bei der Bewerbung um das Stipendium an den Tag legen. „Man merkt es den jungen Menschen an, welche Kraftanstrengung nötig war, um sich aus schwierigen Verhältnissen heraus zu entwickeln. Und wie sinnvoll es ist, gerade hier mit einer Förderung zu unterstützen.“

Frauen für den Klimaschutz

Ein weiterer Aspekt der Leitlinien zur feministische Außen- und Entwicklungspolitik betrifft die besondere Bedeutung von Frauen im Kampf gegen den Klimawandel. Diese sind im Augenblick stark von den zerstörerischen Effekten der Erderwärmung betroffen. Im Rahmen einer feministischen Energieaußenpolitik leitet das Auswärtige Amt daraus den Anspruch ab, Frauen und marginalisierte Gruppen in Zukunft explizit zu adressieren. Dies sei „nicht nur inklusiver, sondern kann einen überproportionalen ökologischen und wirtschaftlichen Mehrwert schaffen und einen wichtigen Beitrag zu effektivem Klimaschutz leisten“, heißt es in den Leitlinien des Ministeriums.

Mit seinem Postdoc-Stipendienprogramm climapAfrica leistet der DAAD schon seit vielen Jahren einen wichtigen Beitrag im Sinne eines entsprechend multiperspektivischen Ansatzes. Das Programm richtet sich an zukünftige Führungskräfte im Bereich Klimaforschung und Klimaschutz in Afrika. Hieraus hat sich die climapAfrica Women’s Group formiert: eine Gruppe von Wissenschaftlerinnen, die es sich zum Ziel gemacht hat, weiter daran zu forschen, wie spezifisch Frauen unter den Folgen des Klimawandels leiden. „Es geht aber auch darum, sich gegenseitig zu unterstützen und junge Frauen für die Wissenschaft zu begeistern“, so Nina Salden.

Diversität in Friedensprozessen

Darüber hinaus spielen Frauen auch in Friedensprozessen eine wichtige Rolle. Sind sie an Verhandlungen beteiligt, steigen die Chancen für einen dauerhaften Frieden, wie etliche Studien belegen. Die Leitlinien für feministische Außen- und Sicherheitspolitik wollen hierbei anknüpfen an die Resolution „Frauen, Frieden und Sicherheit“ der Vereinten Nationen aus dem Jahr 2000. Ziel soll es sein, Frauen und marginalisierte Gruppen weit stärker an Friedensverhandlungen zu beteiligen als bisher. Mit der Förderung des Deutsch-Kolumbianischen Friedensinstituts Instituto Colombo-Alemán para la Paz (CAPAZ) in Bogotá leistet der DAAD hierzu einen wichtigen Beitrag.

Seit 2016 unterstützt CAPAZ die Stabilisierung des Friedens zwischen der Regierung und den Guerilla-Gruppierungen der FARC und der ELN. „Ohne das Einbringen von Gender- und Intersektionalitätsperspektiven wird dies kaum gelingen“, erklärt Professor Stefan Peters, Direktor des Instituts. „Den Stimmen derjenigen, die am meisten unter dem Konflikt leiden, muss dringend mehr Gehör verschafft werden. Und das war in Kolumbien zu 80 Prozent die Zivilgesellschaft – darunter eben auch viele Frauen.“ Nur dann könne es gelingen, Frieden im Sinne eines erfolgreichen Peacebuildings auch dauerhaft zu sichern. Sogar das Thema Klimaschutz sei in diesem Kontext hochrelevant, erläutert Peters weiter. „Inzwischen ist gut dokumentiert, welch massive Umweltschäden der Konflikt zur Folge hat, etwa in Form verschmutzter Flüsse. Und unter diesen leiden Frauen und Kinder besonders.“

Prof. Dr. Stefan Peters, wissenschaftlicher Leiter des Instituto Colombo-Alemán para la Paz (CAPAZ)

Die eigene Geschichte reflektieren

Als zentral für die Arbeit von CAPAZ sieht Peters auch die Sensibilisierung für die eigene, koloniale Vergangenheit Deutschlands, ohne deren Aufarbeitung eine Zusammenarbeit mit Opferorganisationen nur schwer möglich sei. Ein Punkt, der auch in den Leitlinien zur feministischen Außenpolitik stark hervorgehoben wird. Über das Förderprogramm German Colonial Rule unterstützt der DAAD seit Dezember 2021 junge Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus Afrika, Asien und dem Pazifik, die mit ihrer Forschung genau dazu einen wichtigen Beitrag leisten. „Die Forschung junger Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus den ehemaligen Kolonialregionen gemeinsam mit deutschen Hochschulen ist ein wichtiges Zeichen weltweiter Annäherung“, so DAAD-Präsident Prof. Dr. Joybrato Mukherjee. „Damit tragen wir als DAAD dazu bei, historische und moralische Verantwortung für das entstandene Leid der Menschen in vielen Ländern Afrikas und Asiens zu übernehmen.“

KIWi Policy Talk zu Feminist Foreign Policy 24. März 2023

Illustration

Welche Relevanz hat eine feministische Außen- und Entwicklungspolitik (FFP) für Wissenschaft? Das war die Leitfrage des KIWi Policy Talks „Feminist Foreign Policy: Ein neues Paradigma für internationale Wissenschaftskooperationen?“ am 24. März 2023.

Für den DAAD sei diese Frage klar zu beantworten, wie DAAD-Präsident Prof. Dr. Joybrato Mukherjee in seinen einleitenden Worten zum KIWi Policy Talk bekräftigte: Mit der Förderung akademischen Austauschs könne man die Teilhabe unterschiedlicher gesellschaftlicher Gruppierungen unterstützen – eine der Grundvoraussetzungen für die sogenannten 3R (Rechte, Repräsentanz und Ressourcen), welche die FFP für marginalisierte Gruppierungen anstrebt. Was das im Detail für die individuelle Arbeit von Forschenden und das Agieren von Hochschulen bedeutet, dazu diskutierten im Talk Victoria Scheyer, Forscherin am Leibniz-Institut Hessische Stiftung Friedens- und Konfliktforschung, Dr. Claudia Zilla, Stiftung Wissenschaft und Politik, Dr. Peter Kettner, Leiter des Referats Strategie und Planung der auswärtigen Kultur- und Gesellschaftspolitik im Auswärtigen Amt, sowie Professorin Verena Blechinger-Talcott, Vizepräsidentin der Freien Universität Berlin.

Eine der wichtigsten Erkenntnisse: Echter Fortschritt ist nur dann zu erwarten, wenn Strukturen grundlegend verändert werden. Es reiche nicht, nur gendersensibel zu agieren, man müsse gendertransformativ handeln, so Claudia Zilla. Für die Wissenschaft heiße dies: mehr Pluralismus, mehr Dialog. Die Gefahr einer Einengung der Wissenschaftsfreiheit durch normative Setzungen sieht sie dabei genauso wenig wie Victoria Scheyer, die dafür plädierte, die Zugänge marginalisierter Gruppen zu Bildungssystemen zu verbessern. „Statt immer noch mehr Wissen über Betroffene zu generieren, müssen wir den Betroffenen die Gelegenheit geben, dieses Wissen selbst zu produzieren.“ Dafür, berichtete Verena Blechinger-Talcott, brauche es neben neuen Strukturen in der Forschungskooperation auch finanzielle Teilhabe der internationalen Partner. Etwas, was auch Peter Kettner vom Auswärtigen Amt unterstrich. Seine Hoffnung für Politik und Gesellschaft: „Irgendwann haben wir die Strukturen so verändert, dass wir ganz automatisch im Sinne einer feministischen Außenpolitik agieren.“

Mehr Informationen finden Sie hier: Feminist Foreign Policy: Ein neues Paradigma für internationale Wissenschaftskooperationen?

Klaus Lüber (30. März 2023)