Jemen: Bildung und Wissenschaft

Studierende am Rednerpult ihrer Dozentin.

Im Jemen herrscht eine der größten humanitären Krisen weltweit. Huthi-Rebellen und Anhänger von Ex-Präsident Ali Abdullah Salih sowie der Al-Qaida-Ableger der AQAP kämpfen seit 2011 um die Macht im Lande. Nachdem es den Huthi-Milizen gelang, im Frühjahr 2015 die Hauptstadt Sanaa und große Teile des Landes zu erobern, begann Saudi-Arabien unter militärischer Mitwirkung acht anderer Staaten am 25. März 2015 eine militärische Intervention. In der Folge sind 18,8 Millionen Menschen auf humanitäre Hilfe angewiesen, die Zahl der Binnenvertriebenen liegt bei ca. 2 Millionen Menschen, 185.000 befinden sich in Ländern der Region – eine der größten humanitären Krisen weltweit.

Schon vor dem Krieg gehörte Jemen zu den am wenigsten entwickelten Ländern der Welt. Das Bildungssystem machte jedoch kleine Fortschritte: Die Einschulungsrate auch in den Dörfern hatte sich seit der Vereinigung der zwei früheren Staaten Nordjemen (Hauptstadt Sanaa) und Demokratische Volksrepublik Jemen (Südosten, Hauptstadt Aden) zum heutigen Staat Jemen im Jahr 1990 stetig verbessert. Die Zahl derjenigen, die auch auf eigene Kosten im Ausland (verstärkt in Südostasien, aber auch in Deutschland) studierten, wuchs. Die eigenen Universitäten wurden besonders im technischen, aber auch im fremdsprachlichen Bereich ausgebaut. 2017 gab es insgesamt 36 höhere Bildungseinrichtungen, davon neun staatliche Universitäten und 27 private Institute, letztere zumeist für technische Bereiche.

Trotz des Krieges werden große Anstrengungen unternommen, den Betrieb dieser Bildungseinrichtungen aufrecht zu erhalten. Die letzten verfügbaren Zahlen zu eingeschriebenen Studierenden sind aus dem Jahr 2011 und weisen insgesamt 267.498 Personen aus, von denen 29% Frauen waren. Die wichtigsten und zugleich größten staatlichen Universitäten sind die von Sanaa und Aden. Da die ersten Universitäten erst in den 1970er Jahren gegründet wurden, existieren im Land selbst hauptsächlich Bachelorstudiengänge; das Angebot an Masterstudiengängen wird aber kräftig ausgebaut. Herausforderungen bestanden jedoch schon vor fünf Jahren in der Abhängigkeit von ausländischen Lehrern (hauptsächlich aus Sudan, Irak und Ägypten), in der hohen Analphabetenquote von 55% (bei Frauen sogar 70%) und dem starken Bevölkerungswachstum.

Diese Probleme wurden insbesondere seit 2015 von den sehr viel katastrophaleren Folgen des Kriegs überschattet und abgelöst. Die Luftschläge der Allianz von Staaten unter der Führung von Saudi-Arabien richten sich insbesondere gegen staatliche (primär militärische) Infrastruktur. Die militärischen Einsätze finden vor allem in größeren Städten des Landes statt, insbesondere in der Hauptstadt Sanaa, und stellen auch für die Zivilbevölkerung eine erhebliche Gefährdung dar. Ein Ende der Militäroperationen ist zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht absehbar. Sowohl die politische als auch die Sicherheitslage ist im ganzen Land ausgesprochen volatil. Die Gewährleistung der Sicherheit durch staatliche Behörden ist nicht sichergestellt.

Vor dem Krieg war Deutschland einer der bevorzugten westlichen Partner Jemens. Dies basierte hauptsächlich auf dem außerordentlich engen Verhältnis der ehemaligen DDR zum ehemaligen kommunistischen Südjemen. Die DDR unterstützte den Südjemen nicht nur im Bereich des akademischen Austauschs, sondern finanzierte auch einen Großteil der Infrastruktur. Viele Gebäude in der Hafenstadt Aden machen aufgrund ihres Baustils noch heute den Einfluss der DDR deutlich. Das Ende des Eisernen Vorhangs und damit der Zusammenbruch der DDR ebnete den Weg für die (erstmalige) Vereinigung der beiden jemenitischen Staaten zur Republik Jemen. Alle ehemaligen DDR-Stipendiaten wurden in die Arbeit des DAAD integriert. Aus diesem Grund gibt es im Jemen zwar sehr viele Alumni; die jährlichen Förderzahlen sanken nach der deutschen Wiedervereinigung aber dramatisch. Die Zahl der jemenitischen Studierenden in Deutschland stieg in den letzten Jahren kontinuierlich und belief sich im Semester 2016/2017 auf 1.041 jemenitische Bildungsausländer sowie 33 jemenitische Bildungsinländer.

Seit 1998 gab es ein Lektorat des DAAD an der Universität Sana’a; seit dem Herbst 2008 war mit Unterstützung des DAAD mit dem Aufbau einer weiteren Deutschabteilung im Jemen begonnen worden. Zu diesem Zweck wurde an der Universität Aden ein weiteres DAAD-Lektorat eingerichtet, 2009 kam eine Sprachassistenz hinzu. Das Interesse an Deutsch war groß, doch aufgrund der politischen Ereignisse mussten beide DAAD-Lektorinnen in 2011 das Land verlassen, an eine Wiederbesetzung der Positionen ist unter den derzeitigen Umständen nicht zu denken.

Verfasser: Felix Wagenfeld, DAAD Bonn