Von Papers in die Praxis
Wissenschaftliche Erkenntnisse fließen oft lediglich in akademische Papers, ohne in die praktische Anwendung zu gelangen. Mit ihren weltweiten Gründerprogrammen unterstützen die Deutschen Wissenschafts- und Innovationshäuser (DWIH) deutsche Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler dabei, ihre Forschung in tragfähige Geschäftsmodelle umzusetzen. Beim ersten DWIH Founders Summit Ende Juni in Köln tauschten sich Alumni der Start-up-Förderprogramme CITRIS und der GUILD Academy des DWIH San Francisco über ihre Erfahrungen aus – und darüber, was deutsche Universitäten von internationalen Gründungsökosystemen lernen können.
Wie können wir länger und gesünder leben? Welche Möglichkeiten gibt es, immer mehr Menschen sinnvoll zu ernähren? Wie erhöhen wir die Teilhabe von Menschen im digitalen Raum? An diesen und vielen weiteren Herausforderungen wird intensiv geforscht – auch an deutschen Universitäten. „Leider bleibt das Wissen sehr oft in den akademischen Papers stecken und kommt nicht richtig in die Anwendung“, erzählt Dana Pietralla. „Man forscht in einem Elfenbeinturm an richtig spannenden Dingen, die Erkenntnisse erreichen aber nicht die Gesellschaft und die Menschen in ihrem Alltag.“
Pietralla hat an der Universität Klagenfurt und der Universität zu Köln Psychologie studiert. Für ihre Doktorarbeit wollte sie der Frage nachgehen, wie sich die Wahrnehmung bei Menschen mit Störungen wie ADHS oder Dyslexie verändert. Dazu war sie an der UC Berkeley für einen Forschungsaufenthalt, danach sollte es eigentlich für den PhD an die New York University gehen. Stattdessen gründete Dana Pietralla ein eigenes Unternehmen. Sie entwickelt nun Beratungs- und IT-Lösungen für Unternehmen, um neurodiverse Menschen mit unterschiedlichsten kognitiven Bedürfnissen digital zu inkludieren. „Wir bringen damit wissenschaftliche Erkenntnisse aus der Kognitionswissenschaft in Unternehmen und Gesellschaft, um praktischen Mehrwert zu stiften.“
Women in Entrepreneurship
Die Förderung des Wissenstransfers von der Forschung in die Praxis liegt auch dem DAAD sehr am Herzen. Mit dem weltweiten Netzwerk aus Deutschen Wissenschafts- und Innovationshäusern (DWIH), gefördert vom Auswärtigen Amt, unterstützt er deutsche Universitäten in den Bereichen Forschung und Innovation. Dazu bieten die DWIH eine Reihe von Programmen an, die gründungsinteressierten Studierenden an deutschen Hochschulen die Gelegenheit geben, Zugang zu den Märkten der jeweiligen Sitzländer zu bekommen. Ein Beispiel ist das Women in Entrepreneurship Programm des DWIH San Francisco. Jedes Jahr können 100 Frauen aus deutschen Wissenschafts- und Forschungseinrichtungen an einer Online-Akademie teilnehmen, deren Ziel es ist, wissenschaftliche Ideen in tragfähige Geschäftsmodelle umzusetzen und unternehmerisch aktiv zu werden. Am Ende dürfen zehn Kandidatinnen für eine Woche ins Silicon Valley reisen, um dort Kontakte zu knüpfen.
Auch Dana Pietralla ist eine Alumna dieses Programms. Ende Juni trafen sie und andere Geförderte sich zum DWIH Founders Summit, einem ersten Ehemaligen-Treffen gründungsbezogener Förderprogramme der DWIH. „Wir wollen in Zukunft die Gelegenheit nutzen, von den Teilnehmenden zu lernen, zu erfahren, was gut funktioniert und was nicht“, berichtet Dr. Jan Lüdert, Programmleiter des DWIH New York. Zusammen mit der dortigen Deutsch-Amerikanischen Handelskammer organisiert das DWIH New York einmal im Jahr das STEP USA University Programm, das sich gezielt an deutsche Start-ups und Spin-offs aus dem Hochschulbereich richtet, die Zugang zum Gründungsökosystem New Yorks suchen oder sich zumindest davon inspirieren lassen wollen.
Raus aus der akademischen Bubble
Mit beim Alumnitreffen war auch Liwah Wong, eine Informatik- und Geowissenschaftlerin mit Abschlüssen der TU Berlin und Universität Göttingen. Wong ist Absolventin von CITRIS Innovation Intensive, einem durch das DWIH San Francisco geförderten fünftägigen Innovationsprogramm für deutsche Studierende und Nachwuchsforschende, die daran interessiert sind, ihre Forschungsprojekte in Start-ups zu überführen. Die Teilnehmenden lernen dabei an vier University-of-California-Standorten aktuelle Forschung und Start-ups kennen, erhalten Workshops und Vernetzungsmöglichkeiten und werden gezielt beim Transfer von Forschung in die Praxis unterstützt. Auch Wong wollte wie Pietralla „raus aus der akademischen Bubble“, wie sie es ausdrückt, wobei sie im Rahmen eines Projekts der TU Berlin dennoch weiterhin in der Forschung tätig ist.
Liwah Wongs Start-up entwickelt neuartige Bodenschichten, die auf die urbane Landwirtschaft und Landschaftsgestaltung zugeschnitten sind und etwa auf Hausdächern eingesetzt werden können. Basis bilden die in Großstädten anfallenden Biomasseabfälle. Im Unterschied zu bisherigen Lösungen sind die von New Soil entwickelten Bodenschichten wesentlich dünner und kommen mit einer Stärke von nur wenigen Zentimetern aus. „Mein Ziel ist es, die Lebensmittel- und Nährstoffsicherheit im Rahmen der Prinzipien der zirkulären Bioökonomie zu verbessern“, erklärt Wong.
Wertvolle internationale Einblicke
Sowohl Wong als auch Pietralla haben sehr von den jeweiligen Programmen profitiert. „Ehrlich gesagt ist die deutsche Start-up- und Innovationslandschaft immer noch ziemlich risikoavers. Die DWIH-Programme hingegen sind bodenständiger und umsetzungsorientierter, was besser zu meiner Denk- und Arbeitsweise passt“, so Wong. Für Pietralla war es vor allem der Kontakt zu Unternehmen in der Bay Area, der sie als Gründerin weitergebracht hat. „Das wissenschaftliche Netzwerk war durch meinen Forschungsaufenthalt an der UC Berkeley schon da. Was mir noch gefehlt hat, war das Netzwerk auf wirtschaftlicher Ebene.“
Was können deutsche Universitäten aus solchen Erfahrungen lernen? Marius Rosenberg ist Chief Product Officer (CPO) einer internationalen Organisation zur Förderung von Start-ups und Innovationen. Als ehemaliger Leiter des „Excellence Start-up Center“ an der RWTH Aachen weiß er sehr genau, wie das Thema Wissenstransfer und Ausgründungen an Universitäten gestärkt werden kann. „Wir müssen dringend das Mindset ändern“, so Rosenberg, der sich beim Founders Summit mit Jan Lüdert zu aktuellen Herausforderungen in diesem Handlungsfeld austauschte. Bislang werde der Transfergedanke auf der Leitungsebene vieler Universitäten noch nicht wirklich ernst genommen, so Rosenberg. „Maßgabe für die wissenschaftliche Exzellenz ist nach wie vor ausschließlich der Output an Papers. Dabei ist doch eigentlich der Transfer von Innovation in die Gesellschaft die relevante Messgröße. Ausgründungen sind für diesen Transfer das optimale Vehikel und sollten mehr Aufmerksamkeit bekommen.“
Wichtige Impulse durch Netzwerke
Der DWIH Founders Summit soll in Zukunft jährlich stattfinden und auch entsprechende Förderaktivitäten anderer DWIH adressieren. „Wir wollen damit auch den Effekt des Netzwerkens auf die Gründerinnen und Gründer stärken“, so Jan Lüdert vom DWIH New York. „Das unterschätzt man manchmal, wenn man nur den potenziellen Eintritt in einen fremden Markt im Blick hat. Aber wir erleben es auch immer wieder, dass unsere Geförderten sich nach dem Besuch in den USA erstmal doch entscheiden, in Europa zu bleiben. Entscheidend sind oftmals die Impulse, die sie durch den Austausch mit anderen Teilnehmenden der Förderprogramme bekommen.“
Klaus Lüber (15. Juli 2025)