Fokusthema 2025: Wissenschaftskommunikation

In einer zunehmend vernetzten Welt wächst die Bedeutung wissenschaftlich fundierter Antworten auf die großen Fragen unserer Zeit. Klimawandel, Pandemien, sicherheitspolitische Herausforderungen und die Digitalisierung verlangen nach Lösungsansätzen, die auf soliden Erkenntnissen basieren. Damit dies funktioniert, bedarf es eines breiten Rückhalts aus der Gesellschaft.
Nicht zuletzt ausgelöst durch die Coronapandemie erleben wir eine zunehmende Skepsis gegenüber wissenschaftlichen Erkenntnisprozessen, befeuert durch rechtspopulistische Strategien, „alternative Fakten“ für das eigene Agenda-Setting in Umlauf zu bringen. Der alte Vorwurf der Abkoppelung der Wissenschaft von der Gesellschaft, des Elfenbeinturms, in dem Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler forschen, ohne die „wirklichen“ Belange der Menschen im Blick zu haben, ist präsenter denn je. Zugleich wird von „der Wissenschaft“ erwartet, dass sie sich erklärt und dass sie möglichst klare Antworten liefert. Vor diesem Hintergrund widmet das DAAD Journal 2025 der Wissenschaftskommunikation ein eigenes Fokusthema.
Verantwortung gegenüber der Gesellschaft
Die These der Abkoppelung der Forschung möchte Ursula Paintner, Direktorin Kommunikation des DAAD, so nicht gelten lassen. „Die Idee des wissenschaftlichen Elfenbeinturms war noch nie zutreffend. Wissenschaft steht immer schon in einem engen Verhältnis zur Gesellschaft um sie herum.“ Daraus ergebe sich unmittelbar eine Rechenschaftspflicht gegenüber der Gesellschaft. „Die genuine Aufgabe von Wissenschaftskommunikation ist es, den Menschen klarzumachen: Welchen potenziellen Nutzen haben die Forschungsergebnisse für uns alle? Und was passiert eigentlich konkret mit meinen Steuergeldern?“
Der DAAD definiert sich durch seine Vision und Mission „Wandel durch Austausch“. Dies bringt auf den Punkt, warum Wissenschaftskommunikation im weitesten Sinne für die Organisation von zentraler Bedeutung ist. Ursula Paintner erläutert: „Der DAAD ist zuständig für internationalen Austausch, wir sind also nicht zuständig für jede beliebige Art von Wissenschaft, sondern wir kommen da ins Spiel, wo es darum geht, Wissenschaft international zu vernetzen.“ Erst durch die unterschiedlichen Ansätze, Fragestellungen, Vorgehensweisen und unterschiedlichen kulturellen Prägungen entstehe überhaupt erst ein Gesamtbild dessen, was Wissenschaft leisten kann.
Wissenschaft als Prozess verstehen und vermitteln
Eine zentrale Herausforderung der Wissenschaftskommunikation besteht darin, die Prozesshaftigkeit wissenschaftlicher Erkenntnisgewinnung zu vermitteln. In einer Welt, die nach einfachen Antworten verlangt, muss Wissenschaftskommunikation die Komplexität der Realität sichtbar machen. „Es ist ein weit verbreitetes Missverständnis, dass Wissenschaft sich ausschließlich mit der Generierung von Wissen befasst“, so Paintner. „Es ist aber entscheidend, hier zwischen Wissen und Erkenntnissen zu unterscheiden.“ In der Regel operieren Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler auf Basis von Erkenntnissen, die einem kontinuierlichen Wandel unterworfen sind. „Manchen Wahrheiten nähert man sich in einem schrittweisen Prozess – und das ist für viele Menschen nicht einfach zu akzeptieren. Dafür ist unser Bedürfnis nach einfachen, schnellen Erklärungen zu groß“, so Paintner.
Gerade hier liegt für Paintner die Aufgabe gelungener Wissenschaftskommunikation: „Die Komplexität der Welt sichtbar zu machen und dann zu zeigen, wie Wissenschaft dazu beiträgt, sich in dieser Komplexität zurechtzufinden – ohne auf alles immer gleich eine eindeutige Antwort zu haben. Trotzdem kann Wissenschaft, wenn es gut läuft und wenn es gut kommuniziert ist, natürlich unglaublich helfen, in einer sehr komplexen Welt Orientierung zu finden.“
Gibt es die „breite Öffentlichkeit“ überhaupt?
Entgegen der immer wieder geäußerten Notwendigkeit, die „breite Öffentlichkeit“ mit wissenschaftlichen Erkenntnissen zu erreichen, ist eine Wissenschaftskommunikation mit dieser Zielsetzung zum Scheitern verurteilt. „Gute Kommunikation ist immer zielgruppenspezifisch“, so Paintner. Eine wichtige Aufgabe bestehe darin, auch Zielgruppen zu erreichen, die nicht von Haus aus wissenschaftsnah sind: „Die Frage, für wen ist das, was ich tue, noch interessant; wen will ich damit erreichen und wie kann das gelingen? Was sind da die geeigneten Formate? Ich glaube, das ist eine Aufgabe, der wir uns als Wissenschaftsgemeinschaft noch sehr viel stärker widmen sollten.“
Grundlagenforschung und gesellschaftliche Relevanz
Wie wichtig eine gut funktionierende Wissenschaftskommunikation ist, zeigt sich insbesondere in der Grundlagenforschung. So wichtig es sei, diese zunächst von einem rein utilitaristischen Fokus auf eine unmittelbare Anwendbarkeit freizuhalten, müsse gerade Grundlagenforschung gut begründen können, wie deren Ergebnisse mittel- und langfristig einen echten gesellschaftlichen Mehrwert generieren. Diesen Ansatz spiegelt auch die Förderphilosophie des DAAD wider: „Relevant für den DAAD ist vor allem das Potenzial und die Perspektive eines Forschungsvorhabens. Selbstverständlich kann man in der Wissenschaft nicht am Tag 1, wenn man mit einem Forschungsprojekt loslegt, vorhersehen, was am Ende das Ergebnis sein wird. Das ist nicht realistisch, so funktioniert Wissenschaft nicht. Manchmal ist es ja auch schon ein wissenschaftliches Ergebnis, wenn man weiß, wie etwas nicht funktioniert.“
Im Laufe des Jahres 2025 beleuchtet das DAAD Journal verschiedene Aspekte der Wissenschaftskommunikation. Dazu gehören:
- Wissenschaft als Prozess: Wie funktioniert wissenschaftliche Erkenntnisgewinnung und wie kann dieser Prozess transparent kommuniziert werden?
- Krisenkommunikation: Wie kommuniziert Wissenschaft in Krisenzeiten und welche besonderen Herausforderungen ergeben sich daraus?
- Wissenschaftsskepsis: Wie kann Wissenschaftskommunikation auf zunehmende Skepsis und Ablehnung reagieren und den Dialog fördern?
- Die Rolle von Social Media: Wie verändert sich Wissenschaftskommunikation durch neue Medienformate und welche Chancen und Risiken ergeben sich daraus?
- Internationale Best Practices: Welche erfolgreichen Modelle der Wissenschaftskommunikation gibt es weltweit?