Als Forscherin in Asien: „Mein Netzwerk ist internationaler geworden“

„Ich bin Mathematikerin mit einer Begeisterung für Japan. Dank eines DAAD-Stipendiums konnte ich zwei Jahre als Postdoc in Tokyo am National Institute of Informatics verbringen. Das hat mir die lang ersehnte Chance gegeben, im Rahmen meiner Forschung für längere Zeit in Japan zu leben. Während dieser Phase in Japan gefördert worden zu sein, hat mir unglaubliche Möglichkeiten eröffnet, vor allem was Forschungsreisen angeht: Ich konnte an Workshops in Barbados, Polen, Slowenien und Taiwan teilnehmen, sowie andere Forschende aus Europa, Amerika und Korea nach Japan einladen. In Korea habe ich mit meiner jetzigen Forschungsgruppe zusammen sogar einen eigenen Workshop organisiert.
Die Möglichkeit, andere Forschende zu besuchen oder einzuladen, war besonders wertvoll für mich. Mein Netzwerk, das vorher hauptsächlich europäisch war, wurde internationaler. Ich konnte wichtige Kontakte knüpfen und interessante Menschen kennenlernen. Unser Feld ist relativ klein und die Experten sind über die gesamte Welt verteilt. Das macht internationalen Austausch zu einem essentiellen Bestandteil unserer Forschung.
Ich forsche an gerichteten Graphen, das ist Grundlagenforschung in der Mathematik. In meinem Forschungsfeld arbeiten wir daran, die Struktur von Netzwerken genauer zu untersuchen und Probleme abstrakt zu formulieren. Denn Netzwerkprobleme, die im wirklichen Leben auftauchen, entsprechen letztendlich der gleichen theoretischen Problemstellung. Es mag Leute geben, die sagen, dass wir nicht an Problemen forschen, mit denen die Menschheit aktuell konkret konfrontiert ist. Aber aus meiner Sicht ist Grundlagenforschung sogar mehr Zukunftswissenschaft als jede andere Forschung – weil sie nicht veraltet. Wir forschen für ein grundlegendes Verständnis von Konzepten, die abstrakt genug sind, um niemals bedeutungslos zu werden.
Seit 2024 arbeite ich als Postdoc am Institute for Basic Science (IBS) in Daejeon, Südkorea. Der Gruppenleiter hat mich bei einem meiner Besuche dort angesprochen und ich habe schnell zugesagt. Meine Forschungsgruppe hier am IBS ist sehr international und aktiv. Wir haben eigentlich immer Gastforschende hier zu Besuch, auch im Moment arbeiten drei Wissenschaftler aus Deutschland mit uns. Dieses internationale Klima, die Offenheit und der Austausch mit Forschenden aus der ganzen Welt zeichnen meine Arbeit aus. Ich kenne keine andere Gruppe, die Internationalität so lebt wie unsere. Das zeigt mir auch, wie wichtig Investitionen in Bildung und Forschung sind. Im Juni 2025 werde ich endlich wieder für eine Konferenz in Japan sein. Darauf freue ich mich sehr. An die Zeit dort denke ich immer gerne zurück.

Seit ich hier in Südkorea bin, habe ich mich fachlich etwas breiter aufgestellt und schaue ein bisschen über den Tellerrand. Im Moment forsche ich etwas mehr in der Geometrie, zum Beispiel zu Färbungsproblemen von Knoten und Kanten in Graphen. Mein Postdoc hier geht über zwei Jahre, aber die meisten bleiben fünf Jahre. Perspektivisch möchte ich in Europa auf einer festen Stelle arbeiten, ein möglicher Weg dorthin wäre zum Beispiel eine Juniorprofessur oder eine Stelle mit Tenure Track.
Es macht mir Spaß, meinen Besucherinnen und Besuchern auch etwas von dem Land zu zeigen, in dem ich lebe. In Japan habe ich Gäste gerne in die Berge mitgenommen, manchmal sogar auf den Fuji. Aber da muss man schon ein bisschen trainieren. Auch die japanischen Tempel sind wunderschön.
Hier in Korea bin ich jetzt selbst oft dankbar und beeindruckt, dass ich so viel Unterstützung vom IBS bekomme und Kolleginnen und Kollegen mich zu Behörden begleiten oder mich am Wochenende irgendwohin mitnehmen. Mein Chef ist beispielsweise am Anfang persönlich mitgekommen, um mir zu helfen, eine SIM-Karte für mein Handy im Laden zu besorgen. Das war wirklich enorm!“
Protokoll: Sarah Kanning (18. März 2025)