„Jetzt erst recht!“

Christian Strowa ist neuer Leiter der DAAD-Außenstelle in New York – und des dortigen Deutschen Wissenschafts- und Innovationshauses (DWIH). Erst seit September 2024 im Amt, sieht sich Strowa durch die Wahl Donald Trumps am 6. November mit stark veränderten Rahmenbedingungen konfrontiert. Für ihn und die Außenstelle heißt es daher: jetzt erst recht! Der DAAD müsse seine große Erfahrung in der transatlantischen Kooperation ausspielen und dafür sorgen, Netzwerke insbesondere jenseits der großen Küsten-Metropolen zu pflegen, zu verdichten und weiter auszubauen.
Herr Strowa, Sie sind erst seit zwei Monaten in New York, hatten sich vermutlich gerade eingelebt und schon jetzt zeichnet sich ab, dass das Land bald ein ganz anderes sein wird. Wie haben Sie den Wahlsieg Donald Trumps erlebt?
Am Wahlabend haben viele von uns hier im German House zunächst gemeinsam die Hochrechnungen verfolgt. Zu Beginn herrschte eine durchaus noch optimistische Stimmung. Als ich dann nach Hause ging, waren die Straßen von Manhattan erstaunlich leer, viele Menschen haben die Entwicklungen zu Hause vor den Bildschirmen verfolgt. Am nächsten Tag spürte man schon eine große Enttäuschung. Aber es war eine andere Stimmung als der Schock nach Trumps erstem Wahlsieg 2016.
Inwiefern?
Diesmal war es ja eine ganz klare Entscheidung, anders als im Rennen gegen Hillary Clinton. Auch dachten viele 2016 nicht ernsthaft, dass Donald Trump zum Präsidenten gewählt werden kann. Und was man natürlich auch nicht vergessen darf: Donald Trump war jetzt drei Wahlperioden hintereinander der republikanische Kandidat. Das heißt, Wählerinnen und Wähler um die 30 oder jünger kennen an der Wahlurne überhaupt keine andere republikanische Alternative. Und es handelt sich nun mal um ein de-facto Zweiparteiensystem.
Viele Kommentatorinnen und Kommentatoren betonen die Deutlichkeit des Siegs der Republikaner und gleichzeitig die Chance, das Land nun mit neuen Augen zu sehen. Wie sind Ihre Gedanken dazu?
Ich war schon einmal während einer Wahlperiode in New York als DAAD-Stipendiat vor genau 20 Jahren. Damals trat der Republikaner George W. Bush gegen den Demokraten John Kerry an. Ich habe in dieser Zeit an der New York University studiert, einem traditionell demokratischen Campus. Die Ernüchterung war groß, als Kerry es am Ende nicht geschafft hat. Aber die Überzeugung war, dass die Zukunft ohnehin den Demokraten gehöre, allein schon aufgrund demografischer Entwicklungen. Das war damals ein gängiges Narrativ – und eine eklatante Fehleinschätzung, wie wir heute wissen. Die Republikaner haben einen so klaren Wahlsieg errungen wie schon lange nicht mehr. Eine Verschiebung der US-amerikanischen Gesellschaft gab es in den letzten Jahren eher in die konservative Richtung. Und zwar demografieübergreifend, wie die Daten der aktuellen Wahl zeigen.
Wir sind seit 99 Jahren ein verlässlicher und etablierter Partner der Vereinigten Staaten – unabhängig von der jeweiligen Regierung.
Was bedeutet das für Ihre Arbeit beim DAAD?
Wir rechnen mit einigen deutlichen Auswirkungen, auch im Bereich der Studierendenmobilität. Unter der ersten Trump-Präsidentschaft ist der Anteil internationaler Studierender in den USA im weltweiten Vergleich um 12 Prozent zurückgegangen. Es ist wieder zu erwarten, dass sich viele junge Menschen gegen einen Aufenthalt in den USA entscheiden. Und deren Erfahrungsschatz und Netzwerke werden uns dann in den nächsten 10 bis 15 Jahren fehlen. Gleichzeitig rechnen wir aber damit, dass das Interesse an einem Studium in Deutschland weiter steigen könnte. Darüber hinaus könnte die Finanzierung der Hochschulen und Forschung hier in den USA unter Druck geraten. Die kommende Regierung hat durch die Kürzung staatlicher Gelder und durch neue Auflagen oder Neuauslegungen von Gesetzestexten die Möglichkeit, hier den ein oder anderen Hebel anzusetzen.
Indem die Regierung staatliche Studienkredite für bestimmte Fachbereiche kappt?
Zum Beispiel. Wobei es hier die Geistes- und Sozialwissenschaften sicherlich schwieriger haben dürften als etwa MINT-Studiengänge, auch was die Internationalisierung angeht. Donald Trump selbst hat mehrfach die Losung ausgegeben: „Für jeden MINT-Abschluss eine Greencard“. Grundlage dafür soll allerdings ein „strenger Prüfprozess“ sein, womit Visavergaben gemeint sein dürften. Aber auch eine stärkere Kontrolle der Angebote der Universitäten ist denkbar, beispielsweise auf Basis von Benachteiligungen beim Einwerben öffentlicher Mittel. Schwierig dürfte es für Maßnahmen im Bereich Diversity, Equity und Inclusion (DEI) werden – und denkbar auch für die German oder European Studies, die der DAAD hier in den USA unterstützt.
Welche Optionen hat der DAAD, hier dagegenzuhalten?
Aus DAAD-Sicht würde ich sagen: jetzt erst recht! Es gibt nicht nur Herausforderungen, sondern auch Chancen für die transatlantische Zusammenarbeit. Wir sind seit 99 Jahren ein verlässlicher und etablierter Partner der Vereinigten Staaten – unabhängig von der jeweiligen Regierung. Wir sollten die transatlantischen Hochschulkontakte jetzt eher noch intensiver pflegen, verdichten und ausbauen. Es wäre ein großer Fehler, sich in den nächsten Jahren zurückzuziehen und die Phase der Trump-Administration quasi abzusitzen. Zum einen können wir nicht davon ausgehen, dass wir dann mit offenen Armen empfangen werden. Und zum anderen sind einmal verloren gegangene Strukturen nur sehr schwer wieder zu reaktivieren.
Zumindest im Wahlkampf gab es von republikanischer Seite heftige Kritik an den Universitäten. Die Hochschulen, so der Vorwurf, seien ein Hort linker Ideologie und grenzten die breite Gesellschaft aus. Ist das neurechte Propaganda?
Ein Grundproblem scheint eine Diskussionskultur zu sein, die von vielen als eher ex- als inkludierend empfunden wird – und zwar auf beiden Seiten des politischen Spektrums. Ein reißerisches, einseitiges Überspitzen von Debatten auf der einen Seite befeuert ein Verhärten der Fronten und eine fehlende Dialogbereitschaft. Und wenn man umgekehrt beispielsweise mit Begriffen und Konzepten operiert, die viele Menschen außerhalb des akademischen Raums so nicht verstehen, kann das auch zum Problem werden. Es kann dazu führen, dass sich diejenigen Menschen ausgeschlossen fühlen, die nicht mit diesem Diskurs, mit diesen Begriffen aufgewachsen sind und sich auch nicht auf Augenhöhe angesprochen fühlen. Das trägt dann zum Narrativ der abgehobenen Uni-Eliten bei, das Donald Trump und J.D. Vance gerne bedienen – wohlgemerkt selbst Absolventen amerikanischer Top-Unis. Es ist auch nicht so, dass es an den Hochschulen keine offene Diskussionskultur gibt. Ich glaube aber, dass es im Bereich der Wissenschaftskommunikation noch Potenziale gibt, breiter in die Gesellschaft hineinzuwirken.
Mich fasziniert die Energie der Stadt, diese weitverbreitete Can-Do-Mentalität.
Vor Ihrer jetzigen Tätigkeit haben Sie den Bereich „Wissen und Netzwerk“ des DAAD in Bonn geleitet. Was hat Sie nach New York gezogen?
Mich fasziniert die Energie der Stadt, diese weitverbreitete „Can-Do-Mentalität“, die sich auch in einer positiven Grundeinstellung gegenüber Herausforderungen zeigt. Man konnte das direkt nach der Wahl beobachten. Da hat sich sehr schnell dieser Pragmatismus eingestellt: Man macht jetzt eben das Beste daraus. Weiter geht's! Inhaltlich gab es schon in meinem vorigen Bereich viele Anknüpfungspunkte, von Forschungssicherheit über Science Diplomacy bis hin zur Stärkung transatlantischer Beziehungen über Hochschulkooperationen. Und privat habe ich immer noch Kontakt zu einigen Freundschaften aus meiner Zeit an der NYU vor 20 Jahren.
Was haben Sie und Ihr Team in den nächsten Jahren vor? Welche Akzente wollen Sie im transatlantischen akademischen Austausch setzen?
Wir wollen das umfangreiche, in unserem Netzwerk in ganz Nordamerika vorhandene Wissen noch intensiver nutzen als bisher. Dabei spielen unsere Information Centers in San Francisco und Toronto eine ganz wichtige Rolle, ebenso die Vernetzung mit dem DWIH San Francisco. Aber auch die German-Studies-Dozenturen, die Centers for German and European Studies sowie die Alumni und Research Ambassadors sind hier zentral. Wir haben zum Beispiel im Vorfeld der Wahl als Team DAAD-Nordamerika begonnen, sogenannte Election Bulletins herauszugeben. Das ist ein Newsletter, in dem wir einordnen, welche Veränderungen im Bildungsbereich mit Blick auf die Wahl und nun die neue Legislaturperiode zu erwarten sind. Das Zweite ist: Wir wollen mit unseren Aktivitäten noch stärker in das Landesinnere hineinwirken, dort als verlässlicher Partner in Erscheinung treten und aufzeigen, welche Themen uns wichtig sind und warum es sich mehr denn je lohnen kann, mit dem Wissenschafts- und Innovationsstandort Deutschland zusammenzuarbeiten. Und drittens wollen wir auch bei der Themenwahl und der Ansprache noch stärker in die Breite wirken.
Welche Themen haben Sie dabei im Blick?
Zum Beispiel das Thema Forschungssicherheit, das uns im DAAD schon länger beschäftigt und gerade im Kontext des Umgangs mit China an zusätzlicher Relevanz gewonnen hat. Dazu werden wir uns im nächsten Jahr mit einem Workshop an der Research Security Konferenz Academic Security and Counter Exploitation (ASCE) in Texas beteiligen. Forschungssicherheit ist ein Thema, das auch für die Republikaner hohe Priorität hat. Es ist wichtig, dass wir hier über Parteigrenzen hinweg denken.
Interview: Klaus Lüber (5. Dezember 2024)