Amerika besser verstehen und Handlungsoptionen nutzen

Fünf Personen stehen lächelnd vor einer roten Wand mit dem Text „FALLING WALLS“ und „WHICH ARE THE NEXT WALLS TO FALL?“ während einer Konferenz.

Was bedeutet der Ausgang der US-Wahl 2024 für den transatlantischen Austausch im akademischen Feld? Wie positioniert sich Deutschland im Rahmen seiner Außenwissenschaftspolitik? Und wie nehmen US-amerikanische Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sowie Hochschulmitarbeitende den durch das Wahlergebnis herbeigeführten starken politischen Umschwung im eigenen Land wahr? Diese Fragen wurden im Rahmen des KIWi-Policy Talks „Transatlantic Science Relations & The US Election“ am 8. November 2024 in Berlin diskutiert. Wir haben die wichtigsten Positionen zusammengefasst.

 

„Unsere Aufgabe ist es, auf die USA zuzugehen“

Ein älterer Mann mit grauem Haar und Mikrofon spricht vor einem grauen Hintergrund auf einer Veranstaltung.

Die Außenwissenschaftspolitik zwischen Deutschland und den USA mag unter der neuen Trump-Administration anstrengend werden, aber das sollte uns eher Ansporn sein als Anlass zur Sorge. Ich habe ohnehin das Gefühl, dass wir in den Beziehungen zu unserem wichtigsten Partner außerhalb Europas noch mehr Anstrengungen unternehmen können und müssen. Insofern kann eine Regierung, die möglicherweise erst einmal unangenehme Fragen an uns stellt, auch eine Chance sein. Amerika ist viel zu wichtig, als dass wir uns zurückziehen könnten. Unsere Aufgabe ist es, auf die USA zuzugehen, und zwar auf alle Bürgerinnen und Bürger des Landes, unabhängig von ihren politischen Ausrichtungen. Wichtig dabei wird sein, die tiefe Vernetzung unserer Kooperationen in das ganze Land, auch jenseits der Metropolen an der Ost- und Westküste, auszuweiten. Wir wollen in die gesamte Breite der amerikanischen Gesellschaft hineinwirken, vor allen Dingen, um zu verstehen, welche gesellschaftlichen Veränderungen gerade ihre Wirkung entfalten. Und wir sehen ja, dass sich vieles verändert hat. Anders wäre das Votum für Trump in dieser Größenordnung nicht zu verstehen. Dafür haben wir Netzwerke, die wir noch besser aktivieren können. Die Ressourcen sind da. Wir müssen sie nutzen. 

Ralf Beste ist Abteilungsleiter für Kultur und Gesellschaft im Auswärtigen Amt in Berlin und zuständig für die Bereiche Kultur- und Bildungspolitik sowie für die öffentliche Diplomatie. 

 

„Unsere Mission als DAAD wird immer wichtiger“

Ein Mann in Anzug und Krawatte spricht vor einer roten Wand mit dem Schriftzug „FALLING WALLS“ und einem weißen Schild im Hintergrund.

Es gibt überhaupt keinen Grund für Deutschland und den DAAD, jetzt den Kopf in den Sand zu stecken. Ich glaube, es ist ganz wichtig, dass wir uns gerade in Anbetracht des aktuellen Wahlergebnisses zum transatlantischen Kooperationsverhältnis bekennen. Die USA sind nach wie vor einer unserer wichtigsten Partner, ohne das US-amerikanische Institute for International Education (IIE) gäbe es den DAAD nicht; er wurde 1925 mit Unterstützung des IIE gegründet. Unsere Mission wird aktuell nur wichtiger: Wir können gerade durch den Austausch von jungen Menschen und über die internationale Kooperation in wissenschaftlichen Projekten mit einem gemeinsamen Interesse dafür sorgen, dass wir uns besser verstehen. Unser Ziel ist es daher, auch in Zukunft erfolgreich interdisziplinär und transnational zusammenzuarbeiten. Dafür ist Deutschland gut aufgestellt. Wir sind das zweitattraktivste Land für internationale Forscherinnen und Forscher, das drittattraktivste für internationale Studierende und Promovierende. Natürlich kann es sein, dass die neue Trump-Administration durch Abschottungstendenzen etwa in der Visa-Vergabe die akademische Mobilität einschränkt. Das würde sich unmittelbar auf unsere Arbeit auswirken. Aber vielleicht nicht nur im negativen, sondern auch im positiven Sinne. Eventuell gewinnen wir dann ja die eine oder andere Forscherin oder den einen oder anderen Forscher für Deutschland. 

Professor Joybrato Mukherjee ist seit 2020 Präsident des Deutschen Akademischen Austauschdienstes (DAAD) und seit Oktober 2023 Rektor der Universität zu Köln.

 

„Es ist wichtig, uns stärker zu diversifizieren“

Eine Frau mit Brille und einem roten Namensschild spricht vor einem weißen Hintergrund bei einer Konferenz.

Die nächsten Jahre könnten herausfordernd für US-Universitäten werden, keine Frage. Es gibt einige Möglichkeiten der Regierung, Einfluss auf Universitäten auszuüben, etwa durch das Vorenthalten von Steuervergünstigungen und Finanzmitteln. Dennoch glaube ich, dass wir insgesamt stabil genug aufgestellt sind, um massive Eingriffe abzuwehren. Die USA sind sehr abhängig von akademischer Mobilität, gerade in den MINT-Fächern. Allein in New York sind 70 Prozent der Postdocs international. Wir als NYU agieren global. Unser Ziel ist es, allen unseren Studierenden die Möglichkeit zu geben, vor ihrem Abschluss Erfahrungen außerhalb der USA zu sammeln. Entsprechend wichtig ist es für uns, in Internationalisierung zu investieren, das ist in unsere Institutionen, in unsere akademische Kultur eingeschrieben. Obwohl es ein Missverständnis ist, dass wir, etwa im Vergleich zu Deutschland, weniger abhängig von staatlichen Geldern wären. Es stimmt, wir finanzieren uns zu einem größeren Anteil über Studiengebühren, aber diese sind wiederum abhängig von staatlichen Zuschüssen. Im Forschungsbereich stammen immerhin 60 Prozent aus staatlichen Töpfen. Es ist deshalb wichtig, uns hier stärker zu diversifizieren. Die Voraussetzungen dafür sind nicht schlecht, Universitäten werden etwa von privaten Spendern unterstützt. Und es gibt zunehmend Angebote der Industrie, im Bereich der Forschung zusammenzuarbeiten. Diese Option sollten wir in Zukunft noch stärker im Fokus haben. 

Professorin Annette „Nina“ Gray ist Associate Vice Provost for Research Planning and Analysis an der New York University. 

 

„Wir müssen den gesellschaftlichen Nutzen von Forschung besser erklären“

Eine Frau mit schwarzer Brille und dunklen Haaren spricht vor einer roten Wand mit dem Schriftzug „FALLING WALLS“.

Um mein spezifisches Forschungsfeld, die Teilchenphysik, mache ich mir keine großen Sorgen. Es basiert auf einem internationalen Netzwerk aus etablierten Institutionen wie dem CERN oder Fermilab, deren Finanzierung auf Jahrzehnte ausgelegt und gesichert ist. Trotzdem bin ich nach dem Wahlabend am Morgen aufgewacht und habe mir gesagt: Ich muss aktiv werden. Ich lebe als Wissenschaftlerin in einer Gesellschaft, in der Wissenschaft immer stärker infrage gestellt wird. Damit meine ich nicht unbedingt politisches Engagement. Es fängt schon damit an, den gesellschaftlichen Nutzen von Forschung besser zu erklären, gerade wenn es um meinen Tätigkeitsbereich geht: die Grundlagenforschung. Da braucht man einen sehr langen Atem. Manchmal dauert es Jahrzehnte, bis der Gesellschaft der konkrete Nutzen bewusst wird. Viele fürchten, dass Entwicklungen im Bereich der Gleichstellung und Inklusion zurückgedreht werden. Aber da bin ich ebenfalls zuversichtlich. Allen politischen Akteuren ist klar: Wir brauchen Arbeitskräfte im MINT-Bereich, um zukunftsfähig zu sein. Hier gibt es vor allem unter Minderheiten ein riesiges Potenzial, das wir noch ausschöpfen können. Ein höherer Anteil an Frauen oder beispielsweise hispanischen Einwanderern im MINT-Bereich ist also ein Wirtschaftsfaktor. Das wird auch eine neue Trump-Regierung nicht ignorieren können.

Professorin Young-Kee Kim ist Albert Michelson Distinguished Service Professor of Physics an der University of Chicago. Sie war Professorin an der University of California, Berkeley und stellvertretende Direktorin des Fermilab. 

Text und Protokolle: Klaus Lüber (17. Dezember 2024)

 

 


 

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