Vorbild USA: Wie deutsche Universitäten Unternehmertum fördern

Deutsche Universitäten profitieren davon, verstärkt unternehmerisches Handeln zu fördern.

Wie können deutsche Hochschulen stärker Innovationen und Ausgründungen fördern? Zur Beantwortung dieser Frage hat das DWIH San Francisco eine Studie in Auftrag gegeben, um Handlungsempfehlungen für politische Entscheidungsträger anhand von Best-Practice-Beispielen aus dem Silicon Valley zu entwickeln.

Hochschulen spielen eine zentrale Rolle bei der Förderung von wirtschaftlichem und gesellschaftlichem Wohlstand. Dabei gehen sie weit über ihre traditionellen Aufgaben in Bildung und Forschung hinaus und tragen aktiv zu unternehmerischem, innovativem und technologischem Wachstum bei. Dazu ist die gezielte Förderung von Technologietransfer und Unternehmertum unter den Studierenden nötig. Die USA und speziell Kalifornien mit seinem weltweit bekannten Innovationszentrum Silicon Valley agieren hier schon lange als Vorbilder. 

Eine durch das DWIH San Francisco in Auftrag gegebene Studie bietet einen vergleichenden Blick auf das Technologietransfer- und Unternehmertum-Ökosystem zwischen deutschen und kalifornischen Hochschulen. Ziel ist es, speziell auf die deutsche Situation zugeschnittene Empfehlungen zu geben, um die Kapazitäten der Universitäten zu erweitern und ihr geistiges Eigentum sowie die unternehmerische Energie von Fakultäten, Forschenden und Studierenden besser zu nutzen.

Dies geschieht im Rahmen von über fünf zentralen Dimensionen. Erstens, das Recht des geistigen Eigentums und das Arbeitsrecht: Hier zeigen sich Unterschiede in den rechtlichen und programmatischen Rahmenbedingungen zwischen den USA/Kalifornien und Deutschland. In Deutschland wird der Kommerzialisierung von Patenten weniger Bedeutung beigemessen, hinderliche Nebengesetze stellen weiterhin ein Problem dar.

Unternehmerisches Mindset

Zweitens spielen die organisatorischen Kapazitäten und Netzwerke der Technologie-Transfer-Büros (TTOs) eine entscheidende Rolle bei der Förderung von unternehmerischer Aktivität und der Verwertung von geistigem Eigentum. Deutschlands Stärke sind ausgeprägte regionale Cluster und Hubs. Will man die Bedingungen für Technologietransfer verbessern, könnte es sinnvoll sein, auch vermehrt sektorübergreifende Kollaborationen einzugehen, wie sie in Kalifornien üblich sind.

Drittens sind die Talentpools und Praktiken entscheidend für die Beschleunigung des Technologietransfers und Unternehmertums. In beiden Regionen spielen Migrantinnen und Migranten eine bedeutende Rolle im unternehmerischen Geschehen. Sprachliche Unterstützung und Mentoring können dabei helfen, Talente zu halten. Zusätzliche rechtliche und finanzielle Anreize können die Attraktivität Deutschlands für die weltbesten Studierenden, Forschenden, Professorinnen und Professoren sowie Start-up-Gründerinnen und -Gründer steigern.

Viertens: Das Mindset, die Kultur und Bildung sind von entscheidender Bedeutung für die unternehmerischen Ökosysteme der Universitäten. Hier zeigen sich deutliche Unterschiede zwischen Kalifornien und Deutschland. Eine stärkere Betonung einer unternehmerischen und risikotoleranten Denkweise sowie interdisziplinärer und erfahrungsbasierter Bildung könnte in Deutschland zu mehr Technologietransfers und Start-up-Gründungen führen.

Schließlich unterscheidet sich die Finanzierungslandschaft rund um die Hochschulen in Kalifornien und Deutschland deutlich. Die USA und Kalifornien verfügen über eine langjährige und robuste Finanzierungskultur für wissenschaftliche Ausgründungen, während Deutschland stärker auf staatliche Finanzierung angewiesen ist. Eine Diversifizierung der Finanzierungsquellen sowie Reformen im regulatorischen Umfeld könnten die Finanzierung von Universitäts-Start-ups in Deutschland verbessern.

Dr. Zahar Barth-Manzoori, Direktorin des DWIH San Francisco

Technologietransfer fördern

Auf Basis dieser Analysen gibt die Studie verschiedene Empfehlungen ab. Für das Recht des geistigen Eigentums sollte eine nationale Prioritätenliste für Innovationsräume geschaffen werden. Außerdem wäre es hilfreich, einen zentralen Beratungsdienst für die Kommerzialisierung von geistigem Eigentum einzurichten. Im Bereich Personal- und Arbeitsrecht könnten berufliche Entwicklungsmöglichkeiten auf Bundesebene etabliert und unternehmerische Aktivitäten als Bestandteil akademischer Karrieren gefördert werden. Die Technologie-Transfer-Büros in Deutschland sollten ihr Netzwerk stärken und Austauschplattformen mit US-amerikanischen Netzwerken schaffen. Spezialisierte Programme für Technologiemanager und Kooperationen zwischen TTOs und Fakultäten für Wirtschaft, Wissenschaft und Ingenieurwesen könnten ebenfalls gefördert werden.

Für die Rolle von Migrantinnen und Migranten im Unternehmertum schlägt die Studie vor, Englisch als zweite Amtssprache in Deutschland einzuführen und Programme zu entwickeln, die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler deutscher Herkunft in den USA als Mentorinnen und Mentoren für die nächste Generation deutscher Unternehmerinnen und Unternehmer einbinden.

Technologietransfer sollte Bestandteil aller Exzellenzstrategien von Universitäten sein. Damit setzen wir Impulse für ein unternehmerisches Mindset in der Wissenschaft.
Dr. Zahar Barth-Manzoori, Leiterin des DWIH San Francisco

Finanzierungslandschaft für wissenschaftliche Ausgründungen

Zur Förderung einer unternehmerischen Denkweise und Kultur in der Hochschulbildung sollten lokale Start-up-Gemeinschaften aktiv unterstützt und Strategien zur Vertrauensbildung als wertvolle Währung für berufliche Übergänge und Informationsaustausch entwickelt werden. Abschließend empfiehlt die Studie, die Finanzierungslandschaft für Universitäts-Start-ups in Deutschland zu diversifizieren, durch maßgeschneiderte Universitäts-Venture-Fonds und regulatorische Anpassungen akademisches Unternehmertum zu fördern und ein NextGen-Souveränitätsfonds für Deep Tech zu etablieren.

Durch den Vergleich des unternehmerischen Umfelds von Hochschulen in Deutschland und Kalifornien bietet diese Studie eine umfassende Analyse der Elemente, die die Kommerzialisierung von geistigem Eigentum, den Technologietransfer und die Gründung von Start-ups fördern oder einschränken. Dabei ist eine einfache Übertragung des Silicon-Valley-Modells auf deutsche Institutionen nicht empfehlenswert. Dennoch könnten die in der Studie Empfehlungen das Zusammenspiel zwischen Universität und Wirtschaft verbessern – vorausgesetzt, sie passen sich der spezifisch deutschen Situation an. Insofern dient die Studie als Grundlage für weitere Forschung über die Feinheiten der Implementierung dieser Empfehlungen sowie über Wege, die Hochschul- und unternehmerischen Ökosysteme in Kalifornien und Deutschland enger zu verbinden.

Zahar Barth-Manzoori (6. September 2024)

 

 

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