„Jordanien ist ein stabiler und verlässlicher Partner“

Benjamin Schmäling

Deutschland und Jordanien feiern 2023 die Aufnahme ihrer diplomatischen Beziehungen vor 70 Jahren. Die Zusammenarbeit ist über die Jahrzehnte gewachsen und sehr erfolgreich, nicht zuletzt aufgrund mehrerer wichtiger Abkommen: Seit 1959 etwa sind die Staaten Partner in der Entwicklungszusammenarbeit und 1979 unterzeichneten beide Länder das deutsch-jordanische Kulturabkommen, das eine entscheidende Grundlage für den akademischen Austausch und die Zusammenarbeit in den Bereichen Bildung, Kultur, Wissenschaft und Forschung bildet. Benjamin Schmäling, Leiter der DAAD-Außenstelle Amman, spricht im Interview über die wichtigsten Entwicklungen und Wirkungen der 70-jährigen Partnerschaft, die am 17. November 1953 ihren offiziellen Anfang nahm.

Herr Schmäling, in welchen Bereichen werden 70 Jahre diplomatischer Beziehungen zwischen Deutschland und Jordanien besonders sichtbar?

Die diplomatischen Beziehungen haben die Zusammenarbeit zwischen Deutschland und Jordanien grundlegend gefestigt. Traditionell ist die Partnerschaft vor allem in der Entwicklungszusammenarbeit sehr eng. Deutschland ist für Jordanien der zweitgrößte bilaterale Geber nach den USA. Im Jahr 2022 sicherte Deutschland Jordanien wie schon in den Vorjahren erneut umfangreiche Unterstützung für Vorhaben in den Bereichen Wasser, Hilfe für Geflüchtete, Entwicklung der Privatwirtschaft und des Finanzsystems, berufliche Bildung und Governance zu. Das macht sich auch in den wirtschaftlichen Beziehungen bemerkbar: Deutschland ist Jordaniens wichtigster Handelspartner in Europa. Politisch arbeiten die Staaten ebenfalls eng zusammen, beispielsweise, um den Friedensprozess im Nahen Osten voranzutreiben oder im Bereich der Terrorabwehr. Nicht zuletzt spiegelt sich diese enge Zusammenarbeit auch seit Jahrzehnten im akademischen Bereich wider. Insgesamt kann man sagen, dass Jordanien in einer sehr volatilen Region ein stabiler und verlässlicher Partner ist.

Wie hat sich der Austausch im akademischen Bereich entwickelt?

Im Bereich der individuellen Mobilität nach Deutschland war der Anteil jordanischer Studierender schon immer vergleichsweise hoch. Obwohl Jordanien 1975 nur zwei Millionen Einwohner und nur eine Universität hatte, studierten damals laut dem Bundesamt für Statistik schon etwa 600 Studierende aus Jordanien an einer deutschen Hochschule. In den vergangenen zehn Jahren sind die Zahlen noch einmal deutlich gewachsen – mehr als 2.300 jordanische Studierende studieren inzwischen pro Jahr an deutschen Hochschulen. Besonders groß ist das Interesse in den Bereichen Ingenieurwissenschaften und IT.

Die steile Entwicklung der akademischen Zusammenarbeit lässt sich auch an zahlreichen Hochschulkooperationen aufzeigen: Im Mai 2023 waren 119 deutsch-jordanische Kooperationen bei der Hochschulrektorenkonferenz gelistet. Damit ist Jordanien an erster Position in der gesamten MENA-Region. Blickt man auf die DAAD-Förderungen, sind zwischen 2019 und 2022 insgesamt 66 interdisziplinäre Projekte unterstützt worden, in denen jordanische Hochschulen über die deutschen Partner involviert sind. Die Bandbreite der Disziplinen erweitert sich dabei erkennbar um den Bereich der Sozialwissenschaften sowie um Archäologie und Kulturerhalt, dem für den Tourismus hierzulande eine große Bedeutung zukommt.

Nach dem Vorbild deutscher Fachhochschulen wurde in Amman vor knapp 20 Jahren die German Jordanian University (GJU) gegründet. Welche Bedeutung hat sie?

Die GJU ist ein herausragendes Beispiel für deutsch-jordanische Zusammenarbeit im Hochschulbereich. Sie wurde auf höchster Regierungsebene beschlossen und 2005 mit starken und engagierten Partnern auf jordanischer und deutscher Seite eröffnet. Die Anbindung an Deutschland ist dabei sehr eng. Die inzwischen rund 4.700 Studierenden der GJU lernen alle die deutsche Sprache und verbringen ein Jahr in Deutschland – aufgeteilt in ein Studium an einer der 120 deutschen Partnerhochschulen und ein Praktikum in einem deutschen Unternehmen. Die GJU ist zugleich in viele Kooperationen vor allem mit deutschen Hochschulen für Angewandte Wissenschaften involviert. Im jordanischen Hochschulkontext hat sie Modellcharakter. Der praxisorientierte Ansatz sorgt für wichtige Arbeitsmarktperspektiven für die Absolventinnen und Absolventen und man kann beobachten, dass sich andere jordanische Hochschulen an der GJU orientieren.

Allein vom DAAD sind mehr als 1.500 ehemalige Stipendiatinnen und Stipendiaten Deutschland weiterhin sehr verbunden und wichtige Botschafterinnen und Botschafter hier im Land und der Region.
Benjamin Schmäling, Leiter der DAAD-Außenstelle Amman

Woran messen Sie den Erfolg aus 70 Jahren akademischer Zusammenarbeit?

Den wichtigsten Effekt von Hochschulkooperationen kann man an der Anzahl der Alumnae und Alumni ablesen. Allein vom DAAD sind mehr als 1.500 ehemalige Stipendiatinnen und Stipendiaten Deutschland weiterhin sehr verbunden und wichtige Botschafterinnen und Botschafter hier im Land und der Region. Gleichzeitig besetzen ehemalige Geförderte viele Schlüsselpositionen in unterschiedlichen Institutionen in Jordanien und bauen die deutsch-jordanischen Beziehungen im Hochschulbereich weiter aus.

Welche herausfordernden Themen werden Sie in der nächsten Zeit beschäftigen?

Das Thema Fachkräfte für Deutschland und Jordanien ist aktuell bedeutsam. Es gilt, den lokalen Arbeitsmarkt nicht aus dem Blick zu verlieren, für faire Migration zu sorgen und keinen Braindrain zu erzeugen. Die tragfähigen Beziehungen sorgen aber auch hier für guten kontinuierlichen Austausch. Mit Blick in die Zukunft würde ich gerne für die guten Angebote an jordanischen Hochschulen werben und die Anzahl deutscher Studierender in Jordanien erhöhen. Außerdem liegt mir hier im Land die regionale akademische Vernetzung am Herzen.

Eine letzte persönliche Frage: Was lieben Sie an Jordanien?

Von Anfang an hat mich die Herzlichkeit der Menschen und die sprichwörtliche Willkommenskultur und Gastfreundschaft begeistert. Man fühlt sich mit offenen Armen empfangen und das wirkt sich sehr positiv auf den Alltag und die Arbeit aus.

Interview: Bettina Mittelstraß (22. Mai 2023)

 

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