Neue Blicke auf britische Hochschulen

An der Universität Bangor kamen die Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Hochschulpolitischen Informationsreise mit walisischen Kolleginnen und Kollegen zusammen.

Nordengland und Wales im Fokus: Die jüngste Hochschulpolitische Informationsreise der Internationalen DAAD-Akademie (iDA) setzte regional und fachlich einen besonderen Schwerpunkt. Im Rahmen des DAAD-Programms HAW.International konnten Spitzenvertreterinnen und -vertreter deutscher Hochschulen für Angewandte Wissenschaften (HAW) wertvolle Kontakte knüpfen, nicht zuletzt angesichts der Folgen des Brexits.

Auch in Großbritannien gibt es noch viel zu entdecken – das zeigte die Hochschulpolitische Informationsreise HAW.International des DAAD ins Vereinigte Königreich: „Aufgrund meiner Affinität zum Land hatte ich mich angemeldet und mich auf eine Art ‚Heimspiel‘ gefreut, aber die Hintergründe zum Hochschulsystem und den lokalen Universitäten in Nordengland und Wales wurden noch einmal deutlich vertieft durch die Reise“, hebt etwa Professorin Petra Maier, von 2018 bis 2023 Rektorin der Hochschule Stralsund, hervor. „Das Wissen, wie die Hochschulen funktionieren, ist enorm wichtig für die Zusammenarbeit! Es war eine sehr intensive Woche, und für jeden war etwas dabei.“ 

Chancen für Kooperationsmöglichkeiten

Vom 12. bis zum 18. März 2023 war eine Gruppe von 19 Spitzenvertreterinnen und -vertretern deutscher Hochschulen für Angewandte Wissenschaften der Einladung der Internationalen DAAD-Akademie gefolgt, Universitäten in Nordengland und Wales zu besuchen, dabei die Kenntnisse zu den britischen Hochschulsystemen zu erweitern und die Möglichkeiten für Kooperationen zu erörtern. Ausgerichtet wurde die Reise im Rahmen des Programms Internationalisierung der Hochschulen für Angewandte Wissenschaften (HAW.International). „Mit diesem Angebot können wir direkt vor Ort Wissen für Hochschulleitende vermitteln und internationale Austauschmöglichkeiten wie Informationen zum deutschen HAW-System bieten – gleichzeitig ist die Veranstaltung für uns in der iDA wichtig, um Bedarfe der HAW zu Internationalisierungsthemen mitzunehmen“, erläutert Corinna Jörres als betreuende Referentin der DAAD-Akademie.

Gruppenbild an der Universität Manchester: Unterschiedlichste Hochschulen waren das Ziel der deutschen Delegation.

Die DAAD-Außenstelle London hatte das Programm für die Delegation vorbereitet. Der regionale Schwerpunkt war gezielt gewählt: „Wir wollten ganz bewusst nicht in das ‚Goldene Dreieck‘ der berühmten Universitäten in London, Cambridge und Oxford gehen“, sagt Ruth Krahe, Leiterin der Außenstelle London. Zwar waren mit den Universitäten Liverpool und Manchester auch zwei Mitglieder der Russell Group, des Zusammenschlusses führender britischer Universitäten, Stationen der Reise, der Fokus lag aber auf Hochschulen wie beispielsweise der Liverpooler John Moores University. Sie gehört zur ehemaligen Gruppe der berufsbildenden „polytechnics“, denen 1992 in einer groß angelegten Reform des britischen Hochschulsystems Universitätsstatus verliehen wurde. „Ihre starke regionale Verwurzelung und ihre Ausbildung für die lokale Wirtschaft machen sie zu besonders gut passenden Partnern für die deutschen HAW“, so Krahe. Auch beim Besuch der Sheffield Hallam University wurde dieser Aspekt deutlich, zumal mit Speed Networking der Austausch im Vordergrund stand: Durch das Format traf die Reisegruppe in Sheffield auch hochrangige Vertreterinnen und Vertreter der Universitäten Bradford, Lincoln und York sowie der Leeds Beckett University und der Nottingham Trent University. 

Den Wert solcher Austauschmöglichkeiten unterstreicht etwa Professorin Anne Najderek, Prorektorin für Internationalisierung, Weiterbildung und Hochschulkultur der Hochschule Offenburg: „Das Angebot des DAAD zu einer solchen hochschulpolitischen Informationsreise ist für uns als HAW sehr hilfreich: Neben dem Kennenlernen von potenziellen Partnern und Hochschulstrukturen im Ausland, dem intensiven Austausch und der Vernetzung mit Kolleginnen und Kollegen können durch diese Reise direkt konkrete Kooperationsmöglichkeiten angegangen und umgesetzt werden.“

An der Sheffield Hallam University besuchte die Reisegruppe auch Labore.

Der Austausch für Kooperationen ist angesichts des Brexits besonders wertvoll, denn im Mai läuft auch die Beteiligung des Vereinigten Königreichs am Erasmus+ Programm aus. „Wir haben bei unseren britischen Ansprechpartnerinnen und -partnern große Offenheit für weitere Kooperationen registriert“, sagt der Stellvertretende Generalsekretär des DAAD Dr. Michael Harms. „Sowohl die deutsche als auch die britische Seite sind entschlossen, die Zusammenarbeit neu zu denken und Hürden gemeinsam zu überwinden.“
Ruth Krahe veranschaulicht, welche Herausforderung der Brexit darstellt: „Besonders vor dem Hintergrund ihrer vergleichsweise kommerziellen Ausrichtung werden die britischen Universitäten nach dem Wegfall der Erasmus+ Partnerschaften stärker auswählen, mit wem sie Kooperationen für den akademischen Austausch eingehen. Umso wichtiger ist es für die deutschen Hochschulen, ihre potenziellen Partner und die Kooperationsmöglichkeiten zu kennen.“ Das beruht auf Gegenseitigkeit, wie Michael Harms deutlich macht: „Gerade weil das deutsche Hochschulsystem stark ausdifferenziert ist, haben die britischen Universitäten großes Interesse daran, es besser kennenzulernen. Auch an dieses Bedürfnis richtet sich das Format der Hochschulpolitischen Informationsreise.“

Wales öffnet ein Fenster nach Europa

In Wales ist das Interesse am Austausch mit Kontinentaleuropa besonders groß: Das neu aufgelegte Taith-Programm begegnet gezielt der Herausforderung, den Verlust der Erasmus+ Partnerschaften auszugleichen. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Hochschulpolitischen Informationsreise konnten an der Bangor University zahlreiche Kontakte mit Vertreterinnen und Vertretern des walisischen Hochschulsystems knüpfen. Diese zeigten sich ebenfalls erfreut über die Begegnungen. So bekräftigte etwa Dr. Lewis Dean, Leiter des Wales Innovation Network, nach dem Treffen in Bangor: „Die Veranstaltung war wirklich sehr nützlich, um das deutsche System der HAW und die einzelnen Hochschulen kennenlernen zu können. Ich freue mich darauf, mit den deutschen Kolleginnen und Kollegen zusammenzuarbeiten!“

Johannes Göbel (29. März 2023)