Wissenschaftlicher Austausch mit Kenia und Ostafrika

Kenias Nationale Sicherheitsberaterin Dr. Monica Kathina Juma nahm wie DAAD-Generalsekretär Dr. Kai Sicks (M.) und Botschafter Sebastian Groth an den Feierlichkeiten zum 50-jährigen Bestehen der DAAD-Außenstelle Nairobi teil.

Doppelinterview anlässlich 50 Jahre DAAD-Außenstelle Nairobi und 60 Jahre diplomatische Beziehungen Deutschland-Kenia mit Sebastian Groth, deutscher Botschafter in Kenia, und Dr. Kai Sicks, Generalsekretär des DAAD.

Lieber Herr Groth, lieber Herr Sicks, wir treffen uns in der Deutschen Botschaft in Nairobi. Kenia feiert in diesem Jahr 60 Jahre Unabhängigkeit. Die Bundesrepublik erkannte das Land 1963 als erster Staat völkerrechtlich an, der DAAD ist seit 1973 vor Ort. Wie schauen Sie beide auf die heutigen kenianisch-deutschen Beziehungen in Politik und Wissenschaft?

Sebastian Groth: Die deutsch-kenianischen Beziehungen blicken auf 60 sehr gute Jahre zurück und befinden sich im Moment in einer Phase weiterer Vertiefung. Das betrifft zunächst die politischen Kontakte: Kanzler Scholz und Präsident Ruto haben sich in den letzten zwölf Monaten viermal persönlich getroffen. Wir begrüßen fast wöchentlich Delegationen aus Berlin, und fast ebenso häufig geht es von Nairobi an die Spree. Auch die wirtschaftlichen Netzwerke wachsen: Rund 120 deutsche Unternehmen sind vor Ort tätig, und Deutschland ist ein attraktiver Markt für kenianische Produkte, nicht nur aus der Landwirtschaft. Auch der gesamte Bereich Wissenschaft, Forschung und universitäre Zusammenarbeit ist seit der Unabhängigkeit des Landes ein wichtiger Pfeiler der Beziehungen. Kenias Präsident ist DAAD-Alumnus und hat im Land mit einem DAAD-Stipendium studiert. Nicht zuletzt hat Kenia eine sehr dynamische universitäre Landschaft mit vielfältigen Forschungsfeldern, wie Luft- und Raumfahrt oder Künstliche Intelligenz, wo kenianische Universitäten wichtige Partner für Deutschland sind.

Kai Sicks: Auch wir sehen im DAAD die Zusammenarbeit in der Wissenschaft und bei den Hochschulen seit vielen Jahren in einem Wachstum begriffen. Bereits kurz nach Kenias Unabhängigkeit 1963 haben wir mit der Vergabe von Stipendien für kenianische Studierende zum Studium im eigenen Land begonnen, sogenannte Surplace-Stipendien. Ein solches Stipendium hat auch Präsident Ruto erhalten, und er betont, dass er der erste kenianische Staatspräsident ist, der sein Studium in Kenia abgeschlossen hat. Seit 1973 haben wir eine andauernde Präsenz vor Ort und in den letzten zwei, drei Jahrzehnten hat sich die Zusammenarbeit durch den Aufbau von gemeinsamen Projekten deutscher und kenianischer Hochschule erheblich verdichtet. Kenia ist für den DAAD und die deutschen Hochschulen das wichtigste Land in Ostafrika und eines der wichtigsten in Subsahara-Afrika insgesamt. Es gibt zugleich auch Herausforderungen, da Kenia aktuell mit wirtschaftlichen Problemen kämpft, und die finanziellen Spielräume beschränkter sind als in der Vergangenheit. Die Zusammenarbeit auf Augenhöhe erfordert dabei gegenseitiges Engagement und Ressourceneinsatz.

Kenia ist ein aufstrebendes Land in Ostafrika, etabliert sich zunehmend als Forschungs- und Innovationsstandort, der Hochschulsektor wurde ausgebaut. Welche Rolle spielen diese Entwicklungen für Deutschland, wirtschaftlich und wissenschaftlich?

Groth: Kenia verfügt über ein großes Potenzial, insbesondere aufgrund seiner jungen Bevölkerung mit einem Durchschnittsalter von 19,5 Jahren. Die Begeisterung für Innovation und Technologie ist hier überall spürbar, und Ideen, die in Deutschland aufgrund von hoher Regelungsdichte oder anderen Bedenken scheitern, werden in Kenia schnell umgesetzt. Die Start-up-Szene ist lebendig, und der Unternehmergeist stark ausgeprägt. Deutschland und Europa können von dieser Dynamik in vielen Bereichen profitieren, sei es in der Digitalisierung, bei den erneuerbaren Energien oder der Luft- und Raumfahrt. Kenia ist führend bei erneuerbaren Energien wie der Geothermie und hat bereits einen eigenen Satelliten ins All geschossen. Darüber hinaus bietet die Qualifikation unterhalb der universitären Ebene, insbesondere das duale Berufsausbildungssystem, großes Potenzial für die deutsch-kenianische Zusammenarbeit.

Sicks: Die große Zahl junger Menschen in Kenia bieten auch die Möglichkeit, zusätzliche Studierende für Deutschland zu gewinnen, was nicht zuletzt angesichts unseres erhöhten Bedarfs an auch akademisch ausgebildeten Fachkräften interessant ist. Kenia wiederum möchte sicherstellen, dass seine Absolventen eine hochwertige Ausbildung erhalten, da das heimische Hochschulsystem aufgrund der steigenden Bevölkerungszahl an seine Grenzen stößt. Ein enger Austausch von Studierenden zwischen beiden Ländern kann daher eine Situation schaffen, die allen Beteiligten zum Vorteil gereicht. Zudem sehen wir, dass viele Professorinnen und Professoren der führenden Universitäten des Landes von DAAD-Förderungen profitiert haben, oftmals haben beispielsweise große Teile der naturwissenschaftlichen Fakultäten in Deutschland promoviert und unterhalten weiterhin enge Verbindungen zu deutschen Hochschulen.

Auch das Umweltprogramm der Vereinten Nationen hat seinen Sitz in Nairobi, und Kenia ist ein wichtiger Akteur beim Erhalt der Artenvielfalt und der Umsetzung der UN-Nachhaltigkeitsziele. Welche Rolle spielt die wissenschaftliche Kooperation mit Deutschland in diesen Themen?

Groth: Die wissenschaftliche Kooperation spielt eine wichtige Rolle in unseren Beziehungen, insbesondere im Energie- und Klimabereich. Deutschland und Kenia haben im Dezember eine Klima- und Entwicklungspartnerschaft unterzeichnet, die neue Mittel zur Verfügung stellen wird. Dies wurde durch weitere Zusagen aus Deutschland während des afrikanischen Klimagipfels in Nairobi verstärkt, darunter die Förderung von grünem Wasserstoff und erneuerbaren Energien sowie eine Schuldenumwandlung zugunsten umweltrelevanter Projekte. Kenia verfolgt das herausfordernde Ziel, bis 2030 zu 100 Prozent auf erneuerbare Energien umzusteigen und dient dabei als Modellland für die Vereinigung wirtschaftlicher Entwicklung und Umweltschutz. Kenia spielt daher auch eine sehr wichtige Rolle bei der Unterstützung anderer afrikanischer Länder bei der Umsetzung erneuerbarer Energien und des Klimaschutzes.

Sicks: Viele der von uns geförderten Hochschulprojekte in der Region konzentrieren sich auf Nachhaltigkeitsthemen. Ein aktuelles Beispiel ist das aus Mitteln des Auswärtigen Amtes geförderte Globale Zentrum für Klima und Umwelt mit dem Namen „Future African Savannas“. Es ist hier vor Ort an der University of Nairobi angesiedelt, mit Partnern in der Elfenbeinküste und den Universitäten Bonn und Köln in Deutschland. An diesem Zentrum geht es darum, die Auswirkungen des Klimawandels auf den Lebensraum und die Biodiversität der Savannen in Ost- und Westafrika anzuschauen und Strategien zur Abmilderung der Auswirkungen zu finden. Ein großes Projekt, aber zugleich auch nur eines, das beispielhaft für viele Aktivitäten steht, bei denen wir die deutschen Hochschulen und Partner in Kenia unterstützen.

Lassen Sie uns auf die DAAD-Außenstelle Nairobi schauen, die seit 50 Jahren akademischen Austausch fördert. Welche Bedeutung haben die akademische Verbindung und die Alumnae und Alumni für den deutsch-kenianischen Austausch?

Sicks: Die Alumnae und Alumni in Kenia und Ostafrika sind für den DAAD von unschätzbarem Wert. In den letzten 50 Jahren haben wir rund 18.000 Menschen gefördert, die heute wichtige Botschafterinnen und Botschafter für die deutsch-kenianische Zusammenarbeit sind. Sie bekleiden wichtige Positionen in Wirtschaft, Wissenschaft und Politik in Kenia und den Ländern Ostafrikas und setzen sich für Deutschland, den DAAD und die Kooperation mit der deutschen Wissenschaft ein. Diese Alumnae und Alumni sind das Fundament für zukünftige Kooperationen und Multiplikatoren in der Wissenschaft und darüber hinaus. Gerade in diesen Zeiten, in denen Deutschland eine noch engere Zusammenarbeit mit Kenia in wirtschaftlicher und politischer Hinsicht anstrebt, ist das ein starkes Pfund.

Groth: Man kann die Bedeutung der 18.000 DAAD-Alumnae und -Alumni für die deutsch-kenianischen Beziehungen nur immer wieder unterstreichen: Ich führe viele Gespräche mit kenianischen Partnern, die mir erzählen, sie haben in Deutschland studiert. Sie beginnen dann zu strahlen, wenn sie von ihren Erinnerungen erzählen, und es ist oftmals eine ganz tiefe Verbindung. Die Direktorin des kenianischen Nationalmuseums, eine sehr wichtige Ansprechpartnerin für uns, ist ein aktuelles Beispiel: Sie hat an der Universität Bonn promoviert und danach weiter in ihrem Fachgebiet Bienen gearbeitet. Und gibt es unzählige weitere solcher Geschichten. Daher wünsche ich mir, dass der DAAD sein Engagement hier in Kenia mindestens fortsetzt und bestenfalls ausbauen kann, bei allen haushalterischen Schwierigkeiten, die erwartbar vor uns liegen. Es ist eine Investition in die Zukunft und eine Investition, die für uns und die Menschen Kenias jede Menge Ertrag bringt. Zweitens sollten wir gemeinsam den Blick öffnen für neue Themen in der Region: Wir sollten uns von einem von Entwicklungszusammenarbeit geprägten Afrika-Bild lösen und schauen, wo sind Trends und Dynamiken in Wirtschaft und Wissenschaft, bei denen wir ansetzen und auch selbst etwas lernen können. Und drittens sollten wir die regionale Zusammenarbeit in Ostafrika insgesamt stärken, und auch hier ist der DAAD bereits sehr gut aufgestellt.

Zum Abschluss: Wenn man Kenia und Ostafrika näher kennenlernen möchte, welche Bücher oder Filme würden Sie empfehlen?

Sicks: Als Einstieg hat mir die Krimi-Reihe von Mukoma wa Ngugi gut gefallen, Sohn des berühmten kenianischen Schriftstellers Ngũgĩ wa Thiong'o. Die Bücher „Nairobi Heat“ und „Black Star Nairobi“ geben hoffentlich einen authentischen, auf jeden Fall aber einen unterhaltsamen Einblick in die Stadt. Unbedingt lesen möchte ich selbst die Satire „Herr der Krähen“ seines Vaters, des besagten Ngũgĩ wa Thiong'o, die von einer Art Turmbau zu Babel eines despotischen Herrschers einer fiktiven Republik in Ostafrika erzählt.

Groth: Aktuell läuft die Serie „Country Queen“ in der ARTE-Mediathek, die in Nairobi und auf dem Land spielt und Umweltthemen sowie Familiendramen behandelt. Ostafrika insgesamt bietet eine reiche literarische Tradition, darunter die Werke des Literaturnobelpreisträgers Abdulrazak Gurnah die die Verbindung der Region über den Indischen Ozean hervorheben. Aber das Wichtigste ist natürlich: Wenn möglich selbst herkommen, und sich einen eigenen Eindruck vor Ort machen.

Vielen Dank für das Gespräch.

Interview: Michael Flacke (9. Oktober 2023)

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