Deutschsprachige Studiengänge (DSG): gewachsene Strukturen, neue Perspektiven

Weitreichender Austausch: Prager Studierende bei einer Exkursion in Düsseldorfs japanischem Viertel.

Anhaltende Erfolgsgeschichte: Das DAAD-Programm Deutschsprachige Studiengänge (DSG) feiert 2023 sein 30-jähriges Bestehen. Zum Jubiläum blickt das DAAD Journal auf einige Kooperationen deutscher Hochschulen und ihrer östlichen Partner.


Mit nur acht Studierenden startete 1993 der Deutschsprachige Studiengang (DSG) Betriebswirtschaftslehre an der Corvinus-Universität Budapest. Die Besonderheiten des Programms, das gemeinsam mit der Universität Passau entwickelt wurde: Gelehrt wird auf Deutsch, Dozentinnen und Dozenten beider Hochschulen arbeiten eng zusammen, Studierende aus Budapest können für ein Semester nach Passau gehen. „Nach und nach wurde der DSG Corvinus-Passau immer bekannter und beliebter – ein voller Erfolg“, sagt Professor Niklas Wagner, der Passauer Direktor des Studiengangs. Bis heute hätten insgesamt mehr als 700 Teilnehmende den DSG abgeschlossen: „Die Absolventinnen und Absolventen haben bei deutschsprachigen und internationalen Arbeitgebern hervorragende Chancen, der Abschluss ist ein Wettbewerbsvorteil auf sprachlicher und kultureller Ebene.“ 2010 wurde ein gemeinsames Doppelmasterprogramm gegründet. Die Zusammenarbeit der beiden Hochschulen, die historisch durch die Donau als Wasserweg verbunden sind, geht heute über den DSG weit hinaus und umfasst beispielsweise auch gemeinsame Forschungsprojekte und die Ausrichtung internationaler Konferenzen.

 

Dozententreffen des Deutschsprachigen Studiengangs Betriebswirtschaftslehre an der Budapester Corvinus-Universität.


Brücken zwischen deutschen Hochschulen und Hochschulen in Mittel-, Ost- und Südosteuropa zu bauen – mit diesem Ziel wurde vor 30 Jahren das DAAD-Förderprogramm Deutschsprachige Studiengänge (DSG) ins Leben gerufen. Nach dem Ende des Kalten Kriegs bestand in Ost und West großes Interesse an einer intensiven Zusammenarbeit in Bildung und Forschung. „Deutsch als Wissenschaftssprache hatte in Mittel- und Osteuropa eine lange Tradition, daran konnte das Programm anknüpfen“, sagt die zuständige DAAD-Mitarbeiterin Roksolana Rohde. Gefördert werden Bachelor-, Master-, Aufbau- und Zusatzstudiengänge außerhalb der Germanistik, die ganz oder teilweise in deutscher Sprache stattfinden. Das aus Mitteln des Auswärtigen Amts finanzierte Programm wurde im Laufe der Jahre auf den Südkaukasus und Zentralasien ausgeweitet. Bis heute wurden rund 70 DSG-Projekte in 17 Ländern gefördert, etwa die Hälfte davon in Wirtschafts-, Rechts- und Sozialwissenschaften. Ein weiterer Schwerpunkt sind Ingenieurwissenschaften. Insgesamt haben mehr als 20.500 Studierende, Promovierende und Lehrende von der DSG-Förderung profitiert. 

Sowohl auf individueller als auch auf institutioneller Ebene habe das Programm viel bewirkt, sagt Roksolana Rohde: „Zum einen konnte eine sehr große Zahl von Studierenden Fachkenntnisse nach internationalen Standards und gute Deutschkenntnisse erwerben. Zum anderen konnten die Hochschulen in den Förderregionen die Vielfalt und Qualität ihres Angebotes verbessern und die deutschen Hochschulen ihre internationale Kompetenz ausbauen.“ Praxisorientierung spiele in den DSG-Projekten eine sehr große Rolle: „Auf den lokalen Arbeitsmärkten sind Deutschkenntnisse heute sehr gefragt, besonders bei Fach- und Führungskräften.“


Maschinenbaustudium in Cluj-Napoca

Cluj-Napoca in Rumänien hat sich in den letzten 15 Jahren zu einem Technologiezentrum entwickelt, viele deutsche Maschinenbauer haben sich hier angesiedelt. Dazu habe sicher auch der Deutschsprachige Studiengang Maschinenbau an der Technischen Universität Cluj-Napoca beigetragen, meint Dr. Johannes Rothmund vom Produktionstechnischen Zentrum der Universität Stuttgart, der das Projekt seit Jahrzehnten begleitet: „Wir arbeiten eng mit deutschen Industriepartnern zusammen, bauen für sie Brücken nach Cluj – und sehen mit Freude, wie stark sie sich dort engagieren. Aus der Zusammenarbeit ergeben sich auch viele Praktikumschancen für Studierende in beiden Ländern.“ Zahlreiche Absolventinnen und Absolventen sind bei deutschen Unternehmen in Rumänien tätig. Seit 2018 besteht neben dem geförderten Bachelor- und Masterstudiengang auch ein Doppelmasterprogramm. „Die Kooperation ist für Lehrende und Studierende aus Stuttgart eine tolle Möglichkeit, ihren Erfahrungshorizont zu erweitern, zudem gewinnen wir sehr qualifizierte Doktorandinnen und Doktoranden aus Cluj“, so Rothmund.


Deutsch-Österreichische Studien in Prag

In dem wohl einzigartigen interdisziplinären Masterstudiengang Deutsch-Österreichische Studien an der Karlsuniversität Prag befassen sich die Studierenden mit Zeitgeschichte, Wirtschaft, Politik, Kultur und Recht Deutschlands und Österreichs. „Tschechien ist historisch eng mit dem deutschsprachigen Raum verbunden“, sagt Dr. Zuzana Lizcová, Leiterin des Lehrstuhls für deutsche und österreichische Studien der Karlsuniversität. „Anfang der Neunzigerjahre war das Interesse sehr groß, sich mit der teils schwierigen gemeinsamen Geschichte zu befassen und die Beziehungen zu Österreich und Deutschland auf ein neues Fundament zu stellen.“ Partnerhochschule im DSG-Programm ist die Heinrich-Heine-Universität (HHU) in Düsseldorf. Dozentinnen und Dozenten ganz unterschiedlicher Fächer kommen regelmäßig zu Lehraufenthalten nach Prag. „Zu den Vorteilen der Kooperation gehört es, dass sich dadurch auch Kolleginnen und Kollegen aus verschiedenen Disziplinen hier an der HHU besser vernetzen“, sagt die Düsseldorfer Osteuropa-Historikerin Professor Beate Fieseler. „Und Lehrende aus Prag bieten bei uns Veranstaltungen zu aktuellen politischen Themen Mitteleuropas an, die eine große Bereicherung sind.“ Aus der langjährigen Zusammenarbeit seien nicht nur enge Freundschaften entstanden, sondern auch vielfältige gemeinsame Publikationen und Projekte.

Nicht nur die Entsendung von Lehrenden beider Partnerhochschulen, Sprachkurse sowie Deutschland-Aufenthalte ausländischer Studierender und Promovierender werden aus dem DSG-Programm gefördert: Auch Graduierte aus Deutschland können Stipendien für einen Auslandsaufenthalt erhalten. Jedes Jahr halten zwei Masterstudierende der HHU Düsseldorf an der Karlsuniversität Prag Deutschkurse und wirken an Tandemseminaren zu aktuellen Themen aus der deutschen Politik, Wirtschaft und Gesellschaft mit. „Diese Seminare machen immer viel Spaß, eröffnen neue Perspektiven und führen zu sehr interessanten Diskussionen“, sagt Zuzana Lizcová. Absolventinnen und Absolventen der Deutsch-Österreichischen Studien arbeiten bei deutschen politischen Stiftungen in Prag, in Ministerien, Botschaften, Medien oder Unternehmen, viele in Führungspositionen.

Die Unterschiede bei den sprachlichen Vorkenntnissen der Studienanfänger sind in den vergangenen 30 Jahren größer geworden. Das Angebot an Deutschkursen, auch Intensivkursen, soll deshalb ausgebaut werden. Zudem würden Weiterbildungsstudiengänge im DSG-Programm künftig mehr Bedeutung bekommen, sagt Roksolana Rohde vom DAAD: „Das Interesse an solchen Angeboten wächst. Ein Vorteil des DSG-Programms ist, dass aufeinanderfolgende Förderungen langjährig möglich sind: So können Studiengänge immer wieder an neue Bedarfe angepasst werden.“

Miriam Hoffmeyer (15. September 2023)


 

Verwandte Themen