Der DAAD und die Welt nach Corona
J. Mukherjee
Die vom Coronavirus SARS-CoV-2 ausgelöste Pandemie hat in wenigen Wochen in Deutschland, Europa und weltweit zum Zusammenbruch alter Gewissheiten und Sicherheiten, zu einem von zahlreichen und massiven Einschränkungen gekennzeichneten Alltag und zu einer vor kurzem noch undenkbaren wirtschaftlichen Krise im globalen Maßstab geführt. Um ein geflügeltes Wort der letzten Jahre aufzugreifen: die Welt, so scheint es, ist endgültig aus den Fugen geraten. Und sie wird nach der Krise nicht mehr dieselbe sein; die Welt wird, um in dem Bild zu bleiben, nach Corona neu verfugt werden. Auch für uns beim DAAD als weltweit größte Förderorganisation für internationalen Austausch wird die Welt nach Corona eine andere sein.
Wir beobachten in diesen Tagen ein großes Dilemma:
Einerseits werden durch rigide nationale Maßnahmen – auch in der Europäischen Union – Reisefreiheiten vollständig ausgesetzt. Mit Abstandsregeln und anderen Maßnahmen zum social distancing bis hin zu Ausgangssperren werden Kontakte minimiert und Austausch erschwert. Auch in Deutschland suspendieren wir Grundrechte – wie die Freizügigkeit und Reisefreiheit. Wir setzen – und es bleibt in dieser Situation auch keine andere Wahl – auf vielfältige Mechanismen der Abschottung und Isolation.
Andererseits wird uns in aller Brutalität bewusst, wie sehr vernetzt wir auf diesem einen Planeten sind und dass wir uns vor Entwicklungen in anderen Ländern nicht abschotten können. Wir erkennen auch, dass wir der globalen Herausforderung von COVID-19 nur begegnen können, wenn Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler international zusammenarbeiten, um Therapeutika und Vakzine gemeinsam zu entwickeln – im Übrigen auch mit Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern in Staaten wie der Volksrepublik China, die als „schwierige Partnerländer“ gelten.
Was bedeutet das für uns? Was sind die Herausforderungen, die sich für den DAAD stellen in dieser aus den Fugen geratenen Welt?
Erstens: Wir können uns durchaus darin bestätigt fühlen, dass internationaler Austausch und wissenschaftliche Zusammenarbeit über Grenzen hinweg der Schlüssel für die Lösung der gemeinsamen globalen Probleme ist und bleibt – diese Grunderkenntnis gilt es gerade in diesen Tagen mit Verve zu vertreten.
Zweitens: Wir wollen uns noch intensiver der Frage widmen, wie internationale Zusammenarbeit und interkultureller Erfahrungsaustausch auch ohne physischen Kontakt und in virtuellen Umgebungen möglich ist. Das, was nun aus der Not geboren mit Hilfe digitaler Technologien an internationalem Austausch aufrecht erhalten wird, müssen wir weiter denken – eben nicht nur aus klimapolitischen Gründen wie in den letzten Jahren, sondern auch im Lichte der aktuellen Pandemie, die nicht die letzte sein wird.
Drittens: Wir müssen umfassend über die Nach-Corona-Welt nachdenken. Die Bereitschaft zu Auslandsaufenthalten, die Mobilitätsströme zwischen Ländern und Kontinenten, die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen für Mobilitäten in zahlreichen Staaten, die individuellen und institutionellen Einschätzungen zur Gebotenheit und Dringlichkeit von Reisen, die Bedeutung von digitalen Technologien und von virtuellen Szenarien der Begegnung – all dies wird sich massiv ändern. Und damit verändern sich wesentliche Parameter für den DAAD und unsere Handlungsfelder.
Wir haben nun die Aufgabe, uns auf die Welt nach Corona vorzubereiten. Der DAAD hat sich seit seiner Gründung immer wieder auf neue Rahmenbedingungen, ja auf neue Welten eingestellt. Wir können daher alle miteinander die Zuversicht ausstrahlen, dass uns dies auch diesmal gelingen wird. Die Welt nach Corona – sie wird anders sein, aber auch in ihr wird gelten, dass Fortschritt nur durch Zusammenarbeit, Wandel nur durch Austausch gelingen kann.