Museen neu denken

Teilnehmende des DAAD-Programms <i>TheMuseumsLab</i> im Jahr 2023

An der zeitgemäßen Gestaltung afrikanischer und europäischer Museen arbeitet TheMuseumsLab. Das Programm, das der DAAD 2021 gemeinsam mit anderen Organisationen ins Leben gerufen hat und seitdem finanziell unterstützt, bringt jedes Jahr 50 Museumsfachleute aus Afrika und Europa zusammen. Damit bietet es eine breite Plattform für den Austausch von Wissen und Perspektiven. 

Wie soll das Museum der Zukunft aussehen? Als Ausstellung von Kulturgütern an einem festen Ort? Oder als „Oral History“, also Sammlung von Geschichten? Das vom DAAD geförderte Programm TheMuseumsLab lässt verschiedene Antworten zu – und setzt vor allem auf unterschiedliche Sichtweisen. „Den Blickwinkel auf das, was ein Museum sein kann, erweitern wir im gemeinsamen Austausch mit den afrikanischen und europäischen Stipendiatinnen und Stipendiaten“, sagt Programmleiterin Meryem Korun vom Museum für Naturkunde Berlin - Leibniz-Institut für Evolutions- und Biodiversitätsforschung (MfN). Dabei sei es wichtig, tradierte Konzepte zu hinterfragen, neu zu denken und sich als moderne Institution stetig weiterzuentwickeln. 

Das vom Auswärtigen Amt und aus Mitteln der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien (BKM) finanzierte Programm wurde in Kooperation von mehreren afrikanischen und europäischen Institutionen sowie dem DAAD entwickelt. Über 50 internationale Museen sowie andere Kultureinrichtungen sind aktuell Partner der Initiative. An der inhaltlichen Ausgestaltung sind jedes Jahr wechselnde Museen beider Kontinente unter der Leitung des MfN beteiligt. „In diesem Jahr unterstützen uns bei der Konzeption erstmals Alumnae und Alumni der vergangenen drei Programmjahre sowie ein internationales akademisches Komitee“, erklärt Korun. 

TheMuseumsLab möchte zur interkontinentalen und internationalen Transformation von Museen beitragen.

Begegnungen mit Respekt und Empathie 

TheMuseumsLab gliedert sich in drei Seminarmodule, die online sowie in Präsenzphasen von renommierten afrikanischen und europäischen Expertinnen und Experten geleitet werden. Im Jahr 2024 kommen die Geförderten in Berlin und Accra zusammen. Ihre Praxiswoche absolvieren sie in Tandems an afrikanischen und europäischen Partnerinstitutionen. Wer sich für das Programm bewerben möchte, muss über mindestens zwei Jahre Erfahrung in der Museums-, Kulturerbe- oder Kunstbranche verfügen: Kuratorinnen, Museumsmanager, Restauratoren, Architektinnen, aber auch Künstlerinnen und Künstler beider Kontinente begegnen sich beispielsweise im Rahmen der Initiative. 

„Unser Ziel ist es, starke, nachhaltige und diverse Netzwerke unter den Stipendiatinnen und Stipendiaten und beteiligten Museen und Kultureinrichtungen aufzubauen und damit zur interkontinentalen und internationalen Transformation von Museen beizutragen“, so Korun. Zudem leiste das Programm einen Beitrag zur Aufarbeitung der Kolonialgeschichte und der Restitutionsdebatte: „Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer sollten dazu bereit sein, kolonial geprägte Standpunkte und Narrative aufzubrechen und voneinander zu lernen.“ Aktuelle Fragen des Museumsmanagements oder der Einsatz von ausstellungsbegleitenden Bildungsangeboten stehen genauso auf der Agenda wie der Umgang mit Sammlungen aus kolonialen Kontexten. „Die Geförderten tauschen sich auch über praktische Fragen aus wie beispielsweise den Einsatz geeigneter Software, Lagerungstechniken oder das Thema Digitalisierung“, erläutert Korun. „Darüber hinaus zielt das Programm darauf ab, bestehende Strukturen in internationaler Zusammenarbeit zu reflektieren und gemeinsame Überlegungen anzuregen, wie ein neuer ethischer Rahmen für internationale Zusammenarbeit aussehen könnte.“ 

Terence Besaka nahm 2023 am Programm TheMuseumsLab teil. Aktuell arbeitet er als Konservator am Nationalmuseum von Kamerun in Yaoundé.

Sprungbrett für die Karriere

In den vergangenen Jahren wurde bereits viel erreicht: Das Alumni-Netzwerk des Programms kuratiert kontinentübergreifende Ausstellungen und hat ein Online-Format zu Objekten im kolonialen Kontext entwickelt. Zudem haben sich zwischen teilnehmenden Institutionen neue Partnerschaften etabliert. „Darüber hinaus ermöglicht TheMuseumsLab den Geförderten eine Weiterentwicklung in ihrer beruflichen Karriere“, erläutert Korun. 

Auch Terence Besaka, der TheMuseumsLab 2023 absolvierte und als Konservator am Nationalmuseum von Kamerun in Yaoundé tätig ist, profitierte von dem Programm: „Bei meiner Aufgabe, die Exponate unseres stetig wachsenden Museums zu pflegen und instand zu halten, bin ich mit zahlreichen Herausforderungen konfrontiert“, erklärt er. TheMuseumsLab habe ihm die Möglichkeit gegeben, sich notwendiges Wissen anzueignen und mit den anderen Teilnehmenden in den Austausch zu treten. „Die Gespräche waren sehr kreativ und interessant, ich habe gerne mit meinen Ideen zur Diskussion beigetragen.“  

Während seines Praxisaufenthalts am Museum am Rothenbaum – Kulturen und Künste der Welt (MARKK) in Hamburg arbeitete Besaka eng mit den dortigen Restauratorinnen und Restauratoren zusammen. Zudem war er an der Planung des Transfers der MARKK-Ausstellung „Hey Hamburg, kennst Du Duala Manga Bell?“ ans Nationalmuseum von Kamerun beteiligt, die dort ab September 2024 zu sehen sein soll. Die Schau erzählt die Lebensgeschichten der kamerunischen Königsfamilie Duala Manga Bell und stellt damit die Themen koloniales Erbe und Rassismus sowie deren Auswirkungen auf einzelne Menschen, aber auch die Gesellschaft als Ganzes ins Zentrum der Aufmerksamkeit. 

„Mithilfe von TheMuseumsLab ist es mir und meinen Kolleginnen und Kollegen in Kamerun gelungen, uns adäquat auf die internationale Ausstellung vorzubereiten“, sagt Besaka. „Zudem konnten wir die umfangreichen Dokumentationen des MARKK nutzen.“ Die Projekte der anderen Programmteilnehmenden möchte er weiterhin verfolgen – als Anregung für sich und sein Heimatland. Zudem arbeitet er am Augmented Reality-Spiel „Climate Wahala“ mit, das die ehemaligen Geförderten seines Programmjahrgangs gemeinsam ins Leben gerufen haben. Es ermutigt dazu, Kohlendioxidemissionen einzusparen und stellt Informationen zum Klimawandel bereit.

Die nigerianische Schriftstellerin Ifunanya Madufor ist TheMuseumsLab-Alumna und Stipendiatin des Ethnologischen Museums Berlin.

Gemeinsame Visionen 

Vernetzung, lehrreiche Diskussionen, Perspektivwechsel: Nach Ende ihres Stipendiums fühlen sich die Absolventinnen und Absolventen weiter dem Grundgedanken von TheMuseumsLab verbunden und fungieren als Botschafterinnen und Botschafter des Programms. „Eine Alumna des Jahrgangs 2022 erzählte mir detailliert und ausführlich von ihren positiven Erfahrungen“, sagt Ifunanya Madufor, Assistenzkuratorin am Center for Memories in Enugu, Nigeria. Die nigerianische Schriftstellerin und Kulturwissenschaftlerin bewarb sich für die Initiative – und traf bei der Kick-off-Veranstaltung im Mai 2023 auf engagierte Stipendiatinnen und Stipendiaten. „Thematisch haben wir uns unter anderem mit der Rückgabe menschlicher Überreste und materieller Kultur aus europäischen Museen an ihre jeweiligen afrikanischen Herkunftsorte beschäftigt“, erzählt sie. 

Madufor, die ihren Arbeitsschwerpunkt bei afrikanischen indigenen Wissenssystemen setzt, untersuchte während ihres Praxisaufenthalts am Ethnologischen Museum in Berlin insbesondere jene Artefakte der Sammlung, die aus ihrem Herkunftsort, der Igbo-Region in Nigeria, stammen. „Anschließend habe ich den Informationskontext rund um diese Kunstgegenstände und die Datenbank erweitert.“ Ihr Einsatz wurde belohnt: Madufor ist derzeit Stipendiatin des Ethnologischen Museums und bringt dort ihre Expertise als wissenschaftliche Mitarbeiterin weiter ein. „Zudem habe ich dank des Programms mein Netzwerk erheblich erweitert und viele Personen kennengelernt, die meine Visionen teilen“, sagt sie. Gemeinsam arbeiten sie nun an der Sichtbarmachung der indigenen Wissenssysteme Afrikas. „Mein persönliches Ziel ist es, den Diskurs innerhalb des nigerianischen Museumssektors zu beeinflussen und für authentische Geschichten einzutreten“, sagt Madufor. „Damit möchte ich sicherstellen, dass die ursprüngliche Erzählung unseres kulturellen Erbes wahrheitsgetreu vermittelt wird.“ Sie wünscht sich eine Ausweitung von Programmen wie TheMuseumsLab, die alle Bereiche des kulturellen Erbes umfassen und Inspiration, Wissensaustausch und Zusammenarbeit im Sinne einer fortschrittlicheren Kulturlandschaft fördern. Eine Ansicht, die sie mit Meryem Korun teilt: „Angesichts der zunehmenden Krisen und Konflikte in der Welt neigen die Menschen dazu, sich voneinander zu entfernen. Insbesondere in diesen Zeiten braucht es Initiativen wie TheMuseumsLab, die Begegnungen schaffen und Empathie für andere Personen und Perspektiven in den Fokus stellen.“

Christina Pfänder (13. Februar 2024)


 

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