Lars Gustafsson

Schweden

Schriftsteller, Philosoph

Gast des Berliner Künstlerprogramms des DAAD 1972

Persona männlich

Persona männlich

Als der Schwede Lars Gustafsson 1972 als Gast des Berliner Künstlerprogramms des DAAD erstmals nach Deutschland kam, waren Berlin und das ganze Land noch von der Teilung in zwei Staaten geprägt. Zugleich gingen Risse durch die westdeutsche Gesellschaft, die in Terroranschlägen der sogenannten Roten Armee Fraktion (RAF) ihre äußerste Zuspitzung fanden. Der damals 36-jährige Schriftsteller blieb gleich mehrere Jahre in Berlin und verarbeitete seine Eindrücke im Romanzyklus „Risse in der Mauer“. Darin fängt Gustafsson die geistige Atmosphäre in den Intellektuellen-Kreisen der siebziger Jahre ein: in einer melancholischen Liebesgeschichte mit einer marxistischen Philosophiedozentin und dem beherrschenden Gefühl, an umwälzenden Aktionen nicht teilhaben zu können oder zu wollen.

Mein Deutschland hat sich fast unendlich erweitert.
– Lars Gustafsson

Wie in dem Zyklus sind die Suche nach Identität, das moralische Bewusstsein, die Beziehung zwischen persönlicher Erfahrung und Selbstreflexion Ausgangspunkte für Gustafssons Lyrik und Erzählungen, die er seit Ende der 1950er-Jahre publiziert. Der 1936 geborene Gelehrte hat Literatur, Philosophie und Soziologie in Uppsala und Oxford studiert und gilt als intellektueller Poet, der in dem ihm eigenen Stil Erzählung mit philosophischer Reflexion und Zeitkritik vermischt. „Es gab jedoch keine Zeit in meinem Leben, in der ich allein von meiner Schriftstellerei leben konnte. Als Professor in den USA habe ich zum Beispiel sehr gut verdient. Ich war erstaunt, dass zwei Stunden Konversation in einem Doktorandenseminar besser bezahlt werden als eine Gedichtsammlung“, erzählt Gustafsson.

Seine Wege führten ihn immer wieder nach Deutschland. Unter anderem war er als Gastdozent an die Universitäten Bielefeld, Tübingen und Hamburg sowie 2004 Fellow am Wissenschaftskolleg in Berlin. Die zahlreichen Aufenthalte spiegeln sich auch in seinem Gesamtwerk wider. Dabei lässt Gustafsson deutsche Philosophie so virtuos in seine Texte einfließen, dass das Lesen zum intellektuellen und sinnlichen Vergnügen wird. Mit seinen zahlreichen Veröffentlichungen in deutscher Sprache prägt der Schriftsteller und Philosoph zudem seit den 1970er-Jahren das Schwedenbild der Deutschen - jenseits der großen Kinderbuchtradition und der populären schwedischen Kriminalliteratur. Für sein umfangreiches literarisches Werk und dessen engen Deutschlandbezug verlieh ihm das Goethe-Institut 2009 die „Goethe-Medaille“, im Juli 2015 erhielt er den „Thomas-Mann-Preis“.