von morgen gestalten sollen, nicht (nur) die Werte von gestern vermitteln, sondern berücksichtigen, dass sich Werte weiterent- wickeln können. Kritischer Umgang mit Quellen ist eine grund- legende Kompetenz in der Forschung. Hochschulen müssen dies auch zu einer grundlegenden Kompetenz unserer Gesellschaft machen. Hochschulen sollten Wissen über Werte vermitteln, statt spezifische Werte zu lehren Die Aufgabe von Hochschulen besteht unter anderem darin, verschiedenen Ansichten Raum zu geben und den Umgang mit ihnen zu vermitteln. Sie dürfen keine Orte sein, die das Denken in vorgegebene Bahnen lenken. Werte sollten durch Lehre vermittelt und durch wissenschaftli- che Auseinandersetzung entwickelt werden. Bei den Lernergeb- nissen geht es nicht nur darum, was wir wissen, verstehen und tun können, sondern auch darum, was wir bereit sind zu tun – und zu unterlassen. Die Fähigkeit und der Wille sich in ethi- scher Reflexion und kritischer Analyse zu üben müssen fester Bestandteil jedes Studienprogramms sein. Studierende sollten explizit mit Werten konfrontiert werden; dementsprechend brauchen Studiengänge Raum für kritische Erörterung und Überprüfung von Werten. Dazu gehört auch, mit den Studieren- den zu diskutieren, in welcher Art von Gesellschaft wir leben wollen. Die Art und Weise, wie dies organisiert wird, spiegelt bereits eine Reihe von Werten wider. Die Vermittlung gesellschaftlicher Werte erfordert einen ganzheitlichen Ansatz Struktur und Management einer Hochschule müssen ihren jeweiligen Werten entsprechen und die Studierenden einbin- den. Leitungsmitglieder müssen selbst als Vorbilder agieren und diese Werte leben. Vor allem aber erfordert die Vermittlung von Werten einen ganzheitlichen Bildungsansatz und Teilhabe aller Akteursgruppen. Werte müssen sowohl durch eine theoretische Auseinandersetzung als auch durch eine praktische Umsetzung ausgebildet werden. Zahlreiche Studien belegen, dass ein Auslandsstudium wesent- lich dazu beitragen kann, kritisches Denken zu fördern, eine ge- festigte Persönlichkeit zu entwickeln und über die eigenen Wer- te nachzudenken. Gleichzeitig kann es viele der vereinbarten Werte (Offenheit, Toleranz, interkulturelles Verständnis usw.) stärken. Es gibt verschiedene Möglichkeiten, einen Raum für die kritische Vermittlung von Werten zu schaffen. Um dies erfolg- reich und effektiv zu tun, braucht es einen ganzheitlichen An- satz. Mobilität ist eine wichtige Erfahrung, die einen Vergleich zwischen Werten und Ansichten in verschiedenen Ländern ermöglicht. Der Austausch mit anderen über ihre Erfahrungen kann das kritische Nachdenken über staatsbürgerliche Werte unterstützen und den Studierenden dabei helfen, ihren Platz in der Gesellschaft zu finden. Eine weitere Aufgabe ist die Vermittlung von Integrität in Wis- senschaft und Forschung, insbesondere angesichts der jüngsten Betrugs- und Plagiatsfälle einerseits und einer zunehmenden Skepsis gegenüber dem Wert der Wissenschaft andererseits. DAADeuroletter forum Wenn gesellschaftliche Verantwortung zu einem zen- tralen Bestandteil des universitären Leitbilds wer- den soll, muss auch auf politischer Ebene gehandelt werden Hochschulen müssen Verantwortung für die Vermittlung und Achtung von Werten übernehmen. Wenn Werte ernst genommen werden sollen, muss die Art und Weise, wie sie diskutiert und gefördert werden, in Bewertungs- systeme und Evaluationen einbezogen werden, etwa durch An- reize für Wissenschaftler, Studienprogramme und Institutionen. Hochschulen sollten ihre Aktivitäten auf grundle- gende und gesellschaftliche Werte stützen und eine entsprechende interne Kultur sowie entsprechende Verfahren entwickeln und pflegen. Wir rufen die Ministerinnen und Minister dazu auf, sowohl im Europäischen Hochschulraum als auch in den einzelnen Bildungssystemen für ein Umfeld zu sorgen, das die erforderlichen Rahmenbedingungen schafft, um diesen wichtigen Auftrag der Hochschul- bildung zu erfüllen. Sjur Bergan, Leiter der Abteilung für Hochschulbildung, Gene- raldirektion Demokratie, Europarat Prof. Alastair Buchan, Direktor von Oxford in Berlin, Vereinigtes Königreich Prof. Dr. Mircea Dumitru, Rektor der Universität Bukarest, Ru- mänien Adam Gajek, ehemaliger Präsident der European Students’ Union (ESU) Ulrich Grothus, Präsident der Academic Cooperation Associa- tion (ACA) Prof. Dipl.-Ing. Dr. Edeltraud Hanappi-Egger, Rektorin der Wirt- schaftsuniversität Wien (WU), Österreich Stéphane Lauwick, Präsident des Europäischen Verbands von praxisorientierten Hochschulen (EURASHE) Prof. Ginés Marco Perles, Dekan der Fakultät für Philosophie, Katholische Universität Valencia, Spanien Prof. Dr. Liviu Matei, Provost der Zentraleuropäischen Universi- tät, Ungarn Prof. Dr. Joybrato Mukherjee, Präsident des Deutschen Akademi- schen Austauschdienstes (DAAD) Dr. Sijbolt Noorda, Präsident der Magna Charta Observatory Prof. Dr. Igor Papič, Rektor der Universität Ljubljana, Slowenien Prof. Juan Jesús Pérez, Vizerektor für internationale Politik, Technische Universität Katalonien, Spanien Prof. Martine Rahier, Vizepräsidentin der European University Association, Schweiz Prof. Dr. Margit Sutrop, Leiterin des Ethikzentrums, Universität Tartu, Estland François Taddei, Direktor des Zentrums für interdisziplinäre Forschung (CRI); Universität Paris-Descartes, Frankreich Prof. Maurizio Talamo, ordentlicher Professor für Informations- sicherheit, Präsident der Universitätsstiftung INUIT-TOR Verga- ta, Universität Tor Vergata, Italien Prof. Chryssi Vitsilaki, Rektorin der Universität der Ägäis, Griechenland n 53