Dozentin mit Leidenschaft

Privat

Fischparasitologisches Praktikum 2019: Dr. habil. Sonja Kleinertz zeigt den Studierenden an der IPB University in Bogor, Indonesien, wie man einen Fisch auf Ektoparasiten untersucht.

Die weltweit einzige Langzeitdozentur des DAAD für Meereswissenschaften gibt es in Bogor in Indonesien. Dr. habil. Sonja Kleinertz hat diese seit 2018 inne. Die Marineökologin engagiert sich sehr für die indonesischen Studierenden, freut sich über deren Erfolge und genießt dort ein hohes Ansehen.

Zimperlich darf Sonja Kleinertz auf ihrem Weg zur Arbeit an der IPB University nicht sein: Wenn sie sich für die 13 Kilometer von ihrem Haus zur Universität auf ihre 125er Honda schwingt, muss sie sich durch den chaotischen Linksverkehr in der Fünf-Millionen-Stadt Bogor auf Westjava schlängeln. „Das ist nicht ohne“, sagt sie, „aber mir macht das Fahren hier Spaß, und es geht wesentlich schneller als mit dem Auto.“ 

Die Marineökologin mit Schwerpunkt Marineparasitologie lebt für fünf Jahre als DAAD-Langzeitdozentin an der IPB University in Bogor. Die Stadt liegt im muslimisch geprägten Teil Westjavas, rund 60 Kilometer südlich der indonesischen Hauptstadt Jakarta. Die Langzeitdozentur ist der Fakultät für Fischerei und Meereswissenschaften zugeordnet, zu der fünf Departments gehören: Technologie und Management der Aquakultur, Aquatisches Ressourcenmanagement, Aquatische Produkttechnologie, Fischereimanagement und -technologie sowie Meereswissenschaften und -technologie. Als Langzeitdozentin arbeitet sie überall mit, weil sie so auf die Ressourcen aller Bereiche zugreifen kann und umgekehrt alle Bereiche von ihrer Expertise profitieren. Und die ist bei ihren Kolleginnen und Kollegen sowie den Studierenden sehr gefragt.

Dozentin mit Leidenschaft

Privat

Langzeitdozentin Dr. habil. Sonja Kleinertz fährt mit ihrem Motorrad zur Universität – in Indonesien der schnellste Weg durch den dichten Straßenverkehr.

Faszination Unterwasserwelt
Ihre Leidenschaft für das Meer entdeckte Sonja Kleinertz, als sie 1998 ihren ersten Tauchkurs in der Türkei absolvierte. Die Unterwasserwelt, die Vielfalt und deren Schönheit waren der Auslöser, in diese Richtung zu studieren. Über ihren Doktorvater Prof. Dr. Harry Palm kam die Wissenschaftlerin 2003 erstmals mit Indonesien in Kontakt. Damals besuchte sie bei ihm ein fischparasitologisches Praktikum an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf. Von 2007 bis 2010 promovierte die Marineökologin auf Java in einem Projekt zum Schutz der indonesischen Küstenökosysteme (SPICE II: Science for the Protection of Indonesian Coastal Ecosystems) in Zusammenarbeit mit dem Leibniz-Zentrum für Marine Tropenforschung in Bremen. Zuletzt lehrte und forschte sie an der Universität Rostock. Da Sonja Kleinertz das Meer liebt, immer schon im Ausland arbeiten wollte und gerne in der Lehre tätig ist, war die Langzeitdozentur eine hervorragende Gelegenheit. 

An der IPB University hält sie in allen fünf Departments Vorlesungen, an denen Bachelor-, Master- und PhD-Studierende teilnehmen. Außerdem betreut die Wissenschaftlerin als Co-Supervisorin in den drei Leveln eigene Studierende. „Bei meinen Veranstaltungen lege ich besonderen Wert auf die ‚discussing questions‘-Einheiten.“ Nach 30 Minuten Vorlesung macht sie jeweils eine Pause und lässt die Teilnehmenden zusammenfassende Fragen mündlich oder schriftlich in Kleingruppen beantworten. „Die Studierenden sollen immer nachfassen, wenn sie etwas nicht verstanden haben, und Dinge kritisch hinterfragen. Das tun sie nämlich oft nicht. Außerdem sollen sie nach jeder Vorlesung wissen, was sie von der Veranstaltung mitnehmen müssen. Das ist mein Ziel.“

Dozentin mit Leidenschaft

Privat

Lehre macht Spaß: Langzeitdozentin Sonja Kleinertz beim fischparasitologischen Praktikum 2019 inmitten ihrer Studierenden. 

Open-Desk-Day und Mentoring in Eigeninitiative
Dass die Marineökologin gerne lehrt und ihre Studierenden voranbringen möchte, zeigen auch die von ihr initiierten Projekte. Am wöchentlichen Open-Desk-Day beispielsweise korrigiert und kommentiert sie deren Publikationstexte. Im Mentoring-Programm, einem Programm zur Karriereunterstützung, lernen die Teilnehmenden unter anderem, wie sie sich auf Stipendien und Stellen bewerben, auf welchen Homepages sie entsprechende Informationen finden, wie die deutsche Wissenschaftslandschaft funktioniert, wie man wissenschaftliche Anträge und Publikationen schreibt und vieles mehr. „Das Programm nehmen die Studentinnen und Studenten gut an. Einige haben bereits eine Stelle oder ein Stipendium im Ausland ergattert.“ 

Die Studierenden wissen das Engagement der Langzeitdozentin sehr zu schätzen. Besonders gefreut hat Kleinertz vor Kurzem die Reaktion eines Studenten, der sie jetzt mit „Sensei“ anspricht. Das kommt aus dem Japanischen und bedeutet weit mehr als „Lehrer“ oder „Mentor“. Ein Sensei besitzt Weisheit, Autorität und Wissen, was von vielen respektiert wird. „Nicht, dass ich mich wie ein Guru fühle“, lacht die Wissenschaftlerin, „aber das ist doch ein schönes Kompliment und Wertschätzung für meine Arbeit.“

Expertin für Gutachten
Von Deutschland aus wird Kleinertz öfter als Gutachterin angefragt, zum Beispiel von der ASIIN e. V. , einem Verein, der sich um die Akkreditierung von Studiengängen unter anderem in Aquakultur und dem Fischereisektor kümmert. An allen Fakultäten der IPB University ist bekannt, dass die Dozentin aus Deutschland als ASIIN-Gutachterin tätig ist. Entsprechend setzen auch die Kolleginnen und Kollegen auf deren Expertise, wenn sie Studiengänge akkreditieren lassen wollen. 

Was Kleinertz als Herausforderung erlebt? Dass in Westjava kaum jemand Englisch spricht. Wer sich im Alltag verständigen möchte, sollte auf jeden Fall ein bisschen Bahasa Indonesia können. Ein Manko ist außerdem, dass die Wissenschaftlerin keine Forschungserlaubnis hat, weil ihr indonesisches Visum dies nicht zulässt. Damit die eigene wissenschaftliche Publikationstätigkeit nicht stagniere, müsse man gut organisiert sein, so Kleinertz. „Momentan läuft es ganz gut. Über die Studierenden, die ich betreue, bringe ich als Co-Autorin Veröffentlichungen heraus.“

Dozentin mit Leidenschaft

Privat

Svenja Koepper, Masterstudentin der Universität Bremen (2018), nutzt Sonja Kleinertz‘ Privatlabor in deren Haus in Taman Kencana. 

Privates Labor eingerichtet  
Vorausschauend arbeiten sei überhaupt wichtig. Kleinertz‘ Vorteil ist, dass sie bereits für ihre Doktorarbeit in Indonesien war. Aus dieser Zeit wusste sie beispielsweise, wie rar die Ausstattung mit Mikroskopen ist, brachte ihre eigene Ausrüstung mit und erweiterte sie vor Ort. Die Transportkosten übernahm der DAAD. In ihrem Haus hat die Forscherin ein kleines Fischparasitologie-Labor, das auch ihre Studierenden regelmäßig zur Einarbeitung nutzen. „Sie sollen lernen, richtig wissenschaftlich zu arbeiten. Für eine selbstständig durchgeführte Masterarbeit ist das unerlässlich.“ 

Ein schöner Nebeneffekt dieser privaten Labortrainingszeiten ist der übriggebliebene Fisch. Nachdem die Studierenden die Fische im Labor auf Parasiten hin untersucht haben, nehmen sie die Fischreste entweder mit oder Sonja Kleinertz friert sie ein und lädt anschließend zum Grillfest. Bei so viel herzlichem Miteinander ist es kein Wunder, dass die Studierenden ihrer Langzeitdozentin jede Menge Wertschätzung entgegenbringen. Vielen Dank, Sensei!

Astrid Hopp (22. März 2022)