Die Welt im Drei-Minuten-Format zu Gast in Berlin

Falling Walls Foundation

Die 25-jährige Unternehmensberaterin Souleima Ben Lkima aus Tunesien überzeugte die Zuschauer beim „Falling Walls Science Summit“ im November in Berlin.

„Falling Walls Lab“ nennt sich ein Format, bei dem junge Menschen in Kurzvorträgen ihre Ideen präsentieren, mit denen sie Antworten auf aktuelle Herausforderungen in ihren Heimatländern geben. In vielen Ländern weltweit finden diese Veranstaltungen statt, unter anderem organisiert vom DAAD. Die Sieger der nationalen Wettbewerbe trafen sich im November zum Finale in Berlin.

Als am 9. November 1989 die Mauer fiel, waren viele der jungen Teilnehmerinnen und Teilnehmer des „Falling Walls Science Summit“ noch gar nicht geboren. Die Veranstaltung ist ein mehrtägiges, seit 2009 jährlich stattfindendes Wissenschaftsfestival, zu dem in diesem Jahr unter anderem 75 junge Menschen aus Hochschulen, Forschungseinrichtungen, Start-ups oder Nichtregierungsorganisationen aus 58 Staaten rund um den Globus nach Berlin eingeladen wurden. Zuvor hatten sie sich in ihren Heimatländern in einer nationalen „Falling Walls Lab“-Ausscheidungsrunde durchgesetzt. In Berlin präsentierten sie am 7. November im Rahmen des „Falling Walls Science Breakthrough of the Year“ in der Kategorie „Emerging Talents“ in je dreiminütigen Kurzvorträgen ihre Ideen, die sich mit gesellschaftlichen Herausforderungen beschäftigen: beispielsweise mit dem sicheren Zugang zu Trinkwasser, der Verschmutzung der Erde und der Meere durch Plastik sowie der Diagnose von Krankheiten.

Eine der Teilnehmerinnen war die 25-jährige Souleima Ben Lkima, die als Spezialistin für digitale Lösungen in der Unternehmensberatung Aymax in Tunesien arbeitet und das nationale „Falling Walls Lab“ gewann. Die Ingenieurin stellte in ihrem Pitch ein Projekt vor, das der Industrie helfen soll, die Prozesse der Verwaltung, Lagerung und Verteilung von Waren mittels innovativer „Internet der Dinge“-Technologien zu optimieren. „Die Idee von Falling Walls, innerhalb von drei Minuten seine Idee vorzustellen, ist eine echte Herausforderung, aber mir gefällt das Konzept, und ich liebe Herausforderungen“, sagt Souleima Ben Lkima. Von der nationalen Ausscheidung im September in Tunis habe sie sehr profitiert: „Ich habe viele neue Kontakte schließen können, und hinterher sprachen mich Jurymitglieder an, die unserem Team helfen wollten.“ Ein guter Mentor oder eine gute Mentorin mit Business- oder Finanzbackground seien für die Prozessentwicklung sehr wichtig – und manchmal sogar entscheidender als eine finanzielle Unterstützung.

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DAAD Tunis


Dr. Renate Dieterich leitet die DAAD-Außenstelle Tunis und verantwortete die Organisation des nationalen „Falling Walls Lab“ in Tunesien.

Innovationspotenzial auf die Bühne bringen
Dr. Renate Dieterich, Leiterin der DAAD-Außenstelle Tunis und verantwortlich für die Organisation der Veranstaltung, lobt die Vorzüge des „Falling Walls Labs“: „Uns hat der Ansatz überzeugt, dass sich junge begabte und kreative Menschen mit guten Ideen und einem hohen Innovationspotenzial auf einer Bühne vorstellen können. Das ist ein schönes Format, um Wissenschaft in andere Kreise zu bringen und mit der Praxis zu verbinden.“ Für die Teilnehmenden sei von Vorteil, dass sie so Netzwerke knüpfen könnten und von einer hochkarätig besetzten Jury aus Wirtschaft und Wissenschaft ein fundiertes Feedback bekämen. Zu Tunesien passe dieses Format sehr gut, denn: „Tunesien ist ein Land mit vielen jungen Menschen, aber es gibt nicht immer die Strukturen und die Möglichkeiten, um das auszuleben und zu präsentieren, was an Kreativität da ist.“ Deswegen habe das Format diese Lücke sehr gut gefüllt. Dass beim „Falling Walls Lab“ in Tunesien drei Teilnehmerinnen die ersten drei Plätze belegten, spiegele zudem sehr gut die Situation der Frauen an den Hochschulen und in der Gesellschaft wider. „Die Selbstverständlichkeit, mit der in Tunesien Frauen in technischen Fächern an den Hochschulen und in der Berufswelt vertreten sind, unterscheidet sich deutlich von anderen Ländern der Region, aber durchaus auch von Deutschland. In ingenieurwissenschaftlichen Fächern liegt in Tunesien der Anteil weiblicher Studierender bei rund 40 Prozent, Tendenz steigend“, sagt Dieterich.

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DAAD Madagaskar


DAAD-Lektorin Mariele Eichholz an der Université d‘Antananarivo richtete das „Falling Walls Lab“ für Madagaskar aus.

Kindgerechte Bildung in Madagaskar
Auch ihre Kollegin in Madagaskar, die DAAD-Lektorin Mariele Eichholz an der Université d’Antananarivo  in der gleichnamigen Hauptstadt, zog ein positives Fazit. Sie hatte im Juli das dortige „Falling Walls Lab“ ausgerichtet – in einem Staat, der in der deutschen Öffentlichkeit nicht häufig erwähnt wird, noch seltener in Diskussionen zu Hochschulkooperationen. Mariele Eichholz hatte die Ausscheidung bereits zum zweiten Mal in der Hauptstadt auf die Beine gestellt. Elf Bewerberinnen und Bewerber durften pitchen und ihre Ideen präsentieren, wie man Probleme im eigenen Land lösen kann. „Die Projekte waren sehr auf Madagaskar bezogen und kamen vor allem aus den Bereichen Kultur, Bildung, Landwirtschaft und Umwelt“, sagt sie. Zwei Vorträge widmeten sich beispielsweise der Frage, wie man in Madagaskar erfolgreich Wald aufforsten kann – ein drängendes Problem, denn das Land hat seit der Besiedlung vor 1.500 Jahren 90 Prozent des Waldes verloren; infolge von Rodung, Waldbränden und Klimawandel droht gar der komplette Verlust des Regenwalds.

Einer der Teilnehmenden entwickelt deswegen ein Planetarium, um der Bevölkerung die Folgen von Buschbränden zu veranschaulichen. „Der wichtigste Nutzen für die Teilnehmenden ist, dass sie sich untereinander austauschen und Feedback erhalten konnten. Das brachte ihnen wirklich etwas“, sagt Eichholz. Zudem hätten sie eine Bühne bekommen, um ihre Lösungen zu präsentieren und möglicherweise Partner oder Geldgeber für ihre Projekte zu finden. Das „Falling Walls Lab“ in Madagaskar gewann der 32-jährige Notoavina Ravel, der seit 2015 Lehrer und Mitbegründer einer Montessori-Schule ist. Er plädierte in seinem Pitch für ein kinderzentriertes Bildungssystem, das die Eigenständigkeit fördert und den Rhythmus der Kinder mit praktischen, für alle zugänglichen Lernmaterialien respektiert. Dieser Ansatz stelle sicher, dass Kinder Freude am Lernen hätten, die ganzheitliche Entwicklung gefördert werde und die Zahl der Schulabbrecherinnen und -abbrecher sinke. In seinem Vortrag betonte Notoavina Ravel die Bedeutung der ersten fünf Lebensjahre: Diese bildeten das Fundament des menschlichen Potenzials, dafür müssten geeignete Lernmaterialien und Lernumgebungen bereitgestellt werden.

Die Welt im Drei-Minuten-Format zu Gast in Berlin

Ricard Andrianamanana


Das Team vom „Falling Walls Lab“ aus Madagaskar mit DAAD-Lektorin Mariele Eichholz (2. v. r.) und dem nationalen Gewinner Notoavina Ravel (3. v. l.).

Genauso wie die Tunesierin Souleima Ben Lkima war auch er in Berlin, um dort als nationaler Gewinner seine Idee zu präsentieren: „Der ,Falling Walls Science Summit’ war großartig. Ich konnte nicht nur präsentieren, was mein Team und ich tun, um die Bildung für Kinder in meinem Land zu verbessern, sondern auch aufstrebende Talente, Innovatoren und Pionierinnen aus der ganzen Welt treffen“, berichtet Notoavina Ravel. Es habe ihn in seiner Entschlossenheit bestärkt, weiterhin für eine hochwertige Bildung von Kindern zu kämpfen. Auch die Bilanz der Beraterin Souleima Ben Lkima fiel rundum positiv aus: „Der Austausch mit den externen Expertinnen und Experten war für mich sehr wertvoll. Ich habe dort interessante Menschen, etwa von SAP Deutschland, kennengelernt, die ich sonst nie getroffen hätte. Mit denen konnte ich mich fachlich austauschen und ihnen mein Projekt präsentieren“, sagt sie. Und für die Tunesierin gab es sogar noch ein Happyend als Zugabe: Sie gewann den Zuschauerpreis.

Benjamin Haerdle (10. Dezember 2021)

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