Erstmals Daten zu internationalen Promovierenden: Ergebnisse der Nacaps-Studie

Petra Nölle/DZHW

Janka Willige ist als wissenschaftliche Mitarbeiterin in der Abteilung Bildungsverläufe und Beschäftigung am DZHW tätig.

Wie international ist die Promotion in Deutschland? Dieser Frage ist das Deutsche Zentrum für Hochschul- und Wissenschaftsforschung (DZHW) nun erstmals in einer wissenschaftlichen Analyse nachgegangen. Basis waren Befragungsergebnisse, die vom DZHW 2019 im Rahmen der ersten Welle der National Academics Panel Study (Nacaps) erhoben wurden und an der sich insgesamt über 28.000 Promovierende in Deutschland beteiligten. Der DAAD hatte die Sonderauswertung aus Mitteln des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) gefördert. Janka Willige, wissenschaftliche Mitarbeiterin beim DZHW und Autorin der Studie, fasst die Ergebnisse zusammen.

Frau Willige, Sie haben eine Sonderauswertung zur Internationalität der Promotion in Deutschland durchgeführt. Was ist für Sie das Besondere an dieser Studie?
Mit der vorliegenden Sonderauswertung der National Academics Panel Study (Nacaps) wird es erstmals möglich, einen umfassenden Eindruck von der Internationalität der Promotion in Deutschland zu erhalten. Analysiert wurden die Erhebungsdaten der 1. Nacaps-Welle, also der Einstiegsbefragung von Anfang 2019, aus zwei Blickwinkeln: dem von Promovierenden, die im bisherigen Promotionsverlauf bereits einen temporären Auslandsaufenthalt durchgeführt haben, und dem internationaler Promovierender, die sich entschlossen haben, ihre Promotion an einer deutschen Hochschule zu verfassen. Die Sonderauswertung fokussiert ausgewählte Themenfelder: Einstellungen zur Auslandsmobilität, Betreuungs- und Erwerbssituation, weitere Karriereplanung. Die Besonderheit der Studie liegt unter anderem darin, dass nun erstmals umfassende Daten zu internationalen Promovierenden ausgewertet wurden, die als Basis für vertiefende Forschung dienen können.

Laut Ihren Befunden waren 27 Prozent der inländischen Promovierenden bereits im Ausland. Ist das aus Ihrer Sicht viel oder wenig? Und welche Gründe sind entscheidend dafür, dass Promovierende während ihrer Promotion in Deutschland ins Ausland gehen oder eben auch nicht?
Bei den 27 Prozent inländischen Promovierenden, die angeben, im bisherigen Verlauf zu einem temporären Auslandsaufenthalt aufgebrochen zu sein, handelt es sich um eine erste Zahl, die die Situation zum Erhebungszeitpunkt Anfang 2019 dokumentiert, und damit erstmals um Befunde in Abgrenzung zur abschlussbezogenen Mobilität, die in der amtlichen Statistik ausgewiesen wird. Um die ermittelte Zahl einzuordnen, kann vergleichend die Gruppe Studierender betrachtet werden, die in geringerem Umfang als Promovierende zu temporären Auslandsaufenthalten aufbricht. Für beide Gruppen sind im Verlauf des Studiums oder der Promotion (weitere) Mobilitätsphase(n) im Ausland nicht ausgeschlossen. Auslandsaufenthalte Studierender finden vermehrt in einer späteren Studienphase statt, weitere Auslandsaufenthalte werden verstärkt nach der Promotion durchgeführt. Die Analyse der weiteren Entwicklung temporärer Auslandsmobilität, und damit auch die Bestätigung der aktuell ermittelten Anteile, wird auf Basis künftiger Erhebungswellen von Nacaps möglich sein.

Promovierende, die im bisherigen Promotionsverlauf bereits einen Auslandsaufenthalt absolviert haben, verbinden mit der Durchführung meist den Erwerb von Forschungskompetenzen. Weitere wesentliche Aspekte sind der Wunsch, Kooperationen mit Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern außerhalb Deutschlands einzugehen, sowie die Verbesserung von Fremdsprachenkenntnissen. Von der Hälfte der Befragten werden zudem auch karrierebezogene Motive genannt, darüber hinaus gehört für ebenso viele ein Auslandsaufenthalt zu den im Fach üblichen Anforderungen.

Die bisher (noch) nicht temporär auslandsmobilen Promovierenden nehmen insbesondere folgende Hindernisse wahr: etwas mehr als die Hälfte die antizipierte Trennung von Partnerinnen oder Partnern, Kindern und Freundeskreis, aber vielfach auch Finanzierungsprobleme der Mobilität und die Schwierigkeit, eine passende berufliche Position außerhalb Deutschlands zu finden.

17 Prozent der Befragten in Ihrer Studie waren internationale Promovierende mit ausländischer Staatsbürgerschaft und ausländischer Hochschulzugangsberechtigung. Wie lässt sich diese Zahl interpretieren? Und: Wie zufrieden sind diese Promovierenden mit ihrer Lebens- und Arbeitssituation in Deutschland, wie sehen ihre Pläne für die Zeit nach dem Abschluss der Promotion aus?
Zur Einordnung des ermittelten Anteils von 17 Prozent bietet es sich an, vergleichend den Anteil internationaler Studierender in Deutschland zu betrachten: Dieser liegt nach Angaben des Statistischen Bundesamtes im Wintersemester 2019/20 mit 11 Prozent deutlich unter dem der befragten Promovierenden. Die Potenziale der Nacaps-Erhebung bestehen insbesondere in der Erhebung inhaltlicher Befunde zum Thema Promotion und Promotionssituation sowie in der Abbildung von Karriereverläufen. Daher standen im Fokus der Studie Hochschulwahlmotive, die Betreuungssituation, die Einbindung in das hochschulische Umfeld, die Finanzierung und berufliche Einmündung – also vielfältige Aspekte der Lebens- und Arbeitssituation. In der zusammenfassenden Betrachtung zeigt sich, dass die internationalen Promovierenden sowohl mit den Bedingungen der Promotion als auch mit ihrer Lebenssituation zu großen Anteilen zufrieden oder sehr zufrieden sind. Deutlich mehr als die Hälfte von ihnen gibt dies in Bezug auf die Betreuungssituation an, und zwei Drittel erleben die Finanzierung des Lebensunterhaltes während der Promotion als sichergestellt. Für die berufliche Zukunft nach der Promotion sieht der überwiegende Teil der internationalen Promovierenden eine Tätigkeit außerhalb der Wissenschaft mit Bezug zu Forschung und Entwicklung sowie die akademische Laufbahn (Habilitation) als sehr attraktiv an. Die befragten internationalen Promovierenden erweisen sich damit als forschungs- und wissenschaftsaffin.

Interview: Dr. Jan Kercher (19. November 2021)

Zur Person

Janka Willige ist seit November 2000 als wissenschaftliche Mitarbeiterin in der Abteilung Bildungsverläufe und Beschäftigung am DZHW tätig, ab 2009 als Projektleiterin des HISBUS-Studierendenpanels (Online-Access-Panel) und des Studienqualitätsmonitors (SQM). Von 1994 bis 2000 studierte sie Soziologie, Neuere deutsche Literaturwissenschaft und Europäische Ethnologie an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel und an der Universität Bremen.